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Glasflügelzikaden übertragen die Schwarzholzkrankheit im Weinbau. Quelle: Dr. Michael Maixner, JKI Bernkastel-Kues
29.07.2008
Umwelt & Verbraucher

Zikaden auf dem Weg nach Norden

Wärmeliebende Insekten fühlen sich auch in den deutschen Weinbaugebieten immer wohler. Sie übertragen Krankheitserreger wie Bakterien und Phytoplasmen.

Mit wärmeliebenden Zikaden breitet sich im Weinbau die Schwarzholzkrankheit aus. Diese Krankheit führt zu empfindlichen Ertrags- und Qualitätseinbußen. Empfindliche Reben können absterben. Es könnte aber auch noch schlimmer kommen: In Südeuropa und in den USA übertragen Zikaden Rebkrankheiten, die es bislang in Deutschland noch gar nicht gibt.

„Die Schwarzholzkrankheit ist im deutschen Weinbau die wichtigste Krankheit, die von Zikaden übertragen wird“, sagt Dr. Michael Maixner vom Julius Kühn-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. Übeltäter ist die Glasflügel-Zikade (Hyalesthes obsoletus). Die nur 0,5 Zentimeter große Zikade liebt Wärme und hat sich in den vergangenen Jahren in den deutschen Weinbaugebieten stark ausgebreitet.

Glasflügel-Zikade überträgt Phytoplasmen

Hyalesthes obsoletus lebt an den Wurzeln von Wildkräutern und bevorzugt Ackerwinden und Brennnesseln als Wirtspflanze. An diesen entwickelt sie sich vom Ei bis zum geschlechtsreifen Tier. Sind die Wildkräuter mit Phytoplasmen infiziert, nehmen bereits die Zikadenlarven die Krankheitserreger beim Saugen des Pflanzensaftes auf. Phytoplasmen sind spezialisierte Bakterien ohne feste Zellwand, die parasitisch leben. Das bedeutet, dass sie nur in bestimmten Wirten leben und sich vermehren können. Wenn infizierte Glasflügelzikaden zufällig bei ihrer Futtersuche Weinreben anstechen, gelangen die Phytoplasmen in die Rebe und lösen dort die Schwarzholzkrankheit aus. Die Anzahl der infizierten Zikaden ist umso höher, je mehr infizierte Wirtspflanzen in der Nähe der Reben wachsen. Deshalb ist es sinnvoll, schon die Wirtspflanzen gezielt zu bekämpfen, um die Weinberge, vor der Schwarzholzkrankheit zu schützen.

Natürliche Feinde halten die Grüne Rebzikade in Schach

Auch die Grüne Rebzikade (Empoasca vitis) saugt am Pflanzensaft der Weinreben, überträgt aber nicht den Erreger der Schwarzholzkrankheit. Sie vermehrte sich in der 90er Jahren rasant, verursacht mittlerweile jedoch kaum noch Schäden. Zu Hilfe kommen den Reben natürliche Gegenspieler, wie zum Beispiel Zwergwespen (Mymariden). Die Mymariden suchen die für das Menschenauge nicht sichtbaren Eier der Grünen Rebzikade auf und parasitieren sie. Als wichtigste Zwergwespenart im Kampf gegen die Grüne Rebzikade gilt die Art Anagrus atomus. Auch räuberisch lebende Insekten und Spinnen sind wichtige Gegenspieler von Zikaden. Als Lebensraum für Zwergwespen sollten Überwinterungsquartiere, wie Heckenriegel und vor allem Wildrosen, erhalten und gefördert werden.

„Blondes Gold“ auf dem Vormarsch

Sorge bereiten den Winzern aber auch Krankheiten, die sich mittlerweile in Nachbarländern ausbreiten. Die Kleinzikade (Scaphoideus titanus), die vermutlich vor gut 100 Jahren aus Nordamerika nach Europa eingeschleppt wurde, hat mittlerweile die Südschweiz erreicht. Sie überträgt die Krankheit Flavescene dorée, auch „das blonde Gold“ genannt. Der Namen rührt von der Farbe der vergilbten Weinblätter her. „EU-weit ist die Flavescene dorée ein großes Problem“, sagt Dr. Maixner. „Seit einigen Jahren beobachten wir, dass der Überträger, die Zikade Scaphoideus titanus, immer weiter nordwärts wandert“. Dies hängt zweifelsohne mit den höheren Temperaturen im Sommer zusammen; Kälte bereitet den aus der Nearktis* stammenden Insekten keine Probleme. „Aufgrund der Sommertemperaturen der letzten Jahre ist damit zu rechnen, dass sich Scaphoideus titanus inzwischen auch in deutschen Weinbaugebieten ansiedeln könnte.“

Einschleppung von der Pierce’s Disease befürchtet

Katastrophal könnte sich die Einschleppung der bakteriellen Krankheit Pierce’s Disease, PD abgekürzt, auf den europäischen Weinbau auswirken. Diese Quarantäne-Krankheit wird von Bakterien verursacht. Da sich die Bakterien im Körper der Überträger nicht vermehren, können sie auch von ganz unterschiedlichen Vektoren übertragen werden. Deshalb könnte die Pierce’s Disease (PD), wenn sie nach Deutschland eingeschleppt würde, auch von heimischen Zikaden übertragen und verbreitet werden.

Als Überträger des PD-Bakteriums kommen alle Xylem-Sauger an Weinreben in Betracht. Als Xylem bezeichnet man die Wasserleitungsbahnen der Pflanzen, in denen sich das PD-Bakterium vermehren kann. So genannte Xylem-Sauger sind unter anderem die Wiesenschaumzikade (Philaenus spumaris), die Wiesenschmuckzikade (Evacanthus interruptus) und die Binsenschmuckzikade (Cicadella viridis). Aus vordem harmlosen Insekten könnten also gefährliche Schädlinge werden. In den USA wird die PD insbesondere von Schmuckzikaden (Cicadellinae, englisch „Sharpshooter“) übertragen. Wichtigster Überträger ist Homalodisca coagulata (Glassy-winged Sharpshooter). Für Deutschland erwartet der Experte vom Julius Kühn-Institut kurzfristig keine Invasion: „Die Durchschnittstemperaturen im Winter sind für die Ansiedlung des Erregers der Pierce`s Desease bei uns einfach (noch) zu niedrig“.

* Nearktis: Tiergeograpisches Gebiet, das Nordamerika und Mexiko umfasst (Quelle: Duden Fremdwörterlexikon)