ackerfuchsschwanz_2_foto_matthias_wiedenau.jpg
Resistenter Ackerfuchsschwanz verursacht in einigen Regionen bereits hohe Ertragseinbußen. Foto: Matthias Wiedenau
03.11.2011
Forschung & Technik

Pflanzenschutz: Nicht am falschen Ende sparen

Bedarfsgerecht dosieren und Wirkstoffe wechseln, um Resistenzen vorzubeugen

Schaderreger treten gern in Massen auf. Gefährlich werden sie dann, wenn sie gegenüber den herkömmlichen Bekämpfungsmöglichkeiten unempfindlich sind. Ein Beispiel aus der Humanmedizin sind Antibiotikaresistenzen, die die Behandlung von Infektionskrankheiten erschweren. Auch im Ackerbau nehmen die Resistenzen mancher Schaderreger zu. Wenn Landwirte nicht vorbeugen, drohen massive Ernteeinbußen durch Ungräser, Pilze und Insekten. Resistenzmanagement ist das Gebot der Stunde.

In den letzten Jahren zeigt sich Weißer Gänsefuß (Chenopodium album), ein bedeutendes Unkraut in Zuckerrüben, immer unempfindlicher gegenüber Pflanzenschutzmitteln und reiht sich damit in eine immer größere Zahl widerstandsfähiger Schadorganismen ein. Resistenter Ackerfuchsschwanz (Alopecurus myosuroides)ist bei Landwirten besonders gefürchtet. In einigen Regionen verursacht das Ungras im Weizen bereits so schwerwiegende Ertragseinbußen, dass sich der Anbau des wichtigsten Brotgetreides nicht mehr lohnt. Probleme gibt es auch mit Insekten und Pilzkrankheiten – Landwirte, Berater und Hersteller müssen handeln.  

Resistenzbildung ist natürlich

Dass Schaderreger und Unkräuter Resistenzen entwickeln, ist ein natürlicher Vorgang. In der Erbsubstanz treten immer wieder zufällige Mutationen auf, aus denen bei einseitiger Unkrautkontrolle Resistenzen selektiert* werden können. Doch der Landwirt kann der Vermehrung der resistenten Pflanzen entgegentreten, indem er sich an die Grundsätze des integrierten Unkrautmanagements hält. Zum Resistenzmanagement gehören im Fall des Weißen Gänsefuß ackerbauliche Maßnahmen wie die Aussaat blattreicher Zuckerrübensorten, die das Unkraut unterdrücken können. Ebenso wichtig ist es, die Pflanzenschutzmittel wohldosiert und gezielt einzusetzen.  

Minimengen machen Probleme

Es kommt vor allem auf die richtige Dosierung an. „Weniger“ ist in diesem Fall nicht „mehr“. Minimengen sind zwar zunächst billiger, aber die Folgen können fatal sein. Denn dadurch werden unempfindlichere Pflanzen selektiert, die sich vermehren, in den Folgejahren auf dem Acker immer breiter machen und dann kaum noch in den Griff zu bekommen sind. Der Anwender provoziert regelrecht eine so genannte metabolische Resistenz. Die so herangezüchteten unempfindlichen Pflanzen bauen die Wirkstoffe schnell zu für Pflanzen nicht giftigen Stoffwechselprodukten ab und werden nur kurzfristig im Wachstum gebremst. Irgendwann reichen auch hohe Dosierungen nicht mehr aus, das Pflanzenschutzmittel ist unwirksam geworden. Ein Beispiel dafür ist der Wirkstoff Metamitron, der oft über Jahre in zu geringen Dosierungen gegen den Weißen Gänsefuß gespritzt wurde und der nun vielfach gar nicht mehr hilft. 

Wirkstoffklasse wechseln

Pflanzenschutzmittel helfen auch dann nicht mehr, wenn eine wirkortspezifische Resistenz (Target-Site-Resistenz) vorliegt. In diesem Fall ändert sich die molekulare Bindungsstelle für den Wirkstoff im Stoffwechsel des Schadorganismus. Durch genetische Anpassung (eine Mutation) findet eine strukturelle Änderung statt, und der Schlüssel passt nicht mehr ins Schloss. Ein bis dahin bewährtes Mittel wird dann schlagartig unwirksam. Hier hilft nur ein Wirkstoffwechsel. Am besten zu einem Mittel, dessen Wirkstoff  aus einer anderen Klasse mit einem anderen Ansatzpunkt im Stoffwechsel stammt. Damit die Anwender den Überblick behalten, sind die Mittel zur Bekämpfung von Ackerfuchsschwanz mit einem HRAC (Herbicide Resistance Action Committee) -Code versehen. Je nach Anwendungszeitpunkt stehen jedoch nur drei bis fünf Klassen zur Auswahl. In manchen Populationen ist keine mehr wirksam. Neue, anders wirkende Ackerfuchsschwanzmittel sind auf absehbare Zeit nicht in Sicht. Nur noch wenige Unternehmen stecken viel Zeit und Geld in die Erforschung neuer Mittel und in die immer aufwändigere amtliche Zulassung. 

Technik und Zeitpunkt müssen stimmen

Ordnungsgemäß funktionierende Pflanzenschutzgeräte sind ein weiterer Baustein im Resistenzmanagement. Sie verteilen die Mittel gleichmäßig und dosieren sie genau. Die Spritzbrühe muss darüber hinaus die Zielflächen gut benetzen, damit die Pflanzenschutzmittel optimal wirken können. Anders bei Wirkstoffen, die über den Boden wirken. Hier muss der Anwender darauf achten, dass der Boden feucht genug ist. Nur dann können die Wirkstoffe über die Wurzeln aufgenommen werden. In jedem Fall ist es sinnvoll, die Schaderreger in einem frühen Entwicklungsstadium zu treffen. Sie sind dann in aller Regel wesentlich empfindlicher. Zum integrierten Resistenzmanagement gehören auch die richtige Fruchtfolge, der beste Saatzeitpunkt, eine geeignete Bodenbearbeitung und eine sorgsame Sortenwahl. Je mehr möglichst verschiedene Kontrollmaßnahmen, desto besser können sie den unerwünschten Resistenzbildungen vorbeugen.

* Auslese von Individuen mit besonderen Eigenschaften.Wiederholte Schaffung der gleichen Umweltbedingung für eine Population (z.B. Einsatz immer d. gleichen Wirkstoffes) führt dazu, dass Individuen, die mit dieser Umweltbedingung am besten leben können, vermehrt auftreten.

Weitere Beiträge: