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Befall mit Claviceps purpurea auf Spartina anglica. Foto: Chr. Boestfleich, Institut für Botanik Hannover
20.08.2013
Umwelt & Verbraucher

Giftige Pilzkrankheit: Mutterkorn im Schlickgras entdeckt

Mit dem Schlickgras kommt das Mutterkorn den Weiden näher – Brotgetreide ist nicht gefährdet

Mutterkorn, botanisch Claviceps purpurea, ist eine sehr giftige Pilzkrankheit an Getreide, besonders häufig an Roggen. Bis ins 19. Jahrhundert verursachte sie immer wieder Massenvergiftungen, weil die Pilzkörper im Brot verbacken und mitverzehrt wurden. Heute spielt das Mutterkorn bei der Ernährung von Mensch und Tier so gut wie keine Rolle mehr. Getreidefungizide halten die Krankheit in Schach, moderne Reinigungsmethoden und strenge Qualitätskontrollen sorgen für sauberes Backgetreide. Mutterkorn im Schlickgras war bisher nicht bekannt.

Umso erstaunter waren Mitarbeiter der Leibniz Universität Hannover, als sie an der Nordseeküste – eigentlich rein zufällig – in den Rispen des dort wachsenden Schlickgrases violett-schwarz schillernde sporenartige Gebilde fanden, die stark an Mutterkorn erinnerten. Die Diagnose bestätigte sich bei genauerer Untersuchung im Labor.

Dass Mutterkorn Schlickgras befällt, war für die Botaniker neu. Um das ganze Ausmaß der Mutterkornbesiedlung zu erfassen, untersuchte man nun die gesamte Wattenmeerküste von den Niederlanden bis nach Dänemark und wurde fündig. Überall in den Rispen fanden sich die Überwinterungsorgane des Pilzes, sogenannte Sklerotien, und zwar deutlich mehr, als sonst auf Roggen zu finden sind. Weitere Untersuchungen zeigten, dass das Schlickgras-Mutterkorn sogar noch weitaus giftiger ist als das im Roggen. 

Nach Aussage von Professor Jutta Papenbrock, Institut für Botanik an der Leibniz Universität Hannover, besteht jedoch keinerlei Gefahr, dass das Mutterkorn auf landwirtschaftliche Bestände übergreifen kann. Es handelt sich um eine Unterart des Mutterkorn-Pilzes, die nur auf dieser Pflanzenart wächst. Auf Roggen und anderem Getreide kommt eine andere Unterart vor. Sorgen macht den Wissenschaftlern vielmehr, dass das Schlickgras inzwischen fast überall im Küstenbereich bis hoch an die Deiche, also auch in der Nähe beweideter Wiesen, wächst. Schafe, aber auch Kinder oder Hunde könnten gefährdet sein. 

Ab Herbst aufpassen

Da sich die Sklerotien erst im Herbst entwickeln, sind die Sommermonate relativ gefahrenfrei. „Allerdings haben wir festgestellt, dass das Gift kaum abgebaut wird“, berichtet Jutta Papenbrock. Auch habe man herausgefunden, dass abgefallene Sklerotien mit ähnlicher Giftigkeit später im Spülsaum der Gewässer an vielen Stellen wieder angeschwemmt würden. 

Bisherige Bemühungen, Schlickgras durch Mähen oder Verbrennen einzudämmen, sind weitgehend erfolglos geblieben. Die Wissenschaftler wollen sich des Problems weiter annehmen und hoffen nun auf fachliche und finanzielle Unterstützung. Um die Ausbreitung des giftigen Pilzes zu stoppen, müsse man mit Experten aus allen betroffenen Ländern zusammenarbeiten, meinte dazu die Professorin.

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