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Die Getreideernte wird 2010 deutlich geringer ausfallen als in Normaljahren. Spekulationen könnten die Preise zusätzlich nach oben treiben. Quelle: Matthias Wiedenau
29.07.2010
Umwelt & Verbraucher

Hitze stresst die Pflanzen und treibt die Lebensmittelpreise

Sorgenvoll sind Acker- und Milchbauern, noch gelassen die Obst- und Weinerzeuger

Hitze und vielerorts viel zu wenig Regen – das Sommerwetter setzt unseren Kulturpflanzen in diesem Jahr kräftig zu. Die Auswirkungen sind unterschiedlich. Während bei vielen Ackerkulturen Ertragseinbußen drohen, verkraften tief wurzelnde Obstbäume und Reben die Situation noch gut. Ob und wie stark die Preise für Lebensmittel steigen, hängt von der Witterung in den nächsten Wochen, den Erträgen im europäischen Ausland und den Spekulationen an den Märkten ab.

Acht Prozent weniger Getreide

Die Großwetterlage am Siebenschläfertag (27. Juni) hat die Witterungstendenzen der kommenden Wochen vorgezeichnet. Fast überall in Deutschland gab und gibt es viel Sonne, ungewöhnlich viele heiße Tage und wochenlange Trockenheit. Nach dem kühlen Frühjahr reifte das Getreide in Rekordzeit ab. Vielerorts zu schnell: Die Hitze hat die zuvor grasgrünen Bestände regelrecht abgebrannt. Der Deutsche Raiffeisenverband rechnet daher mit deutlichen Ertragseinbußen von circa acht Prozent, besonders auf sandigen Böden. Weniger betroffen sind lehmige Standorte, die die Frühjahrsniederschläge wie ein Schwamm gespeichert haben und das Wasser über eine lange Zeit an die Pflanzen abgeben. Dass Verbraucher deshalb für Brot tiefer in die Tasche greifen müssen, ist eher unwahrscheinlich. Die Preise für Weizen sind seit dem Frühjahr zwar um 30 Prozent gestiegen und könnten durch Marktspekulationen noch weiter in die Höhe getrieben werden. Aber die Lagerhäuser sind gut gefüllt und der Getreideanteil macht gerade einmal vier Prozent am Brotpreis aus.

Futtermangel droht

Je länger die Trockenheit anhält, desto tiefer werden die Sorgenfalten bei Milchviehhaltern. Auf den Wiesen und Weiden wächst nur noch wenig Gras in schlechter Qualität nach. Mais, der Kühen und Biogasanlagen als Futter dient, ist deutlich kleiner als in den Vorjahren. Doch hier keimt Hoffnung: Wenn zum Rispenschieben und zur Kolbenbildung ab Ende Juli genügend Regen fällt, kann die Maisernte doch noch zufriedenstellend ausfallen.

Schwächeparasiten bedrohen Kartoffeln

Kartoffeln machen Hobbygärtnern in diesem Jahr nur wenig Freude. