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Dr. Christian Scheer, Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee
13.05.2008
Umwelt & Verbraucher

Feuerbrand: Jede warme Stunde zählt

Wenn die Apfelbäume am Bodensee blühen und das Thermometer über 18 Grad Celsius steigt, schlagen Experten Feuerbrand-Alarm

Der Feuerbrand ist in der Bodenseeregion mittlerweile überall anzutreffen. Er gilt als die gefährlichste Krankheit von Apfel-, Birn- und Quittenbäumen und wird vom Bakterium Erwinia amylovora ausgelöst. 2007 verursachte die Krankheit Schäden in Millionenhöhe. Aus diesem Grund erteilt das Bundesamt für Verbraucherschutz BVL seit 2003 bei Gefahr im Verzug Sondergenehmigungen für den Einsatz des Antibiotikums Streptomycin im Erwerbsobstbau. Auf die Blüte ausgebracht kann es eine Infektion verhindern. Dennoch müssen die Obstbauern Jahr für Jahr bangen: Je wärmer es während der Blüte im Frühjahr ist, desto größer sind die Schäden.

Bavendorf, 2. Mai: „Die kühlen Temperaturen haben unsere Obstbäume bislang vor dem Feuerbrand geschützt“, berichtet Dr. Christian Scheer, Pflanzenschutzberater am Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee (KOB), „Zum Blühbeginn von Idared, Boskop und Elstar gab es noch keine Probleme.“ Das kann sich schnell ändern, ergänzt der Experte: „Wenn es jetzt wärmer wird, sind insbesondere spätere Sorten wie Golden Delicious, Jonagold und Fuji in Gefahr. Dann müssen wir vielleicht schon diese Woche den Obstbauern empfehlen, zu spritzen.“

Gefahr droht an warmen Tagen

Im vergangenen Jahr warnte das Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee bereits am 13. April zum ersten Mal vor der Feuerbrandgefahr: Bei sommerlichen Temperaturen blühten die Obstbäume drei Wochen früher als üblich. Auch für den Feuerbrand war die Wärme ideal. Klettert das Thermometer über 18,3 Grad, kann sich das Bakterium optimal entwickeln. Mit Vögeln, Insekten, Gartengeräten, Kleidung und Händen gelangt es auf die Obstbäume. Sogar der Wind kann, ähnlich wie bei Windpocken, die Krankheit übertragen. Gesunde Rinde kann das Bakterium nicht durchdringen, aber Verletzungen oder die offene Blüte sind Eintrittspforten. Deshalb ist die Blüte die gefährlichste Zeit für eine Infektion.

Jede Stunde zählt

„Wenn nach dem Beginn der Blüte eine Temperatursumme von 110 erreicht ist, ist die Gefahr einer Neuinfektion sehr groß“, erklärt Dr. Scheer, „Dann empfehlen wir den Obstbauern, gegen den Feuerbrand zu spritzen.“ Bei der Berechnung der Temperatursumme zählt jede warme Stunde: Nach dem Aufblühen addieren die Experten die Temperaturgrade über 18 Grad Celsius, und zwar stündlich. Zeigt das Thermometer nach dem Entfalten der Blüte 24 Stunden lang 23 Grad Celsius an, ist die kritische Temperatursumme mit 120 bereits überschritten.

Schäden in Millionenhöhe

Da die Apfelsorten zu unterschiedlichen Zeiten blühen, beobachten die Berater über Wochen den Blühbeginn und die Temperaturen. „Letztes Jahr mussten wir mehrmals warnen“, erinnert sich Dr. Scheer. Auf drei Millionen Euro schätzt der Experte den Schaden im Bodenseegebiet. Mittlerweile weiß man, dass der Feuerbrand in der ganzen Region verbreitet ist. „Das Bakterium lässt sich nicht mehr eingrenzen“, beschreibt Dr. Scheer die Situation, „Im vergangenen Jahr waren 450 Hektar stark betroffen, aber letztendlich ist der Erreger überall.“

Streuobstwiesen ohne Schutz

Die Ausbreitung des Erregers und die großen Verluste haben dazu geführt, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bereits seit mehreren Jahren in der Bodenseeregion den Einsatz des Antibiotikums Streptomycin im Erwerbsobstbau genehmigt hat. Diese Genehmigung ist mit strengen Anwendungsbestimmungen und Auflagen versehen. Zu ihnen gehören die Rezeptpflicht für das Spritzmittel, Berichtspflichten und umfassende Monitorings. Auf Streuobstwiesen sowie in Hausgärten darf das Antibiotikum allerdings nicht eingesetzt werden. Das bedeutet, dass die 250 000 Streuobstbäume in der Region dem Erreger schutzlos ausgeliefert sind. Problematisch ist auch, dass die infizierten Bäume gesunde anstecken können. Nach Dr. Scheer ist das Problem kaum in den Griff zu bekommen: „Die Kontrolle ist bei so vielen Bäumen unmöglich.“ Besonders anfällig seien heimische Streuobstarten wie die Oberösterreicher Weinbirne oder Gelbmöstler. Bei diesen Sorten hilft auch das Ausschneiden oder Ausreißen der befallenen Stellen nicht; die Bäume müssen gefällt werden.

Was kann der Obstgärtner tun?

Der Feuerbrand ist eine meldepflichtige Krankheit. Wer die typischen Symptome an Apfel-, Birn- und Quittenbäumen entdeckt, sollte die kranken Triebe möglichst schnell abschneiden oder abreißen und vernichten, am besten verbrennen. Erwerbsobstbauern geben dem Reißen gegenüber dem Schneiden den Vorzug, weil das Bakterium mit der Schere auf andere Bäume übertragen werden kann. Handelt es sich um eine empfindliche Baumsorte, ist das Fällen die einzig sinnvolle Maßnahme. Untrügliche Zeichen für die Krankheit sind welkende Blüten, die sich wenig später braun-schwarz verfärben. Über den Blütenstiel gelangen die Bakterien in die Triebe, die sich dann von der Blüte her ebenfalls dunkel verfärben. Schließlich verbiegen sich die Triebe krückstockartig nach unten. Die Feuerbrand-Bakterien überwintern im Saftstrom der Bäume sowie in kranken Rindenteilen von Ästen und Stämmen.