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Unter den Linden, Berlin. Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Berlin
03.04.2007
Umwelt & Verbraucher

So bleiben unsere Städte grün: Pflege für die Grüne Lunge

Nur gesundes Stadtgrün schützt vor Abgasen und Feinstaub

Der Sparzwang bei Kommunen und Städten hat dazu geführt, dass die Budgets für Anlagen und Pflege von Stadtgrün von 1 Prozent der Haushaltsausgaben auf 0,1 Prozent gekürzt wurden. Profil Online sprach mit Professor Dr. Harmut Balder von der Technischen Fachhochschule Berlin über die Funktion des Stadtgrüns, notwendige Maßnahmen zur Gesunderhaltung und die Auswirkungen von mangelhafter Pflege.

Was versteht man unter Stadtgrün und welche Aufgaben erfüllt es?

Zum Stadtgrün zählen Parkanlagen und Rasenflächen, Sport- und Freizeitanlagen, saisonale Pflanzungen wie Sommerrabatten und Kübel, mit Stauden bepflanzte Dauerrabatten, Straßenbäume, einzelne Stadtbäume und Stadtwälder, Dachbegrünungen, Haus- und Kleingärten sowie private Anlagen. Zum einen kommt dem Stadtgrün eine wichtige ästhetische Bedeutung zu: Die Städte werben damit, denn Grünflächen machen sie für Touristen, das Gewerbe und die Bewohner attraktiver. Zum anderen sind Pflanzen die Grüne Lunge der Städte: Sie benötigen für ihr Wachstum den Klimakiller CO2 und nehmen durch die Stomata ihrer Blätter auch giftige Gase auf. Luft, die durch Pflanzen streicht, wird regelrecht gekämmt, gefährlicher Feinstaub bleibt an den feinen Härchen der Blätter und Nadeln hängen. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Pflanzen gesund sind und über eine ausreichende assimilierende Blattmasse verfügen.

Wer ist für die Pflege des Stadtgrüns verantwortlich?

Man unterscheidet nach öffentlichen und privaten Trägern. Die öffentlichen Träger sind die Kommunen und Städte, zu den privaten zählen die Gartenbesitzer aber auch die Wohnungsbaugesellschaften, die zum Teil große Grünflächen in Wohnanlagen pflegen müssen.

Welche Priorität genießt die Pflege von Grünanlagen?

Balder: Leider wird bei der Pflege des Stadtgrüns immer an erster Stelle gespart. Dabei wird verkannt, dass es sich bei der Pflanzung oder Pflege von Grünanlagen oft um Maßnahmen handelt, die erst nach Jahrzehnten Früchte tragen. Heute profitieren wir von Stadtwäldern, Parks und Alleen, die teilweise vor über 50 Jahren angelegt und über Jahrzehnte gepflegt und weiterentwickelt wurden. Da wundert es schon, dass aktuell so wenig in die Erhaltung dieser enormen Werte investiert wird.

Um welche Werte handelt es sich hierbei?

Wenn man stark vereinfacht davon ausgeht, dass ein 50jähriger Baum einen Wert von ca. 5 500 Euro hat und da es in Berlin 410 000 Straßenbäume gibt, beläuft sich allein der Wert dieser Straßenbäume in Berlin auf ca. 2,25 Milliarden Euro. Bundesweit dürfte sich der Wert des städtischen Grüns im dreistelligen Milliarden-Bereich bewegen.

Was ist denn notwendig, um Bäume und Grünflächen gesund zu erhalten?

Sinnvoll wäre eine sachkundige Betreuung rund ums Jahr, wie sie im professionell betriebenen Gartenbau selbstverständlich ist. Im Frühjahr sind die bekannten Pflegemaßnahmen wie Rückschnitt und Düngemaßnahmen vorrangig. Die Düngung kommt beim Stadtgrün viel zu kurz: Oft haben große Bäume nur ein winziges Stückchen Erde, auf dem sie gedeihen sollen. Das funktioniert vielleicht bei der Planung auf dem Laptop, nicht aber in der Praxis. Rund ums Jahr ist die Beobachtung der Pflanzen auf Schädlingsbefall und Krankheiten notwendig, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Im Winter sollten dann die Gehölze auf Gelege von Schädlingen kontrolliert werden wie es im Obstanbau aber auch in der Forstwirtschaft mit Bodenkontrollen üblich ist.

Wie wird Pflanzenschutz in den Städten praktiziert und welche Probleme treten dabei auf?

Grundsätzlich schließt der Pflanzenschutz alle Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Pflanze ein. Das beginnt bereits bei der Planung von Grünanlagen, vorrangig müssen je nach Standort die richtigen Pflanzen ausgewählt werden. Gegen Schadinsekten werden zum Teil Nützlinge eingesetzt. So ist es z.B. möglich, mit Erz- und Schlupfwespen die Kastanienminiermotte einzudämmen. Manche Schädlinge, wie zum Beispiel die Wollige Napfschildlaus, haben aber nur wenige natürliche Gegenspieler. Dieser Schädling hat zum Beispiel die Linden der Allee „Unter den Linden“ befallen, breitet sich aber auch in anderen Städten immer mehr aus.

Werden auch Insektizide eingesetzt?

Chemische Pflanzenschutzmittel spielen beim Pflanzenschutz eine wichtige Rolle aber ihr Einsatz ist in den Städten besonders schwierig. Zum einen zählen große Flächen zu Wasserschutzgebieten, in denen keine chemischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen. Diese Situation trifft nicht nur für Berlin, sondern im Prinzip bundesweit zu. Zum anderen ist die Akzeptanz gegenüber Spritzmaßnahmen gering. Private Träger dürfen nur Mittel einsetzen, die für Kleingärten und den Hobbybereich zugelassen sind. Das sind viel weniger Mittel, als für die professionelle Nutzung in der Landwirtschaft und im Gartenbau zur Verfügung stehen. Oft fehlen auch die passenden Präparate: Weil die Entwicklungs- und Zulassungskosten so hoch sind, lohnt es sich für die Pflanzenschutzindustrie nicht, neue Mittel zu entwickeln. Das wird immer mehr zum Problem, weil der Schädlingsdruck insgesamt zunimmt.

Mit welchen neuen Schädlingen rechnen Sie?

Mit dem Klimawandel wird es bei uns immer mehr Wärme liebende Schädlinge geben. Schon jetzt gibt es viel mehr Sonnenkäfer und Borkenkäfer als früher. Auch für den Menschen gefährliche Pflanzenschädlinge wie der Eichenprozessionsspinner breiten sich immer weiter aus. Dazu wandern mit dem weltweiten Warenverkehr neue Schädlinge ein. Ein Beispiel dafür ist der Asiatische Laubholzbockkäfer, der in chinesischem Verpackungsholz nach Europa gelangt ist. In jüngster Zeit ist auch die Lindenminiermotte über Russland nach Brandenburg und Berlin gelangt. Wenn der Wertigkeit und Gesunderhaltung unserer Grünanlagen nicht bald eine größere Bedeutung beigemessen wird, müssen wir mit großen Verlusten rechnen. Für mich wird auch die Chance vertan, dem globalen Gewächshauseffekt mit Pflanzen entgegen zu wirken.

Weitere Informationen zum Berliner Stadtgrün finden Sie auf den Internetseiten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.