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Weizen ist neben Reis die wichtigste Nahrungspflanze weltweit. Foto Bayer CropScience
13.12.2012
Umwelt & Verbraucher

Weizenanbau: Erträge stagnieren, Bedarf wächst

Verstärktes Engagement in Forschung und Züchtung erforderlich

Seit rund 15 Jahren treten die Weizenerträge in Deutschland und in vielen anderen Anbauregionen auf der Stelle. Dabei wächst der weltweite Bedarf stetig. Setzt sich diese Entwicklung fort, drohen Versorgungsengpässe. Woher der Stillstand kommt und wie der Weizenanbau fit für die Zukunft gemacht werden kann, erklärt Günter Welz vom Europäischen Weizenzuchtzentrum der Bayer CropScience AG in Gatersleben (Sachsen-Anhalt).

Herr Welz, wie haben sich die Weizenerträge in den letzten Jahren entwickelt?

In den letzten 40 Jahren wuchsen die Erntemengen pro Hektar jährlich um rund eine Dezitonne. Doch in den letzten 15 Jahren hat sich die Ertragskurve abgeflacht. Momentan liegen die Erträge in Deutschland konstant bei 7,5 Tonnen. Ob wir über- oder unterdurchschnittliche Ernten erzielen, hängt maßgeblich von der Witterung ab. Die Ertragsstagnation ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern zu beobachten.  

Wieso sind die Weizenerträge für uns so wichtig?

Weizen und Reis sind die wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit. Die Erdbevölkerung wächst und benötigt immer höhere Mengen. Momentan steigt die Nachfrage nach Weizen jährlich um rund 1,5 bis zwei Prozent. Die Reserven in den Lägern schrumpfen, und die Preisausschläge an den Börsen werden größer.  

Können Sie uns Gründe für den Stillstand bei der Ertragsentwicklung nennen?

Zum einen ist in manchen Regionen der Weizenanteil in den Fruchtfolgen gestiegen, häufig wird Weizen nach Weizen angebaut. Das fördert beispielsweise bodenbürtige Krankheiten und Problemunkräuter, die oft nur unzureichend bekämpft werden können. Dadurch sinken die Erträge. Auch wurde und wird Weizen durch andere Kulturen wie Mais zunehmend auf schlechtere Böden verdrängt. Der Klimawandel betrifft uns in Mitteleuropa zwar weniger, aber er beeinträchtigt bereits den Anbau in südlichen Ländern. Entscheidender Faktor ist die Züchtung. 

Welche Rolle spielt die Züchtung?

Wenn ein Züchter an neuen Weizensorten arbeitet, achtet er nicht nur auf Ertrag und Anbaueigenschaften. Die ideale Weizensorte muss gleichzeitig eine gute Mahl- und Backqualität aufweisen und tolerant gegenüber Kälte und Hitze sein. Wir im Europäischen Weizenzuchtzentrum suchen unter anderem nach Pflanzen, die gut mit Trockenheit zurechtkommen sowie Stickstoff- und Phosphordünger sehr effizient verwerten. Neue Sorten sollen gegen Pilzkrankheiten wie zum Beispiel Ährenfusarium resistent sein. All diese Anforderungen zwingen den Züchter, scharf zu selektieren. Viele ertragreiche Stämme bleiben auf der Strecke, weil sie bestimmte Kriterien nicht erfüllen.  

Gelten die hohen Anforderungen an neue Sorten nicht auch für Zuckerrüben, Raps und Mais? Diese Kulturen haben in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht.

Ja, das ist richtig. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass bei diesen Kulturen viel mehr Geld in die Züchtung investiert wird. Bei Mais beispielsweise weltweit 20-mal mehr als bei Weizen. Entsprechend schneller können sich Erfolge einstellen.  

Warum steht den Weizenzüchtern weniger Geld für Innovation zur Verfügung?

In vielen Ländern wird Weizen nachgebaut, das heißt ein Teil der Ernte wird im Herbst ausgesät. Über 50 Prozent des Saatguts in Deutschland ist Nachbausaatgut. Daran verdienen die Züchter nichts, also können sie auch weniger in Innovationen investieren. Bei den Hybridsorten von Zuckerrüben, Mais und Raps dagegen findet jedes Jahr ein Saatgutwechsel statt, weil der sogenannte Heterosiseffekt mit jeder Folgegeneration stark abnimmt. Ein Nachbau wäre unwirtschaftlich.  

Wo muss nach Ihrer Meinung der Hebel angesetzt werden, um die Erträge wieder zu verbessern?

Mit Weizenzüchtung muss Geld zu verdienen sein, damit mehr in die molekulare Züchtung und in die Sortenentwicklung fließen kann. Die Züchter müssen mehr und höherwertiges Saatgut verkaufen können. Ein Hoffnungsträger sind Hybridweizensorten, die aufgrund der Heterosiseffekte deutlich ertragsstabiler sind. Ihre Produktion ist allerdings momentan noch zu teuer. Genombasierte Selektionstechniken könnten auch im Weizen eingesetzt werden. Die technischen Voraussetzungen sind gegeben, aber ihr Einsatz ist kostspielig. Zweifellos könnten auch gentechnische Verfahren die Züchtung beschleunigen, doch das ist zumindest in Europa politisch nicht gewollt. Möglicherweise können die Anforderungen des Bundessortenamts oder der Mühlen an den Rohproteingehalt eines „A-Qualitätsweizens“ angesichts des technischen Fortschritts in der Backwarenindustrie gesenkt werden. Ein wichtiger Hebel ist letztlich der Pflanzenschutz. Um die genetisch möglichen Erträge abzusichern, braucht die Landwirtschaft ein möglichst lückenloses Mittelsortiment. Hier ist die Industrie gefordert. Aber auch die Politik, die die Auflagen für neue Mittel mit Augenmaß festlegen sollte.

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