newsimage384705.jpg
Straßen- und Siedlungsbau verbrauchen jedes Jahr große Mengen an landwirtschaftlicher Fläche. Foto: Andreas Tietz, Thünen-Institut
11.01.2024
Forschung & Technik

Bis 2030 109 Hektar Flächenverlust pro Tag

Studie zu Nutzungskonkurrenz und Flächenverlusten landwirtschaftlicher Böden

In den letzten Jahrzehnten hat Deutschland kontinuierlich Landwirtschaftsfläche verloren, im Durchschnitt mehr als 50 Hektar pro Tag – oder 70 Fußballfelder. Im Gegenzug nahmen Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie Waldgebiete zu.

Auch wenn diese Flächenverluste die Nahrungsversorgung des Landes nicht akut gefährdet, so ist Landwirtschaftsfläche doch eine kostbare und schützenswerte Ressource. Gerade in Mitteleuropa sind die Flächen fruchtbarer und ertragreicher als in den meisten anderen Weltregionen. Daher trägt auch Deutschland eine globale Verantwortung für den Schutz fruchtbarer Ackerflächen zur Nahrungsproduktion und sollte eine Vorreiterrolle in der nachhaltigen Bodennutzung einnehmen.

Flächenverbrauch steigt

Da nach Meinung von Wissenschaftlern des Thünen-Instituts die Flächenkonkurrenz in den folgenden Jahren eher zunimmt – befeuert durch Siedlungs- und Straßenbau, Naturschutz- und Ausgleichsflächen sowie Flächenverbrauch für Erneuerbare Energien – haben sie in einer Studie ausgerechnet, wie viel Landwirtschaftsfläche bis 2030 für andere Nutzungszwecke in Anspruch genommen wird, wenn die aktuellen Planungen und Strategien Realität werden. So werden bis 2030 mehr als 200 000 Hektar für Siedlung und Verkehr benötigt, wenn der im „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ formulierte Bedarf umgesetzt wird. Der geplante Ausbau Erneuerbarer Energien, insbesondere der Freiflächen-Photovoltaik, wird bis 2030 mehr als 100 000 Hektar Freifläche beanspruchen. Gleichzeitig werden für Biodiversität und Klimaschutz immer größere Flächen für naturnahe Lebensräume und Kohlenstoffsenken gefordert. Dies würde Flächennutzungsänderungen wie Aufforstungen, Gehölzpflanzungen und die Wiedervernässung von Mooren mit sich bringen, und zwar auf einer Fläche von mehr als 500 000 Hektar. Das ist mehr als fünfmal die Fläche von Berlin.

Die Studien-Autoren gehen davon aus, dass nur ein Teil dieser Umnutzungen die aktuell landwirtschaftlich genutzte Fläche betreffen wird. Dennoch erwarten sie immer noch einen Rückgang von über 300 000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Das macht rein rechnerisch bis zum Jahr 2030 einen Flächenverlust von 109 Hektar pro Tag.

Nutzungsansprüche in Einklang bringen

„Es ist dringend erforderlich, dass die Nutzungsansprüche stärker miteinander in Einklang gebracht werden. Synergien und Mehrfachnutzungen von Flächen sollten so weit wie möglich realisiert werden,“ fordert daher Bernhard Osterburg, federführender Autor der Studie. Beispiele hierfür sind der verstärkte Ausbau der Photovoltaik (PV) auf Siedlungs- und Verkehrsflächen, auf wiedervernässten Mooren oder in Kombination mit landwirtschaftlicher Nutzung. „Wenn der Ausbau von Freiflächen-Photovoltaik entlang von Autobahnen und Bahntrassen baurechtlich privilegiert wird, beschleunigt dies zwar den Ausbau, fördert aber die Umwandlung von Landwirtschaftsflächen, ohne solche Synergien zu nutzen“, so der Thünen-Wissenschaftler. Ein weiteres Problem: Eine Steuerung des PV-Ausbaus auf Freiflächen ist durch die Politik nur eingeschränkt möglich, da Planung und Genehmigung in der Hand der Kommunen liegen und Neuanlagen zunehmend auch außerhalb des Erneuerbare-Energien-Gesetzes entstehen.

Die Herausforderung für die Politik, schlussfolgern die Studienautoren, liegt in der Abwägung und Steuerung der vielfältigen Flächenansprüche, ohne dabei das Tempo der Energiewende und der Transformation zu einer nachhaltigeren und klimafreundlicheren Landnutzung zu bremsen. Hierfür ist eine umfassende Landnutzungspolitik notwendig, die alle Ziele gleichermaßen berücksichtigt.

Die Studie „Flächennutzung und Flächennutzungsansprüche in Deutschland“ ist als kostenfreier Download erhältlich.

Quelle: idw-online

Weitere Beiträge

Hier finden Sie weitere interessante Inhalte.

Morschenich Quelle_ForschungszentrumJuelich_BiooekonomieREVIER_Christina_Kuchendorf.jpg
Magazin
Forschung & Technik
26.07.2022
Eine Fläche, zwei Ernten
j._weyler_uni_bonn.jpg
Magazin
Forschung & Technik
16.06.2020
PhenoRob für die Landwirtschaft der Zukunft
klimaextreme1_hahn.jpg
Magazin
Forschung & Technik
24.09.2019
Klimaextreme gefährden die Ertragssicherheit
Gülleausbringung Foto Wiedenau.jpg
Magazin
Umwelt & Verbraucher
15.11.2022
Klimawandel: Konsequenzen für den Ackerbau auf unseren Feldern
regen_487177411l_istock.jpg
Magazin
Umwelt & Verbraucher
18.01.2018
Klimawandel und Pflanzenbau