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Bedarfsgerecht und gleichzeitig umweltschonend düngen: Sensoren, Drohnen oder Satellitenaufnahmen können wirkungsvoll unterstützen. Foto: Matthias Wiedenau
06.07.2023
Forschung & Technik

Stickstoffdüngung: Sensor oder Grüner Daumen?

Unterschiedliche Ergebnisse nach 25 Jahren Praxis

Ende der 1990er Jahre deutete sich ein Paradigmenwechsel in der Düngung an. Erste sensorgestützte Systeme sollten Landwirten die Entscheidung abnehmen, wie viel Dünger an welcher Stelle des Felds optimal ist. So hoffte man, hohe Erträge mit Grundwasserschutz in Einklang zu bringen. Hat die Technik die Erwartungen erfüllt?

Ziel: bedarfsgerecht düngen

Jede und Jeder, der Pflanzen hobbymäßig oder professionell anbaut, weiß: Wird eine Kultur bedarfsgerecht gedüngt, bringt sie den optimalen Ernteertrag. Zudem sinkt dadurch der mögliche Eintrag von überschüssigen Düngermengen ins Grundwasser auf ein Minimum. Doch wie bemisst man eine bedarfsgerechte Pflanzenernährung? Ein Großteil der Landwirtschaft verlässt sich auch  auf den „Grünen Daumen“: In Abhängigkeit von Kultur, Vorfrucht, Witterung, Bodenuntersuchungen, Ertragserwartung, angestrebter Qualität und – ganz wichtig – langjährigen Erfahrungen werden die absolute Höhe und die zeitliche Verteilung festgelegt.

Frag‘ die Pflanze

Statt von verschiedenen Faktoren auf den Ernährungszustand einer Pflanze zu schließen, kann dieser auch direkt mit optischen Sensoren ermittelt werden. Dafür gibt es mittlerweile verschiedene Verfahren, die vor allem in Getreide und Raps eingesetzt werden. An der Schlepperfront oder auf dem Schlepperdach angebrachte Sensoren erfassen das vom Pflanzenbestand reflektierte Licht. Daraus lässt sich auf den Chlorophyllgehalt der Blätter und die vorhandene Biomasse schließen. Die Werte werden direkt in erforderliche Düngermengen umgerechnet, die während der gleichen Überfahrt vom Düngerstreuer ausgebracht werden.

Gegenüber dem traditionellen Verfahren hat der Sensor eine große Stärke: Statt einen durchschnittlichen Bedarf auszubringen, reagiert der Sensor blitzschnell auf Unterschiede im Bestand – das Resultat ist eine teilflächenspezifische Düngung. Dünne oder dichte, gut oder schlecht versorgte Bestände sind vor allem auf wechselnde Bodenverhältnisse zurückzuführen. Hier hat die angepasste Ausbringung verschiedene Vorteile: Der Dünger wird besser über die Fläche verteilt, die Risiken für eine Über- oder Unterdüngung sinken. Die Düngereinträge ins Grundwasser schrumpfen folgerichtig auf ein Minimum.

Zwischenbilanz: Was bringt die Technik?

Nach 25 Jahren Erfahrungen in der Praxis ergibt sich ein differenziertes Bild. Die von den Anbietern ins Feld geführten Stärken der Sensoren wurden bestätigt – mal mehr, mal weniger. Vor allem auf Flächen mit sehr unterschiedlichen Bodenqualitäten verbessert sich die Düngereffizienz deutlich. Beispielhaft sind die mehrjährigen Ergebnisse eines Anwenders im Rheinland. Durch die bessere Verteilung konnte der Düngereinsatz bei gleichem Ertrag um 15 Prozent reduziert werden. Der Mähdrescher hatte durch die gleichmäßige Abreife rund 20 Prozent mehr Flächenleistung und die Trocknungskosten für das Getreide entfielen in den meisten Jahren komplett. So steigt der Mehrerlös schnell auf deutlich über 50 Euro pro Hektar. Obwohl die Technik je nach Ausstattung zwischen 20.000 und 40.000 Euro zuzüglich Wartung kostet, rechnet sich das Verfahren bereits mit jährlich wenigen hundert Hektar Einsatzfläche.

Je homogener die Flächen aber werden, desto stärker verwischen die Vorteile. Sehr versierte Landwirte können auf Flächen mit nur leicht wechselnden Bodenqualitäten auch ohne Sensor ähnlich wirtschaftlich und effizient arbeiten. Voraussetzung dafür ist, dass sie ihre Flächen aus dem Effeff kennen und während der Überfahrt die Ausbringungsmengen variieren.

So wächst die Akzeptanz

Weitere Stellschrauben für eine bessere Wirtschaftlichkeit der Sensortechnik ist der überbetriebliche Einsatz eines Geräts. So können die Kosten auf mehr Hektar umgelegt werden. Zusätzlich haben sich Sensoren auch in Kombination mit Pflanzenschutzgeräten bewährt. So lassen sich Wachstumsregler und Fungizide besonders genau ausbringen. Ebenso verknüpfen die Anwender die Sensoren häufig mit Ertragspotenzialkarten. Damit passen sie die Höhe der Düngung besser auf den theoretisch am jeweiligen Standort möglichen Ertrag an.

Zur weiteren Verbreitung der Technik können Smartphone-Apps beitragen, die anzeigen, auf welchen Flächen der Einsatz der Technologie sinnvoll ist. Förderprogramme der Landwirtschaftlichen Rentenbank und verschiedener Bundesländer für umwelt- und ressourcenschonende Technik beeinflussen die Kaufentscheidungen ebenso.Die Schwelle für die Anschaffung ist offensichtlich hoch. Das mag neben den Kosten auch damit zusammenhängen, dass manche Sensoren vor dem Einsatz aufwändig kalibriert werden müssen oder es auf Standorten mit häufiger Frühjahrstrockenheit zu unbefriedigenden Ergebnissen kommt. In den Hinterköpfen potenzieller Käuferinnen und Käufer spielen sicherlich auch Erfahrungen mit anderen digitalen Techniken eine Rolle. Dazu zählen Inkompatibilitäten zwischen den Geräten verschiedener Hersteller, hoher Einarbeitungsaufwand sowie Unsicherheiten bezüglich Datenschutz und Datenhoheit.

Satellitenaufnahmen im Kommen

Seit mehreren Jahren gibt es eine Alternative zu den Sensoren. Wer seine Flächen vor der Düngung mit einer Drohne abfliegt und die Luftaufnahmen mit geeigneter Software in Karten für den Düngerstreuer umsetzt, kann Kosten sparen. Schneller und anwenderfreundlicher ist es, Satellitendaten zu nutzen, die von Dienstleistern oder einer App aufbereitet und gegen eine Gebühr von 1 bis 5 Euro pro Hektar zur Verfügung gestellt werden. Der Nachteil: Diese Daten sind manchmal eine bis zwei Wochen alt, weil der Satellit klares Wetter für aussagekräftige Aufnahmen benötigt. Außerdem erfassen sie meistens weniger Wellenlängen, was die Düngerkarten etwas ungenauer macht.

Fazit

Die Landwirtschaft befindet sich in einem fortwährenden Veränderungsprozess. Mithilfe von Sensoren und weiteren digitalen Werkzeugen der Präzisionslandwirtschaft können die Klima-, Umwelt- und Ertragsziele teilflächenspezifisch in Einklang gebracht werden. Und das weitaus besser als mit den im Düngebereich bereits reichlich vorhandenen Reglementierungen, pauschalen Verordnungen und Verboten.

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