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Die Kraut- und Knollenfäule ist weltweit die bedeutendste Kartoffelkrankheit. Sie befällt Blätter und Stängel ebenso wie die Knollen und verursacht enorme Ertragsausfälle. - Projektleiter Anton Haverkort im Versuchsfeld an der Universität Wageningen (NL). Foto: transgen.de
30.06.2015
Forschung & Technik

Cisgene Kartoffeln im Schweizer Freilandversuch

Resistent gegen Kraut- und Knollenfäule

Jeder Kartoffelanbauer fürchtet die Kraut- und Knollenfäule. Jetzt ist ein Kraut dagegen gewachsen: Forscher der Universität Wageningen in den Niederlanden haben gentechnisch veränderte, gegen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule resistente Kartoffeln gezüchtet. Die Schweizer Versuchsanstalt Agroscope wird diese in den nächsten fünf Jahren auf einem Versuchsfeld testen.

Die Kraut- und Knollenfäule Phytophthora infestans verursacht große Ernteeinbußen, wenn die Kartoffeln nicht mit Fungiziden gegen den pilzlichen Erreger behandelt werden. Weltweit werden die Mindererträge durch Kraut- und Knollenfäule auf 20 Prozent geschätzt. Sie war es auch, die in Irland im 19. Jahrhundert in Irland zu einer großen Hungerkatastrophe führte und Millionen Menschen zum Auswandern zwang.

Cisgen: von derselben Art

Forscher der Universität Wageningen haben nun cisgene Kartoffeln mit Resistenzgenen aus Wildkartoffeln gezüchtet, die der Kraut- und Knollenfäule trotzen. Cisgene Pflanzen sind Pflanzen mit neuen Genen, die mittels gentechnischer Verfahren übertragen wurden. Sie kommen aus dem Genpool derselben Art, also Kartoffelgene in Kartoffeln oder Apfelgene in Äpfel, während sie bei transgenen Pflanzen von einer anderen Art stammen. Nach EU-Recht sind cisgene Pflanzen gentechnisch verändert und werden wie andere GVO-Pflanzen behandelt.

Wildkartoffeln haben natürliche Resistenz

Viele Wildkartoffelarten haben eine natürliche Resistenz gegen Phytophthora. Man kann diese Gene auch durch konventionelle Züchtung in die Kultursorten einkreuzen. Das wird auch seit vielen Jahren praktiziert. Allerdings werden dabei immer auch unerwünschte Eigenschaften mit übertragen, die beispielsweise die Inhaltsstoffe und den Geschmack der Sorten verändern. Werden zum Beispiel durch das Kreuzen mit den Wildkartoffeln mehr giftige Inhaltsstoffe in den Kulturkartoffeln gebildet, dann müssen die Züchter diese unerwünschten Erbanlagen wieder mühselig durch Rückkreuzungen herauszüchten. Ein weiteres Hemmnis: Oft erreichen die so gezüchteten weniger anfälligen Sorten nicht den Ertrag der gängigen Sorten. In der konventionellen Züchtung gestaltet sich also die Resistenzzüchtung bei Kartoffeln als langwierig und komplex.

Pilz durchbricht Resistenzen

Doch selbst wenn die Resistenzen aus den Wildkartoffeln erfolgreich eingezüchtet sind, passt sich der Erreger schnell an und durchbricht sie durch Mutationen (genetische Anpassung). Deswegen versuchen die Züchter nun, mehrere Resistenzen zu kombinieren, um einen dauerhaften Grundschutz zu erreichen.

Wageninger Cisgen-Kartoffeln

Mittels gentechnischer Methoden haben nun die Wageninger Wissenschaftler um Projektleiter Anton Haverkort einige Phytophthora-Resistenzgene aus südamerikanischen Wildkartoffeln cisgen, also innerhalb derselben Art, in Kulturkartoffelsorten übertragen. Sie verzichteten bei der Übertragung auf bakterielle Markergene, die die übertragene Sequenz markieren, sodass ausschließlich kartoffeleigenes Erbmaterial verwendet wurde. 2009 fand der erste Freilandversuch in den Niederlanden statt, in den nachfolgenden Jahren erfolgten Freilandversuche auch in Belgien und Irland. Die Wissenschaftler fanden sich bestätigt: die cisgenen Resistenz-Kartoffeln waren merklich weniger anfällig gegen die Kraut- und Knollenfäule. Die Niederländer stellten keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt oder die menschliche Gesundheit fest. Die in jahrelanger Züchtungsarbeit erreichten Eigenschaften der Basis-Kartoffelsorten blieben erhalten, da nur einzelne Gene übertragen wurden.

Schweizer Freilandversuch gestartet

Die Schweizer ziehen nun nach. Gleichmäßige Niederschlagsverteilung und relativ hohe Temperaturen schaffen gute Infektionsbedingungen für den Phytophthora-Pilz in der Schweiz, sodass sieben bis acht Fungizidbehandlungen im Lauf der Vegetation notwendig sind, um ihn in Schach zu halten. Die Schweizer Versuchsanstalt Agroscope hat beim zuständigen Bundesamt für Umwelt (BAFU) den Freisetzungsversuch mit den cisgenen Kartoffeln genehmigt bekommen und wird von 2015 bis 2019 auf einem eingezäunten Gelände bei Reckenholz in ausreichendem Abstand zu anderen Kartoffelfeldern mit einem zusätzlichen Vogelschutznetz die resistenten Kartoffeln testen. Die Agroscope-Forscher setzen acht verschiedene gentechnisch veränderte Kartoffellinien ein, die auf den Kartoffelsorten Désirée und Atlantic basieren. Sie unterscheiden sich in der Anzahl der Resistenzgene und in deren Kombinationen. Agroscope schätzt die möglichen Umweltwirkungen des Freisetzungsversuchs als vernachlässigbar ein. Kartoffeln sind Selbstbestäuber und werden im Normalfall über Knollen vermehrt Außerdem hätten die Kartoffeln außerhalb des Versuchsfeldes keinen Selektionsvorteil, und die eingesetzten Resistenzgene kommen auch in der Natur in den Kartoffeln vor, sodass keine Auswirkungen auf Insekten zu befürchten seien, so die Forscher.

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