Nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln | Indikatoren für den Nationalen Aktionsplan - Grundlegende Anforderungen klar definieren / Die Position des Industrieverbands Agrar e. V.

   

Inhalt

 

1       Einleitung

2       Indikatoren: Aussagen der Rahmenrichtlinie

2.1    Rahmenrichtlinie fordert Betrachtung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen von Maßnahmen des NAP

2.2    Umfassende und ausgewogene Information der Öffentlichkeit erfordert die Beschreibung des Nutzens des chemischen Pflanzenschutzes4

3       Indikatoren: Systematisierung und grundlegende Anforderungen

4       Die Forderungen des IVA

4.1    Nutzen des chemischen Pflanzenschutzes adäquat berücksichtigen

4.2    PIX als Instrument ausgewogener Information ausgestalten

4.3    Relevanz, Machbarkeit, Vergleichbarkeit und Verständlichkeit sind unverzichtbar

4.4    Erfolgsmessung von Maßnahmen ist notwendig

4.5    Brauchen wir einen eigenen nationalen Risikoindikator?

4.6    Notwendiges Maß und Behandlungsindex: Klare Aussagen über Möglichkeiten und Grenzen erforderlich

  

1 Einleitung  

Der Industrieverband Agrar (IVA) nimmt mit diesem Papier zu dem im Diskussionsent­wurf eines Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln vom 30. November 2010 vorgeschlagenen Indikatorenset Stellung. Mit dem Entwurf wurde ein sehr umfangreicher Katalog von Indikatoren in die Diskussion eingeführt. Diese Vorschläge sind aus unserer Sicht nur sehr begrenzt nachvollziehbar und erscheinen nicht immer sachgerecht. Unseres Erachtens ist bisher weder genügend auf die einschlägigen Bestimmungen der Rahmenrichtlinie Bezug genommen worden, noch sind für die Auswahl der Indikatoren hinreichende Kriterien festgelegt worden. Aus diesem Grund werden wir in diesem Positionspapier nicht zu den vorgeschlagenen Einzelindikatoren Stellung nehmen. Es ist vielmehr unser Anlie­gen, die Aussagen, die die dem deutschen Nationalen Aktionsplan zugrundeliegende Richtlinie 128/2009/EG über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhal­tige Verwendung von Pestiziden (nachfolgend Rahmenrichtlinie) macht, ausführlicher zu würdigen und auf bisher wenig oder nicht beachtete Sachverhalte hinzuweisen. Des Weiteren möchten wir einen Vorschlag für Kriterien machen, anhand derer eine ratio­nale Auswahl von Indikatoren erfolgen kann.

 

2 Indikatoren: Aussagen der Rahmenrichtlinie

Grundlage für die Entwicklung von Indikatoren für den Nationalen Aktionsplan sind die diesbezüglichen Bestimmungen der Richtlinie 128/2009/EG. Der IVA ist der Ansicht, dass der mit dem Entwurf des NAP vom 30. November 2010 vorgeschlagene Indika­torensatz die Vorgaben der EU-Rahmenrichtlinie nur unzureichend erfüllt.

Der IVA ist der Auffassung, dass

  • Indikatoren, die die ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Maßnahmen des NAP beschreiben, in den NAP aufzunehmen sind;

     
  • die in der Rahmenrichtlinie geforderte „umfassende“ und „ausgewogene“ Informa­tion der Öffentlichkeit die Einführung von Nutzenindikatoren zwingend erscheinen lässt.

 

2.1 Rahmenrichtlinie fordert Betrachtung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen von Maßnahmen des NAP

In Artikel 4 der Rahmenrichtlinie heißt es, dass „die Mitgliedstaaten die gesundheit­lichen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen der geplanten Maß­nahmen“ bei der Aufstellung und Überprüfung der Nationalen Aktionspläne berücksich­tigen. Daraus folgt, dass der europäische Gesetzgeber eine umfassende Analyse der Auswirkungen von Zielen und Maßnahmen der Nationalen Aktionspläne wünscht. Grundsätzlich liegt dem die Erkenntnis zu Grunde, dass den mit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln einhergehenden Risiken ein erheblicher Nutzen ihrer Anwen­dung gegenübersteht und dass auch Risiken von Anwendungsverboten/-einschrän­kungen oder Risiken die von „nichtchemischen“ Alternativlösungen ausgehen, zu berücksichtigen sind. Die zu entwickelnden Indikatoren müssen deshalb Risiken und Nutzen der Anwendung unterschiedlicher Pflanzenschutzverfahren und -strategien gleichermaßen betrachten und ökologische, soziale und ökonomische Belange hinrei­chend in die Betrachtung einbeziehen.

