Nachteile durch weniger Pflanzenschutzmittel?
 
  Nachteile durch weniger Pflanzenschutzmittel?
Landwirtschaft rechnet mit höheren Verbraucherpreisen und geringeren Qualitäten, falls die EU die Zulassungskriterien verschärft
Das EU-Parlament stellt zurzeit die entscheidenden Weichen für das neue Pflanzenschutzrecht. Demnach soll die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln deutlich verschärft werden. Rund zwei Drittel der aktuell in Landwirtschaft und Gartenbau eingesetzten Mittel könnten verloren gehen, bei Insektiziden sogar bis zu 80 Prozent. Betroffen sind Landwirte wie Steffen Mogwitz aus Gehrden (Niedersachsen), der als Geschäftsführer einer GbR circa 1 000 Hektar Ackerland rund um Hannover bewirtschaftet. Doch auch Verbraucher werden gegebenenfalls die Auswirkungen zu spüren bekommen.Herr Mogwitz, was halten Sie von den Brüsseler Plänen, die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln deutlich zu erschweren?
„Weniger Pflanzenschutzmittel – mehr Verbraucherschutz“. Ich persönlich halte nicht viel von dieser griffigen, aber dafür nicht zwangsläufig richtigen Aussage. Die bisherige Zulassungspraxis stellt bereits sehr hohe Anforderungen und bietet nach meiner Überzeugung ausreichend Sicherheit. Wird hier ohne Not bzw. aus rein politischen Gründen weiter verschärft, hat das Folgen für die Landwirtschaft, die damit verbundene Wirtschaft und für die Verbraucher. Da gibt es wahrhaftig andere Bereiche, wo man etwas für den Verbraucherschutz tun sollte.
Welche Auswirkungen hätte der Verzicht auf einen Großteil der aktuell zugelassenen Pflanzenschutzmittel für Ihren Betrieb?
Ein genügend großer Pool an Pflanzenschutzmitteln ist für mich wichtig, damit ich Krankheiten, Schädlinge und Unkräuter in allen Situationen sicher bekämpfen kann. Steht beispielsweise gegen den Rapsglanzkäfer nur noch ein Insektizid zur Verfügung, sind Resistenzen vorprogrammiert. In Befallsjahren würde ein Großteil der Ernte vernichtet. Oder in den Zuckerrüben: Hier ist es bereits jetzt schwierig, alle Unkräuter im Griff zu behalten. Fallen weitere Mittel weg, werden die Rüben überwuchert, der Anbau lohnt nicht mehr, und wir essen demnächst nur noch Zucker aus brasilianischem Zuckerrohr. Mit anderen Worten: Die wirtschaftliche Situation unseres Betriebs, der vier Familien ernährt, würde sich deutlich verschlechtern.
Wäre die Umstellung auf ökologischen Landbau für Sie eine Alternative?
Ich habe mich bewusst für die Produktion großer Mengen hochwertiger Lebensmittel entschieden und das schaffe ich am effizientesten mit dem Einsatz moderner Pflanzenschutz- und Düngemittel. Nur so kann meines Erachtens die Versorgung der wachsenden Erdbevölkerung mit Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen gesichert werden.
Wie würde sich eine geringere Pflanzenschutzmittelzahl auf die Verbraucher auswirken?
Ich denke, dass unsere Lebensmittel momentan ein sehr hohes Qualitätsniveau aufweisen. Gesundheitliche Risiken durch Rückstände oder verdorbene Produkte sind die absolute Ausnahme. Wenn so viele Wirkstoffe wegfallen, wird sich die Situation möglicherweise sogar verschlechtern. Für meine Berufskollegen und mich würde es beispielsweise schwieriger, lagerfähige und appetitliche Kartoffeln ohne Virusbefall zu erzeugen. Wir bekämen dann auch Schwierigkeiten mit Pilzkrankheiten im Getreide, die zum Teil giftige Stoffwechselprodukte im Erntegut hinterlassen. Insgesamt würden unsere Ernten geringer ausfallen und stärker schwanken, die Preise würden allgemein steigen und die Nachfrage müsste dann unter hohem Transportaufwand durch Importe aus Nicht-EU-Staaten gedeckt werden. Etwa aus Russland und aus der Ukraine, wo ganz anders als in Deutschland produziert wird. Alles das sind Effekte, die – vorsichtig gesagt – kritisch hinterfragt werden müssen.
Eine weniger wettbewerbsfähige Landwirtschaft hat auch Folgen für die Wirtschaft…
Richtig. Wenn ich meine Produktion zurückfahre, wirkt sich das auch auf die Auslastung meiner Landmaschinenwerkstatt aus. Der Umsatz des Getreideabnehmers geht zurück, womöglich auch die Arbeitsplätze in der Zuckerfabrik. Daher sehe ich keine positiven Auswirkungen einer weiteren Verschärfung der Zulassungskriterien. Für meinen Teil kann ich nur sagen, dass meine Mitarbeiter und ich sehr gewissenhaft mit Pflanzenschutzmitteln umgehen.
Können Sie das etwas näher erläutern?
Pflanzenschutzmittel sind ja bekanntlich nicht ganz preiswert. Auch deswegen gilt der Grundsatz „So wenig wie möglich, so viel wie nötig“. Pflanzenschutz bedeutet für mich High-tech. In diesem Jahr habe ich ein neues Pflanzenschutzgerät angeschafft, das mit Hilfe von Satellitenortung und weiterentwickelten Sprühdüsen punktgenau dosiert. Natürlich wird die Pflanzenschutztechnik regelmäßig von neutraler Stelle auf ordnungsgemäße Funktion überprüft. Unser Know-how muss da ebenfalls mithalten. Deswegen dürfen bei uns nur die Mitarbeiter mit der Pflanzenschutzspritze arbeiten, die eine Sachkundeprüfung abgelegt haben. Meine Mitarbeiter und ich bilden uns in diesem Bereich ständig fort. Dazu gehört selbstverständlich auch der intensive fachliche Austausch mit Beratern und Berufskollegen im Beratungsring und im Arbeitskreis.
 
        
                 
   
   
   
  