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So viel wie nötig, so wenig wie möglich: Tunnelsprühgeräte schützen Obst mit einem Minimum an Mittelaufwand. Foto: Matthias Wiedenau
17.07.2008
Forschung & Technik

Wenn Obst den Tunnelblick hat …

Tunnelsprühgeräte mit Recyclingtechnik: Umweltschonende Pflanzenschutztechnik vor dem Durchbruch?

Krankheiten und Insekten können Obstbäumen und Rebstöcken im Frühjahr und Sommer ganz schön zusetzen. Für maximalen Schutz der Kulturen bei minimalem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln haben Maschinenhersteller bereits vor Jahren Tunnelsprühgeräte mit Recyclingtechnik entwickelt. Am Kompetenzzentrum für Obstbau in Jork (Altes Land) werden nun verschiedene Ausführungen für den Obstbau auf ihre Praxistauglichkeit getestet.

Recycling ist seit mehreren Jahren ein Thema bei Obstbauern und Winzern. Allerdings geht es hier nicht um die Verwertung von Abfall, sondern um das Auffangen von Sprühbrühe, die nicht auf der Pflanze angelagert wurde. Die herkömmlichen Ausbringungsgeräte arbeiten mit einem Gebläse, das die Tröpfchen der Brühe mehr oder weniger in die Kultur „drückt“. Dabei trifft nur ein Teil der Flüssigkeit auf Blätter und Äste, der Rest gelangt auf den Boden. Das verhindert die Recyclingtechnik. Die Maschine schottet Bäume, Sträucher oder Rebstöcke nach oben und zu den Seiten hin mit Reflektorwänden ab, so dass sich die Kultur in einem „Tunnel“ befindet. Die nicht angelagerten Tröpfchen treffen auf die Wände und laufen in einem Sumpf zusammen. Anschließend wird die Flüssigkeit gefiltert und in den Tank zurückgeführt.

30 Prozent weniger Mittelaufwand

Für das Recycling mit Tunnelsprühgeräten sprechen starke Argumente. Dazu Jens-Peter Ralfs vom Kompetenzzentrum für Obstbau in Jork: „Bei geringer Belaubung der Obstbaumzeilen können im Frühjahr mit zweizeiligen Geräten mindestens 40 bis 50 Prozent der Pflanzenschutzmittel eingespart werden, bei sehr dichten Laubwänden beträgt die Recyclingquote rund zehn bis 15 Prozent.“ Im Mittel geht der Experte von 25 bis 30 Prozent Ersparnis aus. Die Technik leistet also einen großen Beitrag dazu, dass Pflanzenschutzmittel sehr gezielt und sparsam angewendet werden und dort ankommen, wo sie hingehören. Zudem kann Wind der Sprühbrühe im Tunnel weniger anhaben. Obstbauern mit herkömmlichen Geräten müssen hingegen sehr genau auf die Windstärke achten. Wird sie zu hoch, muss die Arbeit sofort unterbrochen werden, damit die Tröpfchen nicht in die Umgebung oder angrenzenden Gewässer wehen. Experten sprechen von Abdrift. 30 Prozent Mitteleinsparung heißt aber auch Geldersparnis. Bei einer Betriebsgröße von 20 Hektar und einem durchschnittlichen Pflanzenschutzmittelaufwand von 600 Euro pro Hektar sind das 180 Euro pro Hektar und Jahr, also 3 600 Euro bezogen auf den Gesamtbetrieb.

Obstbauern noch zurückhaltend

Obwohl bereits seit mehreren Jahren Tunnelsprühgeräte auf dem Markt sind, haben sie sich noch nicht so durchgesetzt, wie es die handfesten Vorteile eigentlich vermuten lassen. In der Praxis sind erst zwei Geräte im Einsatz. Praktiker scheuen einerseits die relativ hohen Anschaffungskosten: Ein zweizeiliges Gerät kostet mit rund 45 000 Euro etwa dreimal so viel wie ein konventionelles. Andererseits ist die Größe der zwei- und besonders der vierzeiligen Geräte gewöhnungsbedürftig. Sie sind nicht eben wendig und dadurch in schwierigem Gelände schwer, in Steillagen kaum und bei ausgebreiteten Hagelschutznetzen überhaupt nicht einsetzbar.

Praxistauglichkeit auf dem Prüfstand

In einem groß angelegten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben werden seit Anfang 2005 neun verschiedene Geräte auf Praxisbetrieben in den Obstbauregionen im Alten Land und am Bodensee auf Herz und Nieren getestet. Beteiligt sind neben dem Pflanzenschutzamt der Landwirtschaftskammer Niedersachsen das Julius Kühn-Institut, das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg mit der Außenstelle Tettnang und das Kompetenzzentrum für Obstbau in Jork.

Untersucht werden unter anderem Gewässerschutz, Praxistauglichkeit, Abdriftreduzierung, Spritzbelagverteilung und die biologische Wirksamkeit. Die Forscher werden bis zum Ende 2008 Stärken und Schwächen herausarbeiten. Von den gewonnenen Erkenntnissen sollen Hersteller und Anwender und damit auch Umwelt und Verbraucher profitieren. Die positiven Eindrücke überwiegen bislang bei weitem. Dementsprechend optimistisch geben sich die Experten. „Gerade die mehrzeiligen Geräte bieten neben den anderen Stärken einen weiteren entscheidenden Vorteil: Sie sparen sehr viel Arbeitszeit ein“, sagt Jens-Peter Ralfs. Er zieht daher folgendes Fazit: „Ich rechne damit, dass sich die Tunneltechnik bei zukunftsorientierten Betrieben mit ebenen und größeren Anbauflächen immer mehr durchsetzen wird.“