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Zuckerrohr wurde 2013 weltweit auf 26,9 Millionen Hektar, Zuckerrüben auf 4,4 Millionen Hektar angebaut. (Quelle: FAO). Foto: Südzucker
29.12.2016
Umwelt & Verbraucher

Verdrängt Rohrzucker ab 2017 heimischen Rübenzucker?

Chemisch identisch, Erzeugung unterschiedlich

Rum und Cachaça, der Caipirinha-Schnaps, sind in jeder gut sortierten Cocktailbar vertreten. Beide werden aus Zuckerrohr hergestellt. Doch wird demnächst auch im Vorratsregal Haushaltszucker aus dem bis zu fünf Meter hohen Süßgras zu finden sein? Rüben- oder Rohrzucker – letztendlich wird sich das konkurrenzfähigere Produkt durchsetzen. Denn ab 2017 wird er EU-Markt nach Wegfall der Rübenzuckerquoten liberaler. Grund genug, einmal einen Blick auf Herkunft, Anbau und Verarbeitung von Zuckerrohr zu werfen.

Zunächst die Gemeinsamkeit: Chemisch betrachtet ist der aus Zuckerrüben und Zuckerrohr hergestellte weiße kristalline Zucker identisch. Er besteht aus dem Zweifachzucker Saccharose. Zweifach deshalb, weil er aus jeweils einem Molekül Glucose und einem Molekül Fructose zusammengesetzt ist. Doch damit enden bereits die Gemeinsamkeiten. Schon der braune Rohzucker enthält spezifische Bestandteile der jeweiligen Kultur.

Tropenpflanze mag es heiß

Zuckerrohr ist eine Pflanze der Tropen und Subtropen. Die Pflanze liebt hohe Temperaturen. Ideal sind 25 bis 30 Grad Celsius. Sie braucht reichlich Regen. Möglichst mehr als 1500 Millimeter pro Jahr. Das sind typische Regenwaldstandorte. Kein Wunder, dass für die ertragreiche Kultur nach wie vor tropische Wälder weichen müssen. Demgegenüber ist die Zuckerrübe im gemäßigten Klima Mitteleuropas, wie zum Beispiel in Nordfrankreich, Belgien, Deutschland oder Polen, besonders ertragreich. Die größten Zuckerrohrflächen gibt es mit 10,2 Millionen Hektar in Brasilien. Mit deutlichem Abstand dahinter folgen Indien (5,1 Mio. Hektar), China (1,8 Mio. Hektar) und Pakistan mit insgesamt 1,3 Millionen Hektar (Quelle: FAO, 2013).

Einmal pflanzen, mehrere Jahre ernten

Die Zuckerrübe ist eine einjährige Kultur. Die Aussaat der kleinen pillenförmigen Samen erfolgt im Frühjahr, die Ernte im Herbst. Beim Zuckerrohr ist es anders. Stängelstücke werden in den Boden gesteckt und schlagen aus. Nach frühestens neun Monaten ist die Pflanze erntereif. Das Praktische: Die gekappten Stängel wachsen nach, die Kultur kann mehrfach beerntet werden. Durch gezielte Düngung und Pflanzenschutz sichern die Anbauer die Erträge ab. Wichtig ist die Kontrolle des Unkrauts, das mit dem Süßgras um Licht, Nährstoffe und Wasser konkurriert. Schadinsekten müssen ebenso beachtet werden, dazu zählt vor allem der Zuckerrohrbohrer.

Im Mittel bringt Zuckerrohr in Brasilien einen Hektar-Ertrag von rund 75 Tonnen mit 10 bis 20 Prozent Gewichtsanteilen Zucker (Quelle: FAO, 2013). Das machen 7,5 bis 15 Tonnen Zucker pro Hektar. Zum Vergleich: Zuckerrüben haben 2015 in Deutschland durchschnittlich 11,6 Tonnen Zucker pro Hektar erbracht. Die Rübenernte ist voll mechanisiert. Die Rohrernte erfolgte früher ausschließlich per Handarbeit. Arbeiter trennten die fünf Zentimeter dicken und bis zu fünf Meter langen Stangen mit einer Machete ab und luden sie auf Transportfahrzeuge. Heute erledigen zunehmend Erntemaschinen diese schwere Arbeit. Um die Ernte zu erleichtern, wurden und werden die Felder kontrolliert angezündet. Trockene Blätter und Unkraut verbrennen, die zuckerreichen Stängel bleiben übrig. Moderne Vollernter machen das Abbrennen überflüssig.

Das Zuckerrohr sollte nach der Ernte möglichst schnell verarbeitet werden, weil im tropischen Klima der Zuckerabbau schnell einsetzt. Aus Presssaft kristallisiert der Zucker, der anschließend in mehreren Schritten gereinigt wird. Der Fachmann spricht von Raffination. Übrig bleiben die Fasern des Rohrs, die sogenannte Bagasse. Sie dient als Energieträger in der Zuckerfabrik, aber auch als Viehfutter oder zur Herstellung von Faserplatten und Tür-Innenverkleidungen.

Wer macht das Rennen?

Momentan deckt Zuckerrohr rund 80 Prozent des Weltzuckermarkts ab. 2017 fallen die Anbauquoten in der EU, Zuckerrüben konkurrieren dann direkt mit dem Zuckerrohr. Nach Prognose des renommierten Thünen-Instituts wird die Zuckerrübe auf den wettbewerbsfähigsten Standorten mit guten Böden, ausreichenden Sommerniederschlägen und milden Temperaturen eine Chance haben. In weniger günstigen Regionen soll der Anbauumfang sinken. Die heimischen Züchter, Anbauer und Verarbeiter versuchen ihre Kosten zu senken. Das ist nicht so einfach, treiben doch die im Vergleich zu Brasilien höheren Umwelt- und Sozialstandards die Preise nach oben. Doch vor allem der Zuchtfortschritt lässt hoffen. Jährlich legen die Sorten bis zu zwei Prozent im Zuckerertrag zu.

Ölpreis beeinflusst Zuckermarkt

Steigende Ölpreise könnten den heimischen Rübenzucker-Produzenten in die Karten spielen. In diesem Fall reagieren Länder wie Brasilien sehr schnell: Sie fahren die Zuckerproduktion runter und steigern die Bioethanolproduktion. Der Treibstoff entsteht durch Fermentation des Zuckersafts und wird Benzin zugesetzt. Ob der Zuckerpreis ab 2017 in der EU nun steigt oder sinkt: Auf die Endpreise von Limonaden, Süßigkeiten oder Haushaltszucker wird sich das – wenn überhaupt – nur geringfügig auswirken.

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