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Ines und Jürgen Batalia (links) mit Weinbauer Christian Peth. Foto: Jürgen Batalia
01.03.2012
Umwelt & Verbraucher

Deutschlands westlichster Weinberg

Reben wachsen auf Bergbauhalde – Russischer Bär hätte Vorhaben beinahe gestoppt

Die Abraumhalde des ehemaligen Steinkohlebergbaus der Zeche Sophia Jacoba ist eine unter vielen in der Region nördlich von Aachen und doch einzigartig: Ines und Jürgen Batalia aus Millich, nahe der niederländischen Grenze, haben Rebstöcke freigeschnitten, gepflanzt und Drähte gespannt. Denn im kommenden Herbst wollen sie auf dem westlichsten Weinberg Deutschlands ihren ersten Wein lesen. Profil Online das IVA-Magazin sprach mit dem Neu-Winzer.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die brachliegende Halde als Weinberg zu nutzen?

Meine Frau und ich waren im letzten Winter an der Halde spazieren. Da sind uns die Rebstöcke aufgefallen, die aus dem Gestrüpp heraus ragten. Hier haben die Betreiber der Zeche Sophia Jacoba bereits in den 1990er Jahren den Versuch unternommen, Wein anzubauen. Die Gartenkolonne – keine Weinbau-Fachleute – war damals für die Pflege zuständig. Die Qualität war eher bescheiden. Nach Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern soll der Wein wie Essig geschmeckt haben. Dennoch beschlossen wir kurz nach der Entdeckung der Rebstöcke, es selbst noch einmal zu probieren. 

Was qualifiziert Sie für diese „Herausforderung“?

Zunächst nicht allzu viel, denn ich bin IT-Fachmann, und meine Frau betreibt ein Geschäft für kulinarische Spezialitäten. Zum Sortiment zählt auch Wein, der zu jedem guten Essen dazugehört. Uns war allerdings klar, dass Interesse allein nicht ausreicht. Deswegen haben wir Christian Peth, einen befreundeten Weinbauern aus Rheinhessen, um fachliche Beratung gebeten. Die Weine, die er auf seinen rund 20 Hektar Rebflächen erzeugt, sind vielfach prämiert. Er hat uns gleich gesagt, was geht und was nicht.  

Eignet sich der Standort denn überhaupt?

Wenn ich die Erträge der Photovoltaikanlagen mit denen aus anderen nördlichen Anbaugebieten wie Ahr und Mosel vergleiche, liegen wir bei den Sonnenstunden gar nicht mal so schlecht. Wir können hier einen Südhang mit intensiver Sonneneinstrahlung nutzen. Außerdem ist der Boden, der aus 600 bis 800 Metern Tiefe stammt, durch die Kohle-, Schiefer- und Felsbestandteile nahezu schwarz. Er heizt sich tagsüber in der Sonne sehr gut auf und gibt die Wärme in der Nacht langsam wieder ab. Das ist optimal. Wir erwarten einen kräftigen, säurehaltigen Wein, wie er für felsige und vulkanische Böden typisch ist.  

Wie ging es nach der Geburt der Idee und den ersten Recherchen über den Anbau weiter?

Als nächstes brauchten wir eine Nutzungsgenehmigung. Unser Bürgermeister war gleich Feuer und Flamme – denn welches Stadtoberhaupt in unserer Region kann seinen Gästen schon einen Wein aus dem Stadtgebiet kredenzen? Schwierigkeiten gab es hingegen mit der Landschaftsbehörde. Diese wollte das Vorhaben stoppen, weil auf der Halde die Schmetterlingsart Russischer Bär, auch Spanische Flagge genannt, vorkommt.

 Was hat Weinanbau mit dem Russischen Bären zu tun?

Es gab die Befürchtung, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln die Population beeinträchtigen könnte. Doch bei sachgerechtem Einsatz nehmen die Schmetterlinge keinen Schaden, dafür sorgt unser Profi Christian Peth. Wir werden die Reben bei Bedarf gegen pilzliche Krankheiten wie Fäule und Schimmel schützen und dafür räumlich eng begrenzt Mittel auf Schwefel- und Kupferbasis einsetzen. Das muss übrigens jeder Weinbauer, egal ob ökologisch oder konventionell. Die Präparate wirken gegen Pilze und haben bei sachgerechter Anwendung keine Wirkung auf Insekten, auch nicht auf die Schmetterlinge. Wir haben ein entsprechendes Gutachten erstellen lassen und schließlich vom Landesamt für Naturschutz eine Sondergenehmigung bekommen. 

Wann soll die erste Weinlese auf dem westlichsten Weinberg Deutschlands stattfinden?

Schon sehr bald. Im Herbst wollen wir die ersten Trauben ernten. Momentan sind wir dabei, die alten Weinstöcke freizuschneiden, abgestorbene zu entfernen und neue zu pflanzen. Dann spannen wir Drähte, an denen die Triebe der rund 240 Riesling- und Müller-Thurgau-Weinstöcke ranken können. Bei allen Arbeiten, auch beim Schnitt, unterstützt uns Christian Peth. Er ist darüber hinaus für die Pflanzenschutzmaßnahmen zuständig und wird die Ernte verarbeiten. Den ersten Wein wollen wir im April 2013 verkosten. Darauf sind wir schon sehr gespannt. 

Wie wird es dann weitergehen?

Wir geben uns zwei bis drei Jahre Zeit, um den Anbau zu erproben und das Erzeugnis zu optimieren. Wenn es gut läuft, werden wir demnächst den Wein auch selbst pressen und keltern. Vielleicht werden wir den Weinanbau weiter ausdehnen. Schließlich gibt es hier in unserer Region mehrere Halden mit sonnigen Südlagen.

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