06.09.2007

Schlechte Getreideernte 2007 – werden jetzt die Brötchen teurer?

Trendwende: Preise für Agrarerzeugnisse steigen. Überschüsse sind Geschichte

Verbraucher könnten demnächst für Brot, Milch und andere Lebensmittel tiefer in die Tasche greifen müssen als bisher. Eine Ursache dafür ist die enttäuschende Getreideernte 2007. Doch auch der Hunger nach Milchprodukten in Asien lässt hierzulande die Preise für Nahrungsmittel in die Höhe klettern. Die Trendwende ist offenkundig: Die Zeiten überquellender Getreidelager, ausufernder Milchseen und wachsender Rindfleischberge sind nach Expertenmeinung auf längere Sicht vorbei.

Nahrung zukünftig keine Inflationsbremse mehr

„Die Verbraucher müssen sich auf steigende Lebensmittelpreise einstellen. Die Zeiten, in denen Lebensmittel billiger und billiger wurden, sind vorbei“, sagt Sabine Eichner vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels. Aktuelle Ankündigungen von Verarbeitern und Handelsunternehmen bestätigen diese Einschätzung. Die Trendwende kommt für viele Verbraucher überraschend, waren doch viele Nahrungsmittel lange Zeit sehr günstig zu haben. Ihre Preissteigerungen blieben meist hinter der durchschnittlichen Inflationsrate zurück. 2005 gaben die Bundesbürger nur noch 11,4 Prozent der Konsumausgaben für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke aus. 1970 lag der Anteil noch bei 18,8 Prozent (Quelle Statistisches Bundesamt).

Globalisierter Nahrungsmittelmarkt

Dass die Mähdrescher in Deutschland in diesem Sommer nicht soviel Getreide ernteten wie gewohnt, ist sicherlich ein Auslöser für den erwarteten Preisschub. Bei Wintergerste, Sommergerste und Raps rechnet der Deutsche Bauernverband mit bis zu 20 Prozent, bei Weizen mit 15 Prozent Minderertrag gegenüber Normaljahren. Ursache sind insbesondere die Spätfröste und die ungewöhnliche Trockenheit im Frühjahr. Auch EU-weit gehen Experten von einer kleineren Getreideernte aus. Was der deutsche Verbraucher aber letztendlich für sein Brötchen bezahlt, hängt in zunehmendem Maße vom Weltmarkt ab. Und der präsentiert sich regelrecht leergefegt. In diesem Jahrzehnt hat die weltweite Getreideproduktion nur einmal über dem Verbrauch gelegen. In den übrigen Jahren blieb sie zum Teil deutlich darunter. Die weltweiten Weizenvorräte werden nach Schätzungen des US-Landwirtschaftsministeriums zum Ende des Erntejahres 2007/2008 bei lediglich 112 Millionen Tonnen liegen. Das reicht gerade einmal für zwei Monate und ist der niedrigste Wert seit 30 Jahren. Die Handelspartner reagieren zunehmend nervös. An den Warenterminbörsen stiegen die Preise innerhalb eines Jahres von 110 auf über 200 Euro pro Tonne Weizen. Doch selbst ein verdoppelter Mehlpreis muss nicht deutlich höhere Verbraucherpreise zur Folge haben. Das Mehl macht am Brötchenpreis zur Zeit ungefähr 1,5 Cent aus.

Höhere Nachfrage durch Bevölkerungswachstum, Bioenergie und Wohlstand

Die Getreideernten in der EU und anderen bedeutenden Anbauregionen wie Nordamerika, Australien und Argentinien bestimmen das Angebot auf den Weltmärkten. Zukünftig werden sie um circa 0,9 bis 1,4 Prozent jährlich steigen. Das schätzen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und das französische Nationale Institut für Agrarforschung (INRA), Schneller wächst zurzeit die Nachfrage. Das liegt einerseits an der Bevölkerungsentwicklung: 1,2 Prozent mehr Menschen pro Jahr (Quelle UNO, 2003) wollen satt werden. Andererseits führt der wachsende Wohlstand in Schwellenländern wie China und Indien zu einem höheren Nahrungsmittelkonsum. Dies gilt nicht nur für Getreide, sondern auch für Molkereiprodukte und Fleisch. Und schließlich spielt der Ölpreis eine Rolle. Je teurer Energie wird, desto mehr Landwirte steigen auf Bioenergieerzeugung um.

Ernten müssen steigen

Die höhere Nachfrage muss durch eine Steigerung der Produktion ausgeglichen werden. Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft heißt deshalb, die vorhandenen Anbauflächen effizient zu nutzen und hohe Erträge zu erwirtschaften. Fortschritte im Pflanzenschutz, in der Pflanzenernährung und in der Züchtung sowie in der Anbautechnik müssen konsequent umgesetzt werden. Extensivierung im Ackerbau wäre die falsche Strategie. Außerdem gilt es, Produktionsreserven zu mobilisieren. Einen ersten Schritt in diese Richtung wird die EU-Kommission machen. Ab 2008 dürfen die europäischen Landwirte voraussichtlich ihre stillgelegten Flächen wieder bebauen. Ebenso wird man darüber nachdenken, ob und in welchem Maß Trockengebiete zur Nahrungsproduktion genutzt werden können. Hier könnte die Grüne Gentechnik neue Möglichkeiten eröffnen, mit Züchtungen, die auch Wassermangel und gelegentliche Dürren und aushalten.