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Trägerfahrzeug des Steillagenvollernters ist eine Andreoli-Raupe, die über ein Seil mit Hangelwinde gesichert wird. Die Fingerkränze des aufgesattelten Vollernters greifen von zwei Seiten in die Laubwand einer Rebzeile ein. Durch Rütteln der Rebtriebe lösen sie die Beeren vom Stielgerüst der Trauben. Das aufgefangene Erntegut wird über Rechen- und Gebläseeinrichtungen von Blättern und Rebholzteilen gesäubert und gelangt über Fördereinrichtungen in den Auffangbehälter. Nach eigenen Angaben genügt die Qualität des Lesegutes höchsten Ansprüchen. Foto: Hoffmann Landmaschinen GmbH
22.10.2015
Umwelt & Verbraucher

Der schafft (fast) jeden Hang

Der Weinbau hat eine lange Tradition in Deutschland. Doch hinter jedem edlen Tropfen steckt die schweißtreibende Arbeit des Winzers. Ein Traubenvollernter für Steillagen soll jetzt das Leben leichter machen.

Rund um das beschauliche Weindorf Piesport sieht man nichts als Weinberge, soweit das Auge reicht. Mal steil, mal weniger steil, mal sehr steil an den sonnenverwöhnten Südhängen, wo das berühmte Piesporter Goldtröpfchen heranreift. Es ist anstrengend, diese extremen Lagen zu bewirtschaften, die Weinlese ist ausgesprochen mühsam.

Das soll nun anders werden. Peter und Marcus Hoffmann, die in Piesport an der Mosel einen Landmaschinen-Fachbetrieb führen, haben den weltweit ersten und einzigen Traubenvollernter für Steillagen entwickelt und gebaut. Das Raupenmechanisierungssystem, kurz RMS, ist ein Ein-Mann-System und besteht aus einer Raupe, einem Schlepper mit Funkfernsteuerung und einem Anhänger. Das Ernteaggregat wird auf der Raupe aufgebaut. Mit einem Seilzug gesichert, kann das Gerät theoretisch an Hängen mit bis zu 78 Prozent arbeiten. Aus Sicherheitsgründen soll der Vollernter aber nur für Steigungen bis zu 65-70 Prozent zugelassen und zusätzlich über einen Seilzug abgesichert werden.

Geht es nach den Brüdern Hoffmann, gehören Menschenkolonnen, die sich mühsam Reihe für Reihe durch die Rebstöcke arbeiten, bald der Vergangenheit an. Für die Winzer wäre das ein großer Fortschritt. Schon heute ist es schwierig, Arbeiter für die Lese zu gewinnen, denn das ist in den extremen Steillagen ein echter Knochenjob. Zudem steigen die Lohnkosten mit der Einführung des Mindestlohnes. Aber was schwerer wiegt: Die Qualitätsanforderungen, die jeder Winzer an sein Lesegut stellt, wachsen. Eine Ernte ‚just in time‘ - das ist nicht nur bei der Getreideernte oberstes Gebot. „Die Erntefenster für Qualitätswein werden immer enger“, weiß Peter Hoffmann. „Schlagkraft ist gefragt und eine Ernte rund um die Uhr.“ Das RMS schafft einen Hektar in 4,5 Stunden bei einer Hangneigung bis 65 Prozent und ersetzt somit 30 bis 40 Erntehelfer.

Anregungen holten sich die Landmaschinenexperten bei der Olivenernte, bei der die reifen Früchte mit Maschinen vom Baum geschüttelt werden. 2011 folgte eine Machbarkeitsstudie für den Steillagenvollernter und bereits 2012 startete das Projekt mit Unterstützung vom rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium im Rahmen des Förderprogramms Innotop. Ende 2014 konnte Peter Hoffmann sagen: „Die Ernte im Steilhang ist gelöst“.

Erste Verkäufe sind für 2016 geplant, dann wollen die Hoffmanns ihren Vollernter auch auf der internationalen Technikmesse für Wein, Saft und Sonderkulturen INTERVITIS in Stuttgart vorstellen. Der Markt ist jungfräulich, noch gibt es nirgendwo eine vergleichbare Erntemaschine. „Ich gehe von 20 Maschinen für Deutschland aus“, schätzt Peter Hoffmann. „Die Abnehmer sitzen hier an der Mosel, am Mittelrhein und rund um Würzburg. Dazu kommen die Terrassenanbaugebiete in der Ortenau und im Elsass. Ich erwarte mir aber auch ein großes Interesse in vielen Weinbauregionen in der ganzen Welt“. Portugal und Österreich hat er schon fest im Visier.