kuehn_mutterkorn.jpg
Julius Kühn mit dem Modell eines Mutterkorns am 18. Oktober 1895 im Hörsaal des Landwirtschaftlichen Institutes. Quelle: Die Aufnahme stammt von C. Höpfner Nachf. Fritz Möller und wurde als verkleinerter Lichtdruck von Gebr. Plettner publiziert.
22.07.2010
Schule & Wissen

Widerlegte mit Mikroskop die Urzeugung: Julius Kühn

Der Agrarwissenschaftler erforschte die Ursachen für Pflanzenkrankheiten und trieb die landwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland voran

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte in Fachkreisen die Meinung vor, dass überirdische Kräfte („Urzeugung“) oder schwache Pflanzen („Konstitutionstheorie“) die Ursachen für Pflanzenkrankheiten seien. Julius Kühn (1825 – 1910) reichten diese Erklärungen nicht. Unter dem Mikroskop und in unzähligen Versuchen identifizierte er pilzliche und tierische Schaderreger. Sein großes Wissen gab er an seine Studenten weiter. Er gilt als Begründer des modernen agrarwissenschaftlichen Studiums.

Der „Mikroskopen-Amtmann“ …

… – so wurde der junge Julius Kühn scherzhaft von seinen Zeitgenossen genannt. Schon in seinen Jahren als Verwalter eines Gutes in Schlesien (1848 – 1855) hat sich der aus einfachen Verhältnissen stammende Kühn intensiv mit Pflanzenschutz beschäftigt. Dabei war ein Mikroskop sein ständiger Begleiter. Zu dieser Zeit verursachte die Rapsschwärze große Schäden. Mit dem Mikroskop gelang es Kühn, die Entwicklung der Krankheit zu verfolgen, den verursachenden Pilz zu bestimmen und Gegenmaßnahmen abzuleiten. Er war so begeistert von diesem Hilfsmittel, dass er es als unverzichtbares „Hausgeräth des Landwirthes“ bezeichnete. Nach einigen Jahren in der Praxis startete Kühn seine akademische Karriere. 1855 studierte er an der landwirtschaftlichen Akademie in Bonn-Poppelsdorf und machte im Anschluss seinen Doktor. Bereits 1858 veröffentlichte er das Buch „Die Krankheiten der Kulturgewächse, ihre Ursachen und ihre Verhütung“. Es gilt weltweit als das erste spezielle Lehrbuch über Pflanzenkrankheiten.

Vater Kühn

Ab 1862 lehrte Kühn als Professor in Halle an der Saale. Auf sein Bestreben hin wurde dort ein landwirtschaftliches Institut mit großen Versuchsflächen gegründet. Kühn nahm die heute noch aktuellen Spezialdisziplinen wie Tierzucht, Pflanzenbau, Bodenkunde oder Agrartechnik in den Lehrplan auf. Seine Studenten nannten ihn liebevoll „Vater Kühn“.

Sein beruflicher Ehrgeiz beschränkte sich nicht nur auf die Pflanzenkrankheiten. Kühn war Generalist und suchte nach Lösungen für viele landwirtschaftliche Probleme. So war er beispielsweise an der Gründung einer Prüfanstalt für Landmaschinen und der Versuchsstation für Pflanzenschutz Halle beteiligt. Er testete chemische Pflanzenschutzmittel und Ausbringungsgeräte wie Handzerstäuber und arbeitete mit chemischen Beizen, um das Saatgut vor Brandpilzen zu schützen. Gleichzeitig war Kühn Wegbereiter für den biologischen Pflanzenschutz. Schon damals erkannte er: Zur Bekämpfung verschiedener schädlicher Insekten seien „…Schlupfwespen die besten Verbündeten des Landwirthes…“ Intensiv befasste er sich neben den Brand- auch mit den gefürchteten Rostpilzen und beschrieb bereits 1858 die Wechselwirkungen von Bodenzustand, Bodenbearbeitung, Düngung und Zwischenwirten – die Grundlagen des Integrierten Pflanzenbaus, der aber erst ab den 1970er Jahren an Bedeutung gewann. Weitere Schwerpunkte waren seine Arbeiten zur Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel, die zuvor in Irland eine große Hungersnot mit rund einer Million Todesopfern ausgelöst hatte. Wegweisend waren auch die Erkenntnisse über Rübennematoden. Diese Schädlinge brachten zeitweise den Zuckerrübenanbau in der Region Halle zum Erliegen. In allen seinen Arbeiten legte Kühn immer besonderen Wert auf den Praxisbezug. Er wollte vor allem die landwirtschaftliche Erzeugung voranbringen.

Nach 100 Jahren hochaktuell

Kühn hat ebenso erfolgreich Vorgaben erarbeitet, wie die Verbreitung von Schaderregern gestoppt werden kann. Viele seiner Ergebnisse bilden noch heute die Grundlage nationaler und internationaler Quarantäneregelungen. Sein bis heute fortgeführter Dauerdüngungsversuch („Ewiger Roggenanbau“) ist ein weiterer Meilenstein der Agrarwissenschaften. Der große Schaffensdrang des Wissenschaftlers spiegelt sich in über 300 Veröffentlichungen.

Am 14. April 2010 jährte sich sein Todestag zum 100. Mal. Ihm zu Ehren trägt seit 2008 ein bedeutendes Bundesforschungsinstitut seinen Namen: Das Julius Kühn-Institut ging aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft und der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen unter Einbindung zweier Institute der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft hervor.