 

2.2 Umfassende und ausgewogene Information der Öffentlichkeit erfordert die Beschreibung des Nutzens des chemischen Pflanzenschutzes

In Artikel 7 (1) der Rahmenrichtlinie heißt es: „Die Mitgliedstaaten ergreifen Maßnah­men zur Information der allgemeinen Öffentlichkeit und zur Förderung und Erleichte­rung von Informations- und Sensibilisierungsprogrammen und der Bereitstellung von genauen und ausgewogenen Informationen über Pestizide für die allgemeine Öffent­lichkeit, insbesondere über die Risiken und möglichen akuten und chronischen Auswir­kungen ihrer Verwendung auf die menschliche Gesundheit, Nichtzielorganismen und die Umwelt und über die Verwendung nichtchemischer Alternativen“. Auch wenn Arti­kel 7 besonders auf Informationen zu den möglichen Risiken von Pflanzenschutzmit­teln und Bioziden rekurriert, so ist dem europäischen Gesetzgeber doch an genauen und ausgewogenen Informationen gelegen. Daraus ergibt sich unserer Ansicht nach der Wunsch des Gesetzgebers, dass neben den Risiken der Verwendung von Pflan­zenschutzmitteln auch deren Nutzen beschrieben werden muss. Der IVA fordert des­halb zunächst, dass der nationale Aktionsplan in einem eigenen Abschnitt in hinrei­chender Ausführlichkeit den ökologischen, ökonomischen und sozialen Nutzen der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln beschreibt. Des Weiteren ist es unseres Erach­tens unerlässlich, relevante Kennzahlen zum Nutzen des Einsatzes von Pflanzen­schutzmitteln in den Indikatorensatz des NAP aufzunehmen.

 

3 Indikatoren: Systematisierung und grundlegende Anforderungen

Aus Sicht des IVA haben die im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zu entwickeln­den Indikatoren im Kern die Aufgabe, Zielerreichungs- bzw. Ergebnisprüfungen zu ermöglichen. Die Indikatoren sollen dabei Ziel-Mittel-Zusammenhänge klar im Auge behalten und verschiedene Zielhierarchieebenen abbilden können. Ansatzpunkte für Indikatoren sind damit die Ebenen der strategischen Ziele und der Teilziele genauso wie die Ergebnisse von Einzelmaßnahmen.

JKI und UBA schlagen vor, die Indikatoren des Nationalen Aktionsplans nach dem DPSIR-Konzept zu klassifizieren. Das DPSIR-Konzept, so das JKI, „dient der Beschreibung und Systematisierung von Ursache-Wirkungszusammenhängen zwi­schen Gesellschaft und Umwelt, die mittels Indikatoren dargestellt werden“. [1]Weiterhin stellt das JKI in seinem Papier fest: „Eine weitere Strukturierung des Indikatoren-Systems erfolgt über Maßnahmenbereiche, für die entsprechende Zielstellungen zu formulieren sind. Folgende Maßnahmenbereiche werden betrachtet: landwirtschaftliche Produktion, menschliche Gesundheit, Grundwasser und Oberflächengewässer mit Gewässerorganismen, Boden mit Bodenlebewesen, terrestrische Biodiversität.“         [2]         Dieser Ansatz ist aus Sicht des IVA im Sinne der Rahmenrichtlinie nicht hinreichend. Aus Sicht des IVA ist das Konzept für die Zwecke des Nationalen Aktionsplans konsequent weiter zu fassen, d.h. dass das DPSIR-Konzept der Systematisierung von Ursache-Wirkungszusammenhängen zwischen der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und Umwelt, Landwirtschaft und Gesellschaft dient.

