: Nicht nur Begeisterung für die Vorschläge von Özdemir
BERLIN. Das Einlenken von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir bei Stilllegung und Fruchtwechsel ist erwartungsgemäß durchwachsen aufgenommen worden. Während Greenpeace Özdemir vorwarf, mit der Freigabe von Brachflächen zum Brotgetreideanbau dem Druck der „Agrarlobby“ nachgegeben zu haben, begrüßte der Deutsche Bauernverband (DBV) die Entscheidung des Ministers.
Diese war nach den Worten von DBV-Präsident Joachim Rukwied „überfällig und kommt in letzter Minute“. Er wies darauf hin, dass die Bauern bereits mit der Anbauplanung für das kommende Jahr begonnen hätten und Planungssicherheit brauchten. Eine Aussetzung für nur ein Jahr hält Rukwied deshalb für „ sicherlich nicht ausreichend“. Um weiterhin eine sichere Lebensmittelversorgung gewährleisten und in Krisenzeiten reagieren zu können, müssten die Bauern alle Flächen nutzen können, auf denen es landwirtschaftlich sinnvoll sei. „Die Bundesländer müssen dies jetzt zügig bestätigen“, forderte der DBV-Präsident.
Greenpeace-Landwirtschaftsreferent Matthias Lambrecht monierte hingegen, dass die ohnehin viel zu geringen Flächen zum Schutz der Artenvielfalt in der Landwirtschaft wirtschaftlichen Interessen geopfert werden sollen. Nach seiner Auffassung ist die Ernährungssicherung in Kriegszeiten nur ein Vorwand, um wertvolle Biotope unterzupflügen. Dort angebauter Weizen werde erst im nächsten Jahr und zudem in nicht ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um der akuten globalen Hungerkrise wirkungsvoll zu begegnen. Sinnvoller wäre Lambrecht zufolge ein konsequenter Ausstieg aus der Produktion von Biosprit.
„Es ist gut dass Cem Özdemir letztlich erkannt hat, wie ernst die globale Hungerkrise ist und dass Landwirten jetzt ermöglicht werden soll, mehr Getreide anzubauen“, konstatierte hingegen die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Carina Konrad. Nach ihrer Einschätzung haben „die Überzeugungsarbeit und die zahlreichen Diskussionen in der Koalition sich in diesem Punkt gelohnt“. Nun müssten die Regelungen schnell und rechtssicher umgesetzt werden, denn die Aussaat stehe unmittelbar bevor, mahnte Konrad.
Özdemir hatte den Ländern am Wochenende vorgeschlagen, die erstmalige verpflichtende Flächenstilllegung im kommenden Jahr auszusetzen. Stattdessen soll weiterhin ein landwirtschaftlicher Anbau möglich sein, allerdings nur von Halmgetreide, Sonnenblumen und Hülsenfrüchten. Ausgeschlossen bleiben sollen Mais und Soja. Zudem soll die Regelung nur für solche Flächen gelten, die nicht bereits 2021 und 2022 als brachliegendes Ackerland ausgewiesen waren.
Der Minister geht unter diesen Voraussetzungen davon aus, dass damit etwa 100 000 ha bis 180 000 ha Acker weiterhin für die Getreideproduktion zur Verfügung stehen. Damit könnten etwa 600 000 t bis 1,0 Mio t Getreide zusätzlich produziert werden. Zugleich würden die bestehenden Artenvielfaltsflächen weiterhin geschützt und könnten ihre Leistung für den Natur- und Artenschutz sowie eine nachhaltige Landwirtschaft erbringen.
Auch die Regelung zum Fruchtwechsel soll laut dem Ressortchef einmalig ausgesetzt werden. Damit könnten die Landwirte in Deutschland auch im Jahr 2023 Weizen nach Weizen anbauen. In den Vorjahren war dies auf etwa 380 000 ha der Fall gewesen. Dies würde die zusätzliche Erzeugung von bis zu 3,4 Mio t Weizen ermöglichen. AgE