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Forscher, Imker, Landwirte und Gärtner müssen Hand in Hand arbeiten, um die Bienen zu schützen. Foto: Bayer CropScience
12.02.2008
Forschung & Technik

Dieser Winter ist bienengefährlich!

Deutsche Imker sind besorgt: Es droht ein Rückgang der Bienenvölker um 25 bis 30 Prozent

Schwere Verluste wird der Winter 2007/2008 aller Voraussicht nach für die deutschen Imker mit sich bringen. Ein gutes Viertel ihrer Völker wird verschwinden, so die Prognose der Arbeitsgemeinschaft der Institute für Bienenforschung. Dr. Elke Genersch vom Länderinstitut für Bienenkunde Brandenburg macht dafür vor allem die Varroa-Milbe verantwortlich. Diese verbreitet sich unter anderem durch Räuberei, verirrte und bettelnde Bienen.

Frau Dr. Genersch, wie ist die aktuelle Situation in deutschen Bienenstöcken?

Wir erwarten massive Völkerverluste in Höhe von 25 bis 30 Prozent im bundesweiten Durchschnitt. Einzelne Bienenzüchter werden sogar Totalverluste hinnehmen müssen. Die Prognose der Arbeitsgemeinschaft der Institute für Bienenforschung basiert unter anderem auf einer breit angelegten Umfrage bei Imkern, die vom Fachzentrum Bienen und Imkerei, Mayen durchgeführt wurde. Diese Vorhersagen haben sich in der Vergangenheit als recht zuverlässig erwiesen.

Wieso werden die Verluste nach vergleichsweise moderaten zehn Prozent im Vorjahr dermaßen nach oben schnellen?

Nach unseren Untersuchungen ist die Varroa-Milbe die Hauptursache. Die Milbe saugt an den Bienen und überträgt dabei auch Viren. Der Parasit konnte sich im letzten Jahr ungewöhnlich gut vermehren, weil das Wetter eine erfolgreiche Bekämpfung erschwert hat, zum Beispiel durch die feuchte Witterung im Spätsommer. Ohne spätsommerlichen Sonnenschein konnte die in den Bienenstöcken ausgebrachte Ameisensäure oft nicht richtig verdampfen. Das beeinträchtigte ihre Wirkung auf die Milben.

Gab es bereits in der Vergangenheit Jahre mit ähnlich hohen Verlusten?

Winter mit Völkerverlusten in der Größenordnung von rund 30 Prozent kommen immer wieder vor, zuletzt erst 2002/2003. Doch nicht immer ist die Varroa-Milbe der Übeltäter. Den Bienen droht vielerlei Ungemach: Nosema-Einzeller verursachen Durchfall-Erkrankungen. Sind die Winter lang und kalt können die Bienen keinen Reinigungsflug unternehmen und müssen ihre Ausscheidungen in der Kotblase speichern. In trachtarmen Jahren können sie zu wenige Wintervorräte sammeln. Parasiten und Krankheiten verbreiten sich vielfach durch „menschliche“ Verhaltensweisen. Infizierte Bienen, die sich nach dem Blütenbesuch verfliegen und im falschen Stock landen, können Varroa-Milben auf andere Völker übertragen. Das gleiche gilt für Bienen, die aus schwachen Völkern stammen und sich durch die Bestechung der Wächterbienen mit etwas Honig erfolgreich bei starken Völkern „einbetteln“. Überfallen starke Völker in räuberischer Absicht schwächelnde Artgenossen, um an deren Honig zu gelangen, handeln sie sich oft auch deren Krankheiten ein.

Welche Rolle spielen chemische Pflanzenschutzmittel und gentechnisch veränderte Nutzpflanzen?

Pflanzenschutzmittel, und hier besonders Insektizide, können Bienenpopulationen dann schädigen, wenn sie unsachgemäß angewendet werden. Sie dürfen zum Beispiel nicht in blühende Kulturen ausgebracht werden. Hier ist der Mensch, sprich der Anwender, der Unsicherheitsfaktor. Es wird also punktuell immer wieder zu Verlusten kommen. Von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen gehen keine negativen Auswirkungen auf Bienen aus. Alle bisherigen Untersuchungen zeigen dies. Ein gründlich durchgetestetes Beispiel ist der so genannte Bt-Mais, der durch seine neuen Gene ein Gift gegen den gefürchteten Maiszünsler bilden kann.
Mehr dazu unter www.biosicherheit.de.

Die Statistik weist für das Bundesland Brandenburg, aber auch für andere Regionen, deutlich weniger Völker als noch vor ein oder zwei Jahrzehnten aus.

Das ist richtig. Seit der Wende ist zum Beispiel in Brandenburg die Völkerzahl von rund 4,5 auf weniger als ein Volk pro Quadratkilometer zurückgegangen. Dies liegt schlicht und ergreifend daran, dass immer mehr Imker ihr zeitaufwändiges Hobby aufgeben. Nachwuchs ist kaum in Sicht – durch Imkerei ist nun mal kaum Geld zu verdienen. Das würde sich ändern, wenn die Verbraucher bereit wären, echten Bienenhonig zu fairen Preisen zu kaufen. Auch die Bestäubungsleistungen müssten finanziell stärker honoriert werden. Wenn man davon ausgeht, dass die Apfelerträge ohne Bienen um bis zu 70 Prozent einbrechen können, sind das schon erhebliche Leistungen der Bienen für die Gesellschaft.

Was können Imker, Gärtner, Landwirte und Forscher gemeinsam für die Bienen tun?

Gute Erfolge sind dann zu erwarten, wenn die verschiedenen Gruppierungen regelmäßig zusammenkommen, sich austauschen und Hand in Hand arbeiten. Imker sollten in der Bienenführung neben den eigenen Erfahrungen auch neue Forschungsergebnisse anwenden. Landwirte und Gärtner müssen mit ihren Pflanzenschutz-Maßnahmen Rücksicht auf die Bienenvölker nehmen. Und die Forscher sind gefordert, praxisnah zu arbeiten sowie verstärkt untereinander zu kooperieren, um dadurch Synergieeffekte zu nutzen.

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