Zum „Insekt des Jahres 2023“ wurde das Landkärtchen gekürt. Der Falter bringt zwei Generationen pro Jahr hervor, die sich im Aussehen stark voneinander unterscheiden. Er ist im gesamten gemäßigten Europa und Asien von Frankreich bis nach Japan verbreitet.
Tagfalter mit Frühjahrs- und Sommerkleid
Das variable Erscheinungsbild des Landkärtchens (Araschnia levana) wird wissenschaftlich Saisondimorphismus genannt. Wozu dieser dient, ist aber nicht geklärt. „Wir wissen zwar, was die Ausbildung der unterschiedlichen Farbmuster steuert, nicht aber welchen Zweck diese wirklich haben", sagte Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg und Vorsitzender des Kuratoriums zur Wahl.
Erscheinungsbild des Landkärtchens
Beide Faltergenerationen erinnern mit den recht bunten und von zahlreichen, unterschiedlich dicken Linien durchzogenen Flügelunterseite einer Landkarte, was der Art den deutschen Namen eingebracht hat. Während die Frühjahrsgeneration eine orangefarbene Grundfarbe mit schwarzen Zeichnungselementen besitzt, ist die Sommergeneration überwiegend schwarz, mit jeweils einem gebogenen weißen Band auf dem Vorder- und dem Hinterflügel. Männchen und Weibchen derselben Generation unterscheiden sich allerdings nicht, wie dies bei vielen anderen Schmetterlingen der Fall ist.
Tageslänge steuert das Aussehen
Dass Frühjahrs- und Sommergenerationen des Landkärtchens auf ihren Flügeloberseiten unterschiedlichen Farbmuster ausbilden, hängt mit der Tageslänge während der Raupenzeit zusammen. Schon vor über einem halben Jahrhundert konnte in ausführlichen Laborexperimenten nachgewiesen werden, dass sich unter Langtagbedingungen (15 bis 17 Stunden Tageslicht) heranwachsende Raupen ohne Ruhephase zum Falter der Sommerform entwickeln. Wachsen die Raupen während weniger langer Tage heran, gehen sie dagegen in die sogenannte Diapause und entwickeln sich nach dem Überwintern zur Frühlingsform.
Bei Bedingungen, die dazwischen liegen, zum Beispiel durch häufige Bewölkung im Sommer, kann sich auch eine Mischform bilden, die zusammen mit den normalen Sommertieren auftritt. Entscheidend für das Erscheinungsbild der Landkärtchen sind Hormone aus der Gruppe der Ecdysteroide sowie der Zeitpunkt ihrer Wirkung in der Puppe. Denn die Gene, die die Ausschüttung der Hormone kontrollieren, werden durch die Tageslänge reguliert. So führt eine frühe Ausschüttung zur Ausbildung der Sommerform, eine spätere zur Frühjahrsform.
Lebenszyklus der Landkärtchen
Die Entwicklung neuer Landkärtchen startet mit der Eiablage, und auch die ist außergewöhnlich: An der Unterseite von Blättern der Großen Brennnessel sind mehrere kurze Schnüre zu beobachten, die wie umgedrehte Türmchen aussehen. Da die Eier für eine erfolgreiche Entwicklung eine hohe Luftfeuchtigkeit benötigen, werden Pflanzen bevorzugt, die an feuchteren Stellen, zum Beispiel in Bach- und Flusstälern, wachsen. Schlüpfen die schwarz-bräunlichen Raupen, so leben sie zuerst in Gruppen an den Fraßpflanzen, vereinzeln sich aber später immer mehr.
Zum Verpuppen hängen sich die Raupen mit einem Polster aus Seidenfäden kopfüber an eine Blattunterseite. Schon nach etwa zwei Tagen reißt die Larvenhaut auf und die Puppen arbeiten sich heraus. Nach Abschluss der Metamorphose schlüpfen dann die Falter der jeweiligen Generation. Diese sind nun vor allem in gut strukturierten Landschaften mit Hecken, Gebüschen, blühenden Wiesen und naturnahen Wald- und Gewässerrändern sehr zahlreich anzutreffen, aber auch entlang von sonnigen Waldwegen mit einem breiten Saum an Blütenpflanzen.