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Grahams Jubiläumsapfel in der DGO-Sammlung am ZGT. Foto: Dr. Schlegel, ZGT Ditfurt
18.02.2016
Schule & Wissen

Versuchswesen und Sortenerhaltung im Obstbau

Das Zentrum für Gartenbau und Technik (ZGT) in Quedlinburg-Ditfurt

Was verbindet den Reisermuttergarten in Magdeburg, das Genbanknetzwerk der Deutschen Genbank Obst und das Zentrum für Gartenbau und Technik (ZGT) in Quedlinburg-Ditfurt? Ihre Geschichte ist eng miteinander verwoben. Ein Blick in die Geschichte, Gegenwart und Zukunft.

Wissen Sie, was Reiser sind und wozu man einen Reisermuttergarten braucht? Reiser sind Teilstücke einjähriger Langtriebe mit kurzem Knospenabstand aus der Krone eines krankheitsfreien und wüchsigen Reisermutterbaums von einer Baumobstart, die man erhalten und weiter vermehren will. Dabei wird das sogenannte Edelreis auf eine Unterlage gepfropft, deren Wachstum beeinflussende Eigenschaften sich der Gärtner bei der späteren Baumentwicklung zunutze machen möchte. Da diese Unterlage in der Regel keine interessanten Fruchteigenschaften mitbringt, wird sie durch das aufgepfropfte Reis „veredelt“. In einem Reisermuttergarten werden die Reisermutterbäume so geschnitten, dass sie ausschließlich einjährige Ruten bilden, die als Reiser verwendet werden können. So können viele Obstsorten erhalten und jedes Jahr mehrere Tausend gesunde Reiser in einem Muttergarten gewonnen und an andere Standorte verteilt werden. Der Preis für das Gesunderhalten der Reisermutterbäume ist, dass sie als Mutterbäume niemals blühen und Früchte tragen dürfen. Daher kommen aus einem Reisermuttergarten keine Früchte.

Obstbau und Versuchswesen

Die Gründer des Reisermuttergartens Magdeburg begannen 1949 mit dem Aufbau eines Süßkirschen-Sortiments in Magdeburg-Ottersleben, das nach und nach um Apfel, Birne, Pflaume und Sauerkirsche erweitert wurde. Nach der Wende zog mit der Gründung der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau und Technik (heute Zentrum für Gartenbau und Technik, ZGT) des Landes Sachsen-Anhalt der Obstbau 1992 an den Standort Quedlinburg-Ditfurt um. 1995 schlossen die Bundesländer Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt einen Vertrag über das gemeinsame Betreiben des Reisermuttergartens, um zertifiziertes Reisermaterial für Baumschulen bereitzustellen. 1998 stellte Sachsen-Anhalt eine 7,5 ha große Fläche in Tundersleben bei Magdeburg bereit. Der Standort war ideal ausgewählt, da in der Region keine Erwerbsobstbaubetriebe, Streuobstwiesen, Baumschulen oder Kleingärten angesiedelt waren, aus denen Viren und andere Pathogene übertragen werden konnten.

Genbank Obst

2008 erfolgte mit einem Sortiment an Süß- und Sauerkirschen die Aufnahme des ZGT in das Genbanknetzwerk der Deutschen Genbank Obst (DGO). 2009 folgte der Vertrag über die Aufnahme des Apfelsortiments. Die deutsche Genbank Obst vernetzt und koordiniert die aufgenommenen Obstsammlungen in Deutschland. Bisher gehören Sammlungen der Obstarten Kirsche, Erdbeere, Pflaume und Äpfel dazu. Letztere stellen mit knapp 1000 Apfelsorten den größten Part. Mithilfe der Datenbank können Obstbaubetriebe und Obstbaumschulen entsprechend der Standortbedingungen nach regional angepassten alten Sorten suchen und aus den DGO-Sammlungen Reiser beziehen, wenn kommerzielle Reisermuttergärten Vermehrungsmaterial dieser Sorten nicht bereitstellen können. Dadurch können DGO-Sammlungen dazu beitragen, die genetische Vielfalt einer Region zu erhalten. Als nächstes soll das Netzwerk um die Birne erweitert werden.

Erhaltungs- und Vermehrungsarbeit

Die Erhaltungs- und Vermehrungsarbeit im Reisermuttergarten in Magdeburg musste in den vergangenen Jahren auch Rückschläge verkraften: Die „Apfeltriebsucht“ leitete 2010 den Anfang vom Ende des Reisermuttergartens Magdeburg ein. In Labortests wurde Candidatus Phytoplasma mali festgestellt, der Erreger der Apfeltriebsucht. 2012 mussten schließlich alle Bäume gerodet und vernichtet werden. Die Wissenschaftler konnten nur einen Teil an negativ getestetem Pflanzenmaterial aus dem Reisermuttergarten retten und veredelten es am ZGT in Ditfurt. Das dort bereits vorhandene Referenzmaterial zum Reisermuttergarten wurde in diesem Zuge ebenfalls verjüngt und im Frühjahr 2013 aufgepflanzt.

Vielfältige Aufgaben und Tätigkeiten

Im Obstbau hat das Zentrum für Gartenbau und Technik heute vielfältige Aufgaben. Es ist als Vertreter Sachsen-Anhalts Partner in einer mitteldeutschen Kooperation mit den Ländern Sachsen und Thüringen und ist an bundesweiten Versuchen der Arbeitsgemeinschaft obstbauliche Leistungsprüfung beteiligt. Zu den im Versuchswesen bearbeiteten Obstarten gehören jetzt beim Kernobst vor allem die Birne, das Strauchbeerenobst wie Johannis- und Stachelbeeren sowie beim Steinobst die Kirschen und Aprikosen. Durchgeführt wird aber auch die Anbaueignungsprüfung von Exoten wie die Kiwibeere, die Pawpaw oder die Kaki unter den im Vorharz gegebenen Standortbedingungen.

Das ZGT gehört zur Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau des Landes Sachsen-Anhalt (LLG) und vertritt das Land neben der Einbindung in die mitteldeutsche Kooperation mit dem Obstbau auch an einer norddeutschen Kooperation im Gartenbau mit den Ländern Niedersachsen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Als Kompetenzzentrum für Garten- und Landschaftsbau prüft es im Rahmen der norddeutschen Kooperation beispielsweise die Anbaueigenschaften von Straßen- und Alleebäumen, von Zier- und Wildgehölzen sowie den Einsatz von Stauden im urbanen Raum. Außerdem bietet das ZGT Seminare und Vortragsveranstaltungen in seinen Fachbereichen an, zum Beispiel ein Seminar zum Obstbaumschnitt oder einen Straßenbaumtag.

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