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Dr. Markus Boner, geschäftsführender Gesellschafter TÜV Rheinland agroisolab - Foto: TÜV Rheinland agroisolab
13.01.2011
Umwelt & Verbraucher

Schwere Isotope verraten Herkunft von Waren

Analysetechnik ermittelt den natürlichen Fingerabdruck, entlarvt Etikettenschwindler und beseitigt Verbraucherzweifel

Kommt der Spargel wirklich aus Deutschland? Wurde dem Wein Zucker zugesetzt? Handelt es sich beim eingesetzten Pflanzenschutzmittel um ein Originalprodukt oder um eine Fälschung? Was auf den ersten Blick nach aufwändiger Recherche aussieht, enthüllt heute ganz elegant ein Blick in die Atomstruktur. Zu den führenden „Detektiven“ gehört die TÜV Rheinland agroisolab GmbH mit Sitz im rheinischen Jülich.

80 000 Analysen pro Jahr

Der Postbote bringt täglich viele Pakete, und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Rund 80 000 waren es in den vergangenen Jahren. Der Inhalt der Sendungen ist äußerst vielfältig. Insbesondere Lebensmittel aller Art, vom Sekt über Vanillestangen bis zur Ökotomate, sind dabei. Auch Pflanzenschutzmittel oder Holzproben sind keine Seltenheit. „Wir werden immer dann eingeschaltet, wenn die Echtheit von Produkten überprüft werden soll“, sagt Dr. Markus Boner. Der Lebensmittelchemiker ist geschäftsführender Gesellschafter der TÜV Rheinland agroisolab GmbH. Seit seiner Promotion, in der er sich mit einem Herkunftsnachweis für Rindfleisch befasste, lässt ihn das Thema nicht mehr los: „Wir alle haben ein Recht auf korrekte Information. Mit unserer Analysetechnik haben Etikettenschwindler schlechte Karten.“

Um die eingegangenen Proben kümmern sich mittlerweile zwölf Mitarbeiter. Die Substanzen werden zunächst feinst vermahlen, in ihre Bestandteile aufgetrennt, in Gase umgewandelt und in ein Isotopenmassenspektrometer eingespeist. Das 200 000 Euro teure Gerät liefert viele Zahlen, mit denen nur ein Fachmann etwas anfangen kann. Boner: „Die Zahlen geben an, in welcher Menge und in welchem Verhältnis schwere Kohlenstoff-, Sauerstoff-, Wasserstoff-, Schwefel- und Stickstoffatome, also Isotope, in der untersuchten Substanz vorliegen.“ Ein Kohlenstoff oder Stickstoff wird als „schwer“ bezeichnet, wenn die Neutronenzahl von der Norm nach oben abweicht. Neutronen sind Bestandteile der Atome. Da die Verhältnisse der Isotope zueinander relativ konstant sind, sind die regional oder biologisch bedingten Abweichungen winzig klein. Boner und seine Kollegen betreiben Präzisionsanalytik auf höchstem Niveau. 

Isotope sind Fingerabdrücke der Natur

Die Mengenverhältnisse der einzelnen Isotope untereinander werden als Fingerabdruck bezeichnet, denn der Anteil der schweren Isotope ist nicht beliebig, sondern hängt von der Herkunft des Materials ab. Zum Beispiel ist Wasser aus Norddeutschland „schwerer“ als Wasser aus Süddeutschland. „Frühkartoffeln aus Niedersachsen haben ein ganz anderes Muster als Knollen aus Nordafrika. Der Fingerabdruck der Natur ist so einzigartig wie unser eigener“, so Boner. Aus dieser Tatsache haben Boner und seine Kollegen eine Geschäftsidee entwickelt. Ursprünglich befasste sich nämlich eine Arbeitsgruppe des Forschungszentrums Jülich mit dem Thema, in der er Mitglied war. 2002 gründete sich agroisolab als eigenständiges Unternehmen aus dem Forschungszentrum. Seit 2009 ist der TÜV Rheinland beteiligt. Seitdem floriert das junge Unternehmen und wird immer dann eingeschaltet, wenn Zweifel an der Echtheit von Erzeugnissen bestehen. Hauptauftraggeber sind der Handel, der Zoll, die staatliche Lebensmittelüberwachung und die Industrie.  

Abgleich mit Referenzproben

Damit Boner und seine Kollegen zweifelsfrei nachweisen können, woher die untersuchten Proben stammen, benötigen sie neben den Analyseergebnissen auch Referenzproben. Damit vergleichen sie die Daten und können dann den Nachweis führen. Zunehmend überprüfen sie auch die Echtheit von Produkten aus dem organischen Landbau. Hier können sie sich zwar nicht auf schweres Wasser beziehen, weil konventionelle und biologische Erzeugnisse zum Teil auf direkt benachbarten Feldern wachsen. Stattdessen nehmen sich die Detektive aus Jülich den Stickstoff vor. Sie ermitteln, ob der Pflanzennährstoff vorschriftsgemäß aus organischen Düngern kommt oder gegen die Anbauvorgaben des ökologischen Landbaus aus Mineraldüngern stammt. 

Aktive Markierung

Die schweren Isotope bieten also vielseitige Einsatzmöglichkeiten. Sie verraten auch unerlaubte Lebensmittelzusätze und überführen Dopingsünder. Ein zukunftsweisendes Arbeitsfeld ist für Boner die aktive Markierung von Produkten. Hier drehen er und seine Mitarbeiter den Spieß gewissermaßen um. So werden etwa bereits bei der Herstellung von Pflanzenschutzmitteln Rohstoffe mit genau definierten Mengen schwerer Isotope versetzt. Diese können nach dem Inverkehrbringen des Produkts zweifelsfrei erkannt werden. Fälscher haben keine Chance, nicht einmal, wenn sie die gleichen Rohstoffe einsetzen.  

Die im Jülicher Labor untersuchten schweren Isotope sind übrigens ungefährlich. Im Unterschied zu radioaktiven Isotopen sind sie stabil. Radioaktive Isotope hingegen zerfallen und können deshalb je nach Dosis gefährlich sein.  

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