Unabhängig von der Systematisierung fordert der IVA, dass für Indikatoren, die im Rahmen des Nationalen Aktionsplans verwendet werden sollen, folgende Kriterien gelten müssen:

Relevanz

Ein Indikator ist für den Nationalen Aktionsplan nur dann relevant, wenn ein hin­reichend eindeutiger Bezug zu der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und der damit verbundenen Risiken und Nutzen besteht. 

Realisierbarkeit

Indikatoren müssen nicht nur theoretisch ableitbar, sondern auch praktisch rea­lisierbar sein. Dazu sind vor allem eine geeignete Datengrundlage und hinrei­chende Datenverfügbarkeit unerlässlich. Die Kosten der Indikatorenentwicklung sind ebenfalls in die Überlegungen einzubeziehen. 

Vergleichbarkeit

Indikatoren müssen über Raum und Zeit vergleichbare Indikatorenwerte liefern. Sie sollten für die gewählte räumliche und zeitliche Bezugseinheit repräsenta­tive Indikatorenwerte liefern. 

Verständlichkeit

Indikatoren sollten leicht verständlich sein.

 

4 Die Forderungen des IVA

Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Anforderungen an Indikatoren für den Nationalen Aktionsplan fordert der IVA:

1.  Der Nutzen des chemischen Pflanzenschutzes ist adäquat im Indikatorensatz abzubilden.

2.  Der deutsche Pflanzenschutzindex (PIX) ist so auszugestalten, dass er als Instru­ment zur Bereitstellung ausgewogener Information über den Nutzen und die Risiken des chemischen Pflanzenschutzes geeignet ist.

3.  Alle Indikatoren des Nationalen Aktionsplans müssen hohen Ansprüchen an ihre Relevanz, Realisierbarkeit, Vergleichbarkeit und Verständlichkeit genügen.

4.  Der Nationale Aktionsplan muss maßnahmenbezogene Indikatoren enthalten.

5.  Die Notwendigkeit eines eigenen nationalen Risikoindikators ist kritisch zu evalu­ieren.

6.  Die Möglichkeiten und Grenzen von Behandlungsindex und notwendigem Maß sind im Aktionsplan klar zu beschreiben. Für alle Produktionsformen sind die gleichen Maßstäbe anzulegen.

 

4.1 Nutzen des chemischen Pflanzenschutzes adäquat berücksichtigen

Wie in den Abschnitten 2.1 und 2.2 dargelegt wurde, sieht die Rahmenrichtlinie die Berücksichtigung des Nutzens von Pflanzenschutzmitteln explizit vor. Zum einen gehört es unzweifelhaft zum Gebot einer ausgewogenen Information gemäß Artikel 7 der Rahmenrichtlinie, den unbestrittenen Nutzen, den der Einsatz chemischer Pflan­zenschutzmittel stiftet, im Indikatorensatz hinreichend abzubilden. [3]

Zum anderen können Maßnahmen der Risikoreduktion der Anwendung von Pflanzen­schutzmitteln zu ungewollten ökologischen, ökonomischen und sozialen Effekten in anderen Bereichen führen, also zu einem Nutzenverlust. Es ist geboten, solche Ziel­konflikte nicht hinter einer unausgewogenen, einseitigen Auswahl von Indikatoren zu verstecken, sondern mögliche Zielkonflikte klar durch die Auswahl von Indikatoren zu dokumentieren.

Aus Sicht des IVA ist der Indikatorensatz des Nationalen Aktionsplans im Hinblick auf die adäquate Berücksichtigung des Nutzens des chemischen Pflanzenschutzes noch stark ergänzungsbedürftig. Der IVA hat hierzu erste notwendige, aber sicher noch nicht hinreichende Vorschläge in einem Positionspapier zu Ertrags- und Effizienzindikatoren gemacht. [4] Weitere Nutzenindikatoren sind beispielsweise denkbar im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, wo der Messung der Überschreitungsquote von Rückstandshöchstgehalten von Pflanzenschutzmitteln die Belastung mit anderen, u.U. durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu vermindernden Kontaminanten gegenübergestellt werden könnte.

 

4.2 PIX als Instrument ausgewogener Information ausgestalten

Der Deutsche Pflanzenschutzindex (PIX) soll Indikatorenwerte aus verschiedenen Bereichen zusammenführen, ohne sie zu aggregieren. Der PIX wird damit zum Instru­ment der Politikberatung und zu einer Grundlage der Politikgestaltung. Er ermöglicht es weiterhin einer breiten Öffentlichkeit, sich schnell und komprimiert über Trends der nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zu informieren. Deshalb sind hohe Anforderungen an den Informationsgehalt des PIX zu stellen. Der IVA unterstützt den PIX grundsätzlich, hält ihn aber in seiner heutigen Form für einseitig und unvoll­ständig. Es muss gewährleistet werden, dass auch die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Risiken eines verminderten Einsatzes von chemischen Pflanzen­schutzmitteln adäquat in den PIX Eingang finden. Erst auf dieser Grundlage ergibt sich ein politisch entscheidungsrelevanter Überblick. 

Konkret schlagen wir vor, dass der PIX grundsätzlich nach folgendem Muster aufge­baut wird:

 

 

Deutscher Pflanzenschutzindex

 

Risikoindikatoren

Nutzenindikatoren

1. Bereich Umwelt

 

 

2. Bereich Ökonomie

 

 

3. Bereich Soziales

 

 

 

Dieser Aufbau stellt zum einen sicher, dass alle nachhaltigkeitsrelevanten Komponen­ten (Umwelt, Ökonomie, Soziales) berücksichtigt werden, zum anderen wird der Tatsa­che Rechnung getragen, dass mit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln für jeden dieser Bereiche sowohl spezifische Risiken als auch spezifische Nutzenaspekte ein­hergehen.

 

4.3 Relevanz, Machbarkeit, Vergleichbarkeit und Verständlichkeit sind unverzichtbar

In Kapitel 3 wurden als zentrale Anforderungen an Indikatoren Relevanz, Machbarkeit, Vergleichbarkeit und Verständlichkeit vorgestellt. Aus Sicht des IVA erfüllen viele der bisher vorgeschlagenen Indikatoren diese Anforderungen nicht. Wir regen deshalb an, jeden der bisher angedachten Indikatoren auf diese Merkmale hin zu überprüfen. 

Besonders wichtig erscheint uns die Überprüfung der Relevanz von Indikatoren. In vielen Fällen ist der Zusammenhang mit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln aus Sicht des IVA derart schwach ausgeprägt, dass sich eine Verwendung des Indi­kators verbietet. Als Beispiel sei hier der Indikator „High Nature Value Farmland“ genannt, bei dem nicht ersichtlich wird, dass ein konkreter Zusammenhang mit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln besteht.

 

4.4 Erfolgsmessung von Maßnahmen ist notwendig

In den bisherigen Diskussionen haben Indikatoren, mit denen die Implementierung bzw. die Inanspruchnahme der einzelnen Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans gemessen werden können, kaum eine Rolle gespielt. Dies ist aus Sicht des IVA ein erheblicher Mangel. Der Grad der tatsächlich erreichten Inanspruchnahme oder der tatsächlichen Implementierung einer Maßnahme ist ein zentraler Bestandteil für die Fortschreibung der Nationalen Aktionspläne. Wenn beispielsweise mit Unterstützung des BMELV eine Internetplattform zur Information über den Pflanzenschutz eingerich­tet würde, so wäre ein Indikator zur Nutzung dieses Angebotes zu erarbeiten. Der IVA fordert, dass alle Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans mit messbaren Kriterien / Messgrößen versehen werden müssen!

 

4.5 Brauchen wir einen eigenen nationalen Risikoindikator?

Die Rahmenrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, harmonisierte europäische Risi­koindikatoren zu berechnen. Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Entwicklung nationalstaatlicher Risikoindikatoren besteht nicht. Nationale Risikoindikatoren können allerdings parallel entwickelt und berechnet werden.

In Deutschland ist der Risikoindikator SYNOPS eingeführt worden. SYNOPS bewertet synoptisch, d.h. in einer vergleichenden Darstellung, das Risikopotential der Anwen­dung von Pflanzenschutzmitteln. Dabei wird das ermittelte Risikopotential der Wirk­stoffe verknüpft mit Daten über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die diese Wirkstoffe enthalten. Die Daten stammen aus den NEPTUN-Erhebungen.

SYNOPS basiert auf einem extrem vereinfachten Expositionsmodell sowie auf eben­falls sehr einfachen (akuten) ökotoxikologischen Endpunkten. Damit ist zwar eine gute Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit der erforderlichen Daten für eine Vielzahl von Wirk­stoffen gegeben, die Charakterisierung des Risikos ist jedoch extrem konservativ und vernachlässigt sowohl spezielle Umwelteinflüsse, als auch gegebenenfalls erforderli­che und vorgeschriebene Risikominderungsmaßnahmen.

Im Nationalen Aktionsplan heißt es: „Risikoindikatoren zeigen die Eintrittswahrschein­lichkeit der Gefährdung (das Risiko) verschiedener Kompartimente des Naturhaushal­tes (z. B. Boden, Wasser) durch chemischen Pflanzenschutz an, nicht jedoch eine tat­sächliche Belastung mit Pflanzenschutzmitteln oder mögliche konkrete Auswirkungen ihrer Anwendung.“ (NAP, S. 25) Dies schließt die Anwendung von SYNOPS für Zieler­reichungs- oder Ergebnisprüfungen des Nationalen Aktionsplans aus. SYNOPS ist aber, wie Modelle überhaupt, sinnvoll und notwendig, um Voraussagen zu treffen. Als modellbasierter Indikator, der auf einem Worst-Case-Szenario beruht, kann SYNOPS Hinweise auf potentielle Risiken geben und sollte daher als aggregiertes Mittel ange­sehen werden, um den Trend des potentiellen Risikos aufzuzeigen. Eine andere Nut­zung ist aus Sicht des IVA nicht vertretbar.

Eine SYNOPS-basierte Analyse kann lediglich Ausgangspunkt für genauere Unter­suchungen unter Zuhilfenahme verbesserter Modelle, weiterer Indikatoren oder auch Messungen sein. Dabei sind dann auch höherstufige Studienergebnisse, verschiedene Risikominderungsmaßnahmen und der reale Pflanzenschutzmitteleinsatz angemessen zu berücksichtigen.

Schließlich wird über SYNOPS bisher ausschließlich das Risikopotential für die Umwelt gemessen. Risikopotentiale für Anwender und Verbraucher können zurzeit nicht abge­bildet werden. Hier unterstützt der IVA die vom JKI geäußerte Absicht, SYNOPS in diese Richtung weiter zu entwickeln.

Grundsätzlich bleibt aber die Frage zu stellen, ob nicht das JKI seine unzweifelhaft große Erfahrung und Kompetenz bei der Entwicklung von Risikoindikatoren gezielt in den Dienst der Entwicklung von harmonisierten europäischen Risikoindikatoren stellen sollte.

  

4.6 Notwendiges Maß und Behandlungsindex: Klare Aussagen über Möglichkeiten und Grenzen erforderlich  

„Das notwendige Maß bei der Anwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln beschreibt die Intensität der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die notwendig ist, um den Anbau der Kulturpflanzen, besonders vor dem Hintergrund der Wirtschaftlich­keit, zu sichern. Dabei wird vorausgesetzt, dass alle anderen praktikablen Möglichkei­ten zur Abwehr und Bekämpfung von Schadorganismen ausgeschöpft und die Belange des Verbraucher- und Umweltschutzes sowie des Anwenderschutzes ausreichend berücksichtigt werden.“ (NAP 2008, S. 9) Diese Definition des notwendigen Maßes wird vom IVA unterstützt, weil sie situationsbezogen bleibt, die wirtschaftliche Nachhal­tigkeit der Produktion mit in die Überlegungen einbezieht und alle anderen, nicht-che­mischen Möglichkeiten an ihrer Praktikabilität misst. 

Für die Ermittlung der Intensität des Pflanzenschutzmitteleinsatzes ist im Nationalen Aktionsplan die Verwendung des Behandlungsindexes [5] vorgesehen. Der Behandlungs­index ist keine Maßzahl, mit der sich das mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verbundene Risiko beschreiben ließe, da konkrete Wirkstoffeigenschaften und kon­krete Anwendungsbedingungen (z. B. Abstände, angewandte Spritztechnologie, etc.) nicht in die Betrachtung einfließen. Im nationalen Aktionsplan 2008 wird in diesem Zusammenhang völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass Verringerungen der Intensität der Anwendung von Pflanzen­schutzmitteln, gemessen am Be­handlungsindex, letztlich nicht zu höheren Risiken für Mensch, Tier und Naturhaushalt, aber auch für die Kulturpflanzen führen dürfen (NAP S. 24). Am Behandlungs­index gemessene Zielsetzungen zur Reduktion von Risiken sind sachlich falsch. Der IVA lehnt sol­che Zielsetzungen deshalb ab.  

Im Nationalen Aktionsplan wird dargelegt, dass sich durch die Verteilung der Behand­lungsindices für eine Kultur, einen Betrieb oder eine Region eine Annäherung an das notwendige Maß des Pflanzenschutzmitteleinsatzes finden ließe. Die Ausführungen legen nahe, dass die Intensitäten des Pflanzenschutzmitteleinsatzes normalverteilt seien und dass es einen Bereich zu hoher Intensität gebe, den man beschränken müsse.

Der IVA hält es aus folgenden Gründen für dringend geboten, bei der Interpretation von Werten und Verteilungen die notwendige Vorsicht walten zu lassen: Das notwendige Maß, und dies erkennt der Nationale Aktionsplan an, lässt sich nicht starr festlegen. Es variiert beispielsweise in Abhängigkeit von den natürlichen Standortbedingungen, Wit­terungseinflüssen oder wirtschaftlichen Nachhaltigkeitsfaktoren. Das notwendige Maß ist also keine starre, sondern eine flexible Größe. Problematisch ist aus Sicht des IVA die Vermutung, dass es einen Intensitätsbereich gebe, der per se zu hoch und deshalb zu beschränken sei. Dies ist nur eine von mehreren möglichen Interpretationen: Hohe Intensitäten des Pflanzenschutzmitteleinsatzes können auch durch besondere, nur für Einzelfälle zutreffende Probleme verursacht worden sein. Hier kann eine höhere Inten­sität des Pflanzenschutzmitteleinsatzes durchaus dem notwendigen Maß entsprechen.

Andererseits implizieren die Aussagen des nationalen Aktionsplans, dass ein sehr niedriger Behandlungsindex, d.h. eine sehr niedrige Intensität des Pflanzenschutz­mitteleinsatzes, ein grundsätzlich erstrebenswerter und deshalb zu fördernder Zustand sei. Auch diese Annahme hält einer Betrachtung in der landwirtschaftlichen Praxis nicht stand. Vor allem weist der IVA darauf hin, dass zu geringe Intensitäten im chemischen Pflanzenschutz zu Resistenzen führen können. Vor dem Hintergrund eines sowieso schon sehr engen Wirkstoffspektrums kann dann nicht mehr von einem nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gesprochen werden.

 

Frankfurt am Main, Juni 2011

 

 


[1] JKI Institut für Strategien und Folgenabschätzung: Zusammenstellung möglicher Indikatoren für den Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. S. 4.

[2] JKI Institut für Strategien und Folgenabschätzung: a.a.O., S. 3.

[3] Siehe hierzu auch: Gemeinsames Positionspapier der DLG, der Georg-August-Universität Göttingen, der FNL, des JKI, des IVA, der Justus-Liebig Universität Gießen, der DPG, der Agravis: Nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, hier: Indikatoren zur Messung des Nutzens von Pflanzenschutzmitteln vom 09.06.11.

[4] Vgl. Nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Ertrags- und Effizienzindikatoren. Eine Position des Industrieverbands Agrar e. V., Frankfurt, Mai 2011

[5] Der Behandlungsindex stellt die Anzahl von Pflanzenschutzmittel-Anwendungen auf einer betrieblichen Fläche, in einer Kultur oder in einem Betrieb unter Berücksichtigung von reduzierten Aufwandmengen und Teilflächenbehandlungen dar, wobei bei Tankmischungen jedes Pflanzenschutzmittel gesondert zählt.“ (NAP, S. 23).

 

 

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