19.06.2006

Ramularia – ein neuer Pilz schreckt Landwirte

Ein junger pilzlicher Krankheitserreger der Gerste bereitet Sorgen. Bekämpfungsmöglichkeiten sind derzeit noch begrenzt.

Wenn gesunde Gerstenpflanzen innerhalb von 1 bis 3 Wochen komplett mit braunen Sprenkeln überzogen werden und absterben, dann hat ein Pilz namens Ramularia der Art collo-cygni (Rcc) wieder mal „ganze Arbeit“ geleistet. Diese so genannte Sprenkelkrankheit wurde in Deutschland erstmals 1995 in Süddeutschland gefunden. Inzwischen ist sie in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg genauso verbreitet wie in Bayern und Württemberg. Und die leichten, gut flugfähigen Sporen des Pilzes haben es sogar bis in die skandinavischen Länder und Großbritannien geschafft. Der Pilz zerstört das Pflanzengewebe und unterbindet dadurch die Photosynthese. Dadurch können die Pflanzen weniger Stärke in die Körner einlagern. Sie bleiben klein, der Ertrag von Brau- und Futtergerste sinkt um 10 bis 25 Prozent.

Sonnenlicht aktiviert fleckenauslösendes Pilztoxin

Aktuell wächst in Deutschland auf 2 Mio. Hektar Gerste heran. Da der Pilz in allen Regionen verbreitet ist, kann die Krankheit überall in Deutschland auftreten. „Ich gehe davon aus, dass ein sehr starker Befall mit der Sprenkelkrankheit bevorsteht“, so Torsten Balz von der Universität Göttingen. „Bis Anfang Juni war es sehr feucht – ideal für den Erreger.“ Kommt zu den Niederschlägen oder großen Taumengen noch viel Sonne, sind die Bedingungen für ihn hervorragend. Dabei aktiviert Sonnenlicht das Toxin des Pilzes, das die Fleckenbildung auslöst. Die Ausprägung der Krankheitssymptome beginnt mit dem Ährenschieben. Bei Temperaturen über 28° C können die Sporen dann nicht mehr keimen.

Krankheitssymptome

Es erscheinen stecknadelgroße dunkle Punkte, höchstens 5 mm groß, auf den Blättern. Die absterbenden Pflanzenteile, die so genannten Nekrosen, sind auf der sonnenzugewandten Seite sehr dunkel. Sie geben den Blättern das charakteristische gesprenkelte Aussehen. Je nach Stärke des Befalls nimmt die Größe der Nekrosen zu. Bei starkem Infektionsdruck liegen die erkrankten Stellen so dicht beieinander, dass ihre Begrenzungen durch die Blattadern und den gelben Hof nicht mehr zu erkennen sind. Auch die Halme und Grannen werden im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung befallen.

Und was hat die Ausbreitung der Krankheit gen Norden so befördert? Mit Sicherheit kann man die Ursachen noch nicht benennen. Aber, es scheint wahrscheinlich, dass sich der Erreger durch Mutationen, also durch vererbbare Veränderungen des Erbguts, an veränderte Umweltbedingungen angepasst hat.

Kann der Landwirt der Krankheit vorbeugen?

Am wirkungsvollsten ist es, rechtzeitig zur Infektion ein Pilzbekämpfungsmittel einzusetzen. Allerdings ist die Auswahl der Mittel angesichts des erst seit wenigen Jahren auffälligen Krankheitserregers noch relativ klein. Anbautechnische Maßnahmen wie z. B. eine abwechslungsreiche Fruchtfolge können einen Befall nicht verhindern. Es gibt zwar Sorten, die etwas weniger befallen werden, aber noch keine Sorte, die über eine ausreichende Resistenz gegenüber dem Erreger verfügt.

Engpässe bei Brau- und Futtergerste?

Das ist nicht wahrscheinlich. Es gibt auch in Zukunft genügend Braugerste für die Biertrinker und Futtergerste für unsere Nutztiere. Getreidemärkte sind global, so dass regionale Ertragsausfälle bisher meist durch Überschüsse in anderen Anbaugebieten ausgeglichen werden konnten. Und schließlich ist auch abzusehen, dass eine verstärkte Forschung der Pflanzenschutzindustrie bald Mittel hervorbringt, mit denen man diese junge Krankheit in den Griff bekommen kann.