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Mit dem Pferdwagen fing es an. Foto: BASF SE
09.10.2014
Forschung & Technik

Von der Schwefelkalkbrühe bis zum Hightech-Pflanzenschutz

Ein Jahrhundert im Dienst der Landwirtschaft

Mitte des 19. Jahrhunderts setzten die Kraut- und Knollenfäule und der Falsche Rebenmehltau Landwirte und Winzer unter Druck. Pflanzenschutz tat not. Erste Erfolge erzielten sie mit Kupfer- und Schwefelkraftbrühe. Die Ernte zu retten hatte oberste Priorität. Umweltschutz spielte keine Rolle. Welche durchgreifenden Verbesserungen im Pflanzen- und im Umweltschutz bis heute erreicht wurden, das zeigt zum Beispiel das BASF-Agrarzentrum Limburgerhof.

Die landwirtschaftliche Versuchsstation wurde 1914 von Carl Bosch gegründet, ein Jahr nachdem erstmals die Ammoniaksynthese im großtechnischen Maßstab gelungen war. Fünf Mitarbeiter testeten in Feldversuchen die so entstandenen Düngemittel. Mitte der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts war der preisgünstige und leicht handhabbare Volldünger auf dem Markt. Die landwirtschaftlichen Erträge stiegen um bis 90 Prozent. In den 30er-Jahren strebte der Nationalsozialismus nach Autarkie. Deutschland sollte unabhängig von Importen werden und sich selbst versorgen können. Für das Agrarzentrum hieß das, die Grundlagenforschung hintan zu stellen und sich auf das Ziel der Ertragssteigerungen zu konzentrieren. Eine kaum lösbare Aufgabe. Erst nach dem Krieg ging es auch dort wieder aufwärts: Zwischen 1949 und 1964 wurde das Herbizidsortiment weiterentwickelt und ausgebaut. Es bot nun Lösungen für alle üblichen Unkrautprobleme jener Zeit. So konnten vor allem die Getreideerträge in bis dahin nicht gekannte Höhen steigen. Ab Mitte der 50er-Jahre belebten neu formulierte Fungizide (Pilzmittel) das Pflanzenschutzgeschäft und bewährten sich auch im Obst-, Gemüse- und Weinbau. In den Wirtschaftswunderjahren setzten auch immer mehr Landwirte immer modernere Maschinen ein. Die Landwirtschaft wurde technischer, rationeller und effizienter.

Neue Herausforderungen – neue Forschungsfelder, neue Problemlösungen

Für das Agrarzentrum steckt diese Zeit voller neuer Herausforderungen: von der Mechanisierung der Landwirtschaft bis zur Internationalisierung der Märkte. Ab Mitte der 60er-Jahre wurde ein weltweites Netzwerk von Versuchsstationen aufgebaut, in dem internationale und interdisziplinäre Forscherteams nach neuen Lösungen für immer neue Pflanzenschutzprobleme suchen. Ende der 90er-Jahre begann die Pflanzenbiotechnologie-Forschung, die sich darauf konzentriert, bestimmte Pflanzeneigenschaften gezielt zu verbessern. Diese Sparte verlegte ihren Hauptstandort von Limburgerhof nach North Carolina.

2008 kam das Thema Schädlingsbekämpfung mit Produkten für professionelle Anwender wie Schädlingsbekämpfer und Landwirte dazu. Seit 2012 sind außerdem Technologien und Produkte für biologische Saatgutbehandlung und Pflanzenschutz sowie Pigmente und Polymere zur Behandlung von Saatgut im Angebot.

Aus fünf Mitarbeitern wurden im Laufe von 100 Jahren rund 1 700. Biologen, Chemiker, Techniker, Agrarwissenschaftler, Landwirte, Gärtner und Kaufleute gehören dazu. Auch die Flächen sind heute größer: 12 250 Quadratmeter Gewächshausfläche und 40 Hektar Freiland.

Auch nach 100 Jahren noch lange nicht ausgeforscht

Die Agrarwissenschaft sieht sich immer neuen Forschungsaufgaben gegenüber, denn die Herausforderungen im Pflanzenbau nehmen kein Ende. Neue Schaderreger, Resistenzbildungen, Klimawandel, knappe Ressourcen und der steigende Bedarf an pflanzlichen Produkten für Ernährung und Energiegewinnung sowie nachwachsende Rohstoffe halten die Forscher in Atem. Hightech-Lösungen werden wichtiger. Heute erkennen an Landmaschinen installierte drahtlose Kommunikationssysteme das Unkraut und steuern den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Selbstfahrende Maschinen helfen bei Aussaat und Ernte. Sensoren füttern Bordcomputer mit Daten, damit moderne Landmaschinen Dünger zielgenau und bedarfsgerecht ausbringen können. Das schont die Umwelt und das Budget und erleichtert dem Landwirt die Arbeit.

Auch um Pflanzenschutzmittel so zielgenau wie möglich auszubringen, wird „Precision Farming“ immer weiterentwickelt. Sensortechnik hilft, Dünger teilflächenspezifisch auszubringen. Seit kurzem im Einsatz sind hochauflösende Spezialkameras, GPS (Global Positioning System), Bildverarbeitungssoftware und teils mit Dreikammersystemen ausgestattete Pflanzenschutzspritzen. Unkräuter werden identifiziert und Herbizide gezielt entsprechend der Unkrautverteilung auf dem Acker ausgebracht: also nur dort, wo die Unkrautkonkurrenz für die Kulturpflanze bedrohlich ist. Auch Roboter sind in Entwicklung. Sie trainieren bereits, zum Beispiel Unkraut jäten. Solche praxisnahen Ansätze fügen sich nahtlos in die Devise des Agrarzentrum zu seinem 100jährigen Bestehen: Lösungen für die Landwirtschaft zu finden, die dazu beitragen, „die Ressourcen zu schonen, die Ernährung zu sichern und die Lebensqualität zu verbessern“.

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