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Das europäische Zulassungssystem für Pflanzenschutzmittel: Schutz der Biodiversität und Sicherung der Erträge oder Ursache für einen „stillen Frühling“?

Rachel Carsons Buch Silent Spring (1962) markierte den Beginn der modernen Umweltbewegung. Sie warnte vor den Auswirkungen eines übermäßigen Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln (PSM) auf die Biodiversität. Heute unterliegen PSM in Europa strengen Umweltauflagen und einem mehrstufigen Zulassungsverfahren, das Risiken für Ökosysteme minimieren soll.

In der öffentlichen Debatte gelten PSM jedoch weiterhin als Hauptursache des Biodiversitätsverlusts. Diese Annahme wurde von Schriever et al. (2025) wissenschaftlich untersucht und in einen umfassenden ökologischen Kontext eingeordnet.

Hauptursachen des Biodiversitätsverlusts

Die Analyse von Schriever et al. (2025) bestätigt: Der Verlust von Biodiversität ist real – jedoch sind PSM nur ein Faktor neben anderen dominanten Stressoren:

  • Änderung der Landnutzung
  • strukturelle Vereinheitlichung der Agrarlandschaft
  • Schadstoffeinträge aus verschiedenen Quellen, u. a. Kläranlageneinläufe


Messungen zeigen: Grenzwertüberschreitungen zugelassener PSM sind selten. Eine Verschärfung der PSM-Zulassung würde daher kaum zusätzliche ökologische Vorteile bringen.

Integrierter Pflanzenschutz als Grundlage der Praxis

Der integrierte Pflanzenschutz (IPS) ist europäischer Standard und verpflichtet Landwirte, alle nicht-chemischen Maßnahmen auszuschöpfen, bevor chemisch-synthetische Mittel eingesetzt werden. Dazu gehören:

  • Sortenwahl
  • Bodenbearbeitung
  • Nützlingsförderung
  • mechanische Verfahren

Handlungsempfehlungen für nachhaltigen Pflanzenschutz

Statt einer Verschärfung des Zulassungssystems schlagen Schriever et al. (2025) vor:

  • mehr strukturelle Vielfalt in Agrarlandschaften
  • Reduktion von Schadstoffeinträgen aus Abwässern
  • lokal angepasste und flexible Risikominderungsmaßnahmen
  • Wichtige Wirkstoffe zur Bekämpfung von Schaderregern und Krankheiten können so erhalten bleiben. Das ist die Voraussetzung für eine stabile, regionale Produktion von Lebensmitteln.

Quellen

  • Carson, R. (1962). Silent Spring. Houghton Mifflin.
  • Schäffer, A. et al. (2018). The Silent Spring—On the Need for Sustainable Plant Protection. Environmental Sciences Europe.
  • Schriever, C. et al. (2025). The European regulatory system for plant protection products—cause of a “Silent Spring” or highly advanced and protective? IEAM. DOI: 10.1093/inteam/vjae007
  • Hommen, U., Classen, S., Ottermann, R. et al. (2024). Is Agricultural Pesticide Pressure of Prime Relevance for the Composition of Macroinvertebrate Communities in Small Agricultural Streams? Poster, SETAC Europe. DOI: 10.13140/RG.2.2.16854.25924
  • Körner, O., Schriever, C., Brumhard, B. et al. (2023). Überschreitung der RAK von Pflanzenschutzmitteln in deutschen agrarnahen Kleingewässern – Auswertung des KGM-Datensatzes. Deutsche Pflanzenschutztagung. DOI: 10.13140/RG.2.2.12288.40966
  • Körner, O., Schriever, C., Resseler, H. et al. (2024). Contextualisation of RAC exceedances reported for small surface water bodies in Germany. Poster, SETAC Europe. DOI: 10.13140/RG.2.2.13924.80009
  • Moore, D. R. J., & Rathjens, H. (2025). Are pesticides the dominant stressors in German lowland streams? IEAM. DOI: 10.1093/inteam/vjaf038

Ansprechpartner

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Dr. Sophia Müllner
Pflanzenschutz, Gewässerschutz, Pflanzenzüchtung
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Leiter Wissenschaft und Innovation
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