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Tests sensorgesteuerter Düsen in Cyclamen in Bad Zwischenahn. Foto: LVG Bad Zwischenahn
22.01.2015
Forschung & Technik

"Gezonde Kas": Pflanzenschutz geht im Gewächshaus neue Wege

Wissenschaftler und Unternehmer entwickeln ein neues, ganzheitliches Pflanzenschutzkonzept für den Unterglasanbau

Krankheiten und Erreger früher entdecken, sie effektiver bekämpfen und dabei gezielter Pflanzenschutzmittel einsetzen – das ist „Gezonde Kas“, das Gesunde Gewächshaus. In einer deutsch-niederländischen Kooperation von 22 Unternehmen und zehn Instituten entwickelten rund 140 Personen im Projekt „Gezonde Kas“ an Tomaten und Cyclamen über vier Jahre neue Wege im Pflanzenschutz beim Unterglasanbau. Sie konstruierten ein völlig neues Pflanzenschutzkonzept in einem geschlossenen System, in dem sie 25 technische Bausteine aufeinander abstimmten.

Sensorgesteuerte Pflanzenschutzmittelanwendung

„Schaderreger können dabei in einem Stadium entdeckt und behandelt werden, in dem die Pflanzen noch keine Symptome zeigen. Im günstigsten Fall sind dann auch nur örtliche Behandlungen nötig“, sagt Peter Tiede-Arlt, Versuchsleiter Zierpflanzen im Versuchszentrum Straelen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. So sei es zum Beispiel möglich, mit sensorgesteuerten Düsen bei Tomaten nur die Stängel oder nur die Blätter zu behandeln und nicht die ganze Pflanze. Es scheint möglich, auf diese Weise über die Hälfte der Wirkstoffe einzusparen.

Eingangskontrolle per Gewebeprobe für einen perfekten Start

Bevor die Pflanzen ins Gewächshaus einziehen, werden sie gescannt. Stichprobenartig werden Gewebeproben entnommen. Die DNA wird analysiert. Es folgt eine Untersuchung auf mögliche Schaderreger. Dabei steht allerdings nicht allein die Pflanze im Mittelpunkt, sondern auch ihre Umgebung: Wasser, Luft und vor allem das Pflanzsubstrat werden ebenfalls untersucht. Bei Bedarf kommt ein Substrat  zum Einsatz, das zum Beispiel die Entwicklung der Trauermücken um bis zu 80 Prozent reduziert.

Rundum-Überwachung ermöglicht frühzeitiges Reagieren

Während der Wachstumsphase steht nicht nur der gesamte Pflanzenbestand unter Beobachtung, sondern auch die klimatischen Bedingungen. Im gesunden Gewächshaus sind drahtlose Sensornetzwerke für das Klima- und Wassermanagement zuständig. Sensoren messen Temperatur, Luftfeuchte, den pH-Wert im Boden oder im Substrat, den CO2-Gehalt oder den Energieverbrauch. Das ermöglicht es, bei Bedarf Wasser und Düngergaben punktgenau dem Bedarf der Pflanzen anzupassen.

Sensoren fahren rund um die Uhr auf speziellen Transportsystemen durch das Gesunde Gewächshaus, um die Pflanzen zu überwachen. Bei Auffälligkeiten können zum Beispiel Aufnahmen einer Spezial-Kamera zeigen, ob eine Pflanze geschwächt oder gar geschädigt ist.

Gezonde Kas gibt Handlungsempfehlungen

Das Hightech-System liefert aber nicht nur eine Vielzahl an Daten, sondern wertet sie auch gleich aus und gibt Empfehlungen. Erst dann kommt der Mensch ins Spiel: Der Gärtner entscheidet, ob und wie behandelt wird.

„Die Einheiten werden immer größer und die Anforderungen an den Betriebsleiter immer höher. Gezonde Kas bietet ihm Produktionssicherheit“, sagt Peter Tiede-Arlt. Das sei wichtig, weil die Betriebe termingenau möglichst rückstandsfreie Waren von höchster Qualität liefern müssen. Gezonde Kas unterstütze sie dabei. „Es ist ein Instrument. Technische Systeme können immer nur unterstützen, aber den Gärtner nicht ersetzen. Er trifft die Entscheidungen.“

Tiede-Arlt sieht das Gewächshaus kurz vor der Serienreife. „Das System ist sehr komplex. Es spricht alle Faktoren an und lässt sich im Grunde auf jeden Betrieb anpassen, denn man kann einzelne Komponenten einbauen“, sagt Tiede-Arlt.

Breiter aufstellen

Vier Jahre haben die Firmen und Institute am Gesunden Gewächshaus mit den Musterkulturen Tomaten bei Gemüse und Cyclamen als Topfpflanzen gefeilt. Beim Gemüse sei das System ohne weiteres auf Gurken und Paprika, aber auch auf andere Topfpflanzen umzustellen. Die Projektpartner erörtern derzeit, wie es weitergehen könnte. „Es wäre attraktiver, wenn wir es breiter aufstellen könnten“, sagt Tiede-Arlt. Nach der erfolgreichen Testphase mit Weißer Fliege, Thrips und Botrytis könnte man das System auf weitere Schaderreger einspielen.

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