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Man sieht es dem Boden nicht an, dass ihn eine Riesenzahl von Bakterien, Pilzen und Kleinstlebewesen bevölkert. Quelle: BASF AgroSlide
27.12.2005
Umwelt & Verbraucher

Der Boden lebt

Regenwurm & Co. tragen wesentlich zur Fruchtbarkeit des Bodens bei. Zusammen bringen die Bodenorganismen drei bis vier Tonnen je Hektar auf die Waage.

Über eine Milliarde Bakterien, Millionen von Pilzen und Tausende von Kleinstlebewesen leben in einem Gramm fruchtbaren Acker- oder Wiesenbodens. Die Oberflächen aller Partikel eines jeden Gramms Boden addieren sich insgesamt zu einer Fläche von bis zu 2 Quadratmetern. Sie bieten immense Siedlungsräume für Mikrorganismen. Obwohl sie mit bloßem Auge überwiegend nicht zu erkennen sind, leisten sie Schwerstarbeit bei der Zersetzung organischer Substanz. Aber sie „knacken“ auch chemische Verbindungen. Ein gesundes, funktionierendes Bodenleben ist die Voraussetzung für den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und damit für eine nachhaltige Landbewirtschaftung. Dass die mechanische Bearbeitung des Bodens für ihn einer der Stressfaktoren ist, der einen sehr viel stärkeren Einfluss auf das Bodenleben hat als mineralische Düngung oder Pflanzenschutz, darin waren sich die Teilnehmer der Fachveranstaltung „Bodenleben und Bodenfruchtbarkeit“ einig. Sie fand kürzlich in Bonn statt, veranstaltet vom Institut für Landwirtschaft und Umwelt und der Gesellschaft für konservierende Bodenbearbeitung.

Natürliche Stressfaktoren für das Bodenleben

Der Boden ist die belebte oberste Erdkruste. Seine lockere Form ist durch physikalische und chemische Verwitterungsvorgänge des festen Gesteins, durch die Einwirkung pflanzlicher und tierischer Lebewesen, entstanden. Seit Jahrtausenden unterliegt der Boden durch den Anbau verschiedenster Kulturpflanzen und seine Bearbeitung einer ständigen Beeinflussung. Zum Beispiel das Pflügen: Dabei wird nicht nur der Boden durchmischt. Auch die Aktivität der größeren Bodentiere, insbesondere der Regenwürmer leidet darunter. Sie werden verletzt, verstärkt von Vögeln gefressen und die Wohnröhren tiefgrabender Arten zerstört. Auch die Witterung, insbesondere die Niederschläge, beeinflussen Regenwürmer, Collembolen (Springschwänze) und andere. Längere Trockenphasen können die Zahl der Individuen von Bodentieren reduzieren. Staunässe, Trockenheit und Frost – alles Stressfaktoren für das Bodenleben.

Schadstoffe und Pflanzenschutzmittel im Visier der Mikroorganismen

Wenn Schadstoffe und Pflanzenschutzmittel auf den Boden einwirken, kommt es neben der Pufferfähigkeit des Bodens vor allem auf die Aktivität der Mikroorganismen an. So hat man in Labor- und Freilandversuchen festgestellt, dass sich Mikroorganismen sogar auf den Abbau von komplizierten organischen Stoffen spezialisieren können. Das gilt auch für Pflanzenschutzmittel. Bei wiederholter Anwendung geht der Abbau sogar immer schneller vonstatten. Mitunter so schnell, dass der Wirkstoff nicht einmal die gewünschte Wirkung entfalten kann. Meist bleiben natürliche Substanzen wie Wasser, Kohlendioxid, Stickstoff oder Schwefelwasserstoff übrig. Nach dem heutigen Stand der Erkenntnis gelten Populations- und Leistungsbeeinträchtigungen der Bodenorganismen von 30 Tagen und weniger als ungefährlich. Danach erholen sich die Organismen immer wieder schnell. Derartige Schwankungen in der Population werden aber genauso von natürlichen Stressfaktoren hervorgerufen.

Welche Wirkung Pflanzenschutzmittel auf die Gesamtheit der Bodenbewohner haben, kann mit den Messgrößen „Bodenatmung“, also der CO² -Bildung, und auf Grund des Stickstoff-Umsatzes beurteilt werden. Während Herbizide und Fungizide im Normalfall kaum Wirkung zeigen, können Insektizide die Bodenfauna vorübergehend beeinträchtigen, ohne aber bei sachgerechter Anwendung zu einer dauerhaften Schädigung zu führen. Neben dem mikrobiellen Abbau werden Pflanzenschutzmittel übrigens auch chemisch umgewandelt und mineralisiert.

Biomasse Bodenorganismen

Die mittlere Menge an mikrobieller Biomasse, also der Körpersubstanz lebender Mikroorganismen, beträgt 15 Tonnen Frischmasse/ Hektar. Dabei geht man davon aus, dass der Wassergehalt der Mikroorganismen 80 Prozent beträgt.

Etwa ein Drittel dieser Biomasse werde von Bakterien gebildet, zwei Drittel von Pilzen, so der Bodenkundler Prof. Rainer Georg Jörgensen von der Universität Witzenhausen. Die mikrobielle Biomasse werde durch einen mittleren jährlichen Eintrag von 8 Tonnen Trockenmasse an Pflanzenmaterial je Hektar ernährt. Die Mikroorganismen müssten im Boden somit sehr sparsam mit der zur Verfügung stehenden Energie umgehen. Die Umsatzzeit der mikrobiellen Biomasse sei sehr lang und betrage ungefähr 1 bis 3 Jahre. Es habe sich übrigens gezeigt, so Prof. Jörgensen, dass Mikroorganismen im Boden weniger empfindlich seien als früher angenommen.

Ein reges Bodenleben

entwickelt sich, wenn viel Nährhumus im Boden vorhanden ist. Er entsteht vor allem, wenn Wurzeln abgeernteter Früchte, Ernterückstände, Gründünger, Stallmist, Gülle, Jauche und Reste tierischer Herkunft abgebaut und umgesetzt werden. Die Bodenorganismen wandeln Nährhumus zu Nährstoffen um, die so von Pflanzen aufgenommen werden können. Das sind Stickstoffverbindungen, Kohlendioxid, Mineralien, wie Kalium, Calcium, Magnesium, Phosphor, Schwefel u. a. Die Mineralisierung, d. h. die Verwandlung organischer Substanz in Mineralien, ist deshalb auch ein Teil des Verwesungsprozesses.