 
  Pflanzenschutzeinsatz zu halbieren rechnet sich nicht
Langzeitversuche des Julius Kühn-Instituts belegen: Halbierter Pflanzenschutz mindert Erträge
Seit 14 Jahren untersucht das Julius Kühn-Institut im brandenburgischen Dahnsdorf in Dauerfeldversuchen die Auswirkungen verschiedener Pflanzenschutzstrategien. Ergebnis: Reduziert man die Aufwandmenge jahrelang um 50 Prozent, nehmen Unkräuter und Pilzerkrankungen überhand. Landwirte würden empfindliche Ertragseinbußen erleiden.„Wir wollen das dauerhaft notwendige Maß für den Pflanzenschutzmitteleinsatz ermitteln. Wir testen, welche Intensität der Anwendung notwendig ist, um den wirtschaftlichen Anbau der Kulturen zu sichern“, erklärt Dr. Jürgen Schwarz vom Julius Kühn-Institut und Nachfolger von Dr. Bernhard Pallutt, der die Versuche konzipiert und wissenschaftlich betreut hat.
Im Verlauf der Jahre stellte sich heraus, dass die halbe Herbizidmenge zu einem erhöhten Auflauf von Unkräutern führte. Vor allem der Besatz mit schwerer bekämpfbaren Unkräutern wie die Kamille-Arten, Kornblumen oder Windhalm stieg deutlich an. Schwarz: „Ein erhöhter Kornblumenbesatz hatte sich erst nach sieben Jahren aufgebaut, während die Kamille bereits nach vier bis fünf Jahren deutlich zunahm.“ Der Unkrautauflauf hatte sich durch die Halbierung der situationsbezogenen Herbizidmenge nach zwölf Jahren nahezu verdoppelt, der Auflauf der Kornblume fast verzehnfacht. „Beim Getreide haben wir in den ersten Jahren zum Teil sogar Mehrerträge mit der halben Aufwandmenge erzielt. In manchen Kulturen hatten wir keine Verluste“. Das änderte sich in der zweiten Fruchtfolge. „Nach zwölf Jahren hat sich gezeigt, dass sich 50 Prozent Pflanzenschutz signifikant auf den Ertrag auswirken“, bekräftigt der promovierte Agrarwissenschaftler. Die ständige Reduzierung der Herbizidmenge um 50 Prozent stellt demnach ein wirtschaftliches Risiko dar.
In Jahren mit starkem Pilzbefall reichte die halbierte Fungizidmenge nicht aus, um den potenziellen Ertrag zu sichern. Es entstanden direkt wirtschaftliche Verluste. „Bei mittlerem Befall waren die 50 Prozent in Ordnung. Sonst lieferten 100 Prozent Pflanzenschutz die besseren Ergebnisse“, so Schwarz.
Um zuverlässige Aussagen für längere Zeiträume treffen zu können, sind Langzeitversuche unabdingbar. Langfristig wird dabei auf ein und demselben Teilstück dieselbe Variante geprüft, das heißt es findet kein Ortswechsel statt. Die Wissenschaftler untersuchen die Wechselwirkungen zwischen Witterung, Schaderreger und Pflanzenschutzmitteleinsatz aufeinander. Das braucht Zeit, denn die Veränderungen treten nicht unbedingt von heute auf morgen zu Tage, sondern oft erst ganz allmählich. „Langfristige Auswirkungen können wir frühestens nach zwei Fruchtfolgen abschätzen“, berichtet Schwarz. Die Unkrautflora verändert sich nach und nach, auch Resistenzen bilden sich erst über Jahre aus. Letztlich lassen sich auch die Folgen verschiedener Strategien auf den Ertrag - wichtigster Gradmesser für den wirtschaftlichen Erfolg - erst im Verlauf etlicher Jahre ablesen.
In Dahnsdorf wurden daher von 1995 bis 2007 zwei Fruchtfolgen nach den Regeln des integrierten Pflanzenbaus angebaut. Im Marktfruchtbau folgten Winterraps, Winterweizen, Winterroggen, Erbsen, Winterweizen und Wintergerste in einer Fruchtfolge aufeinander. In der zweiten Fruchtfolge stand der Futterbau im Fokus. Dort wurden Winterraps, Wintergerste, Luzerne/Klee/Gras, Winterroggen, Mais und Winterweizen angebaut. Im Jahr 2007 wurde der Versuch neu ausgerichtet, die neue Fruchtfolge lautet nun: Winterweizen, Winterroggen, Winterroggen/Zuckerhirse, Erbse, Triticale und Winterraps. „Wir vergleichen dabei die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln nach unterschiedlichen Anbaugrundsätzen. Verglichen werden auch die unterschiedlichen Auswirkungen bei wendender und nicht wendender Bodenbearbeitung“, erklärt Schwarz.
Nur wenige Einrichtungen beschäftigen sich in Langzeitversuchen mit Pflanzenschutz, der Schwerpunkt liegt meist auf der Düngung. Der klassische Dauerfeldversuch existiert bereits seit über 100 Jahren. Julius Kühn, der Namensgeber des Julius Kühn-Institutes, legte den „Ewigen Roggen“ 1878 an. Auf der Versuchsfläche in Halle wollte er herausfinden, wie sich unterschiedliche Dünger auf den Ertrag auswirken. Der älteste Dauerfeldversuch der Welt wird seit 1843 im englischen Rothamsted durchgeführt, ebenfalls zur Düngung.
 
   
   
   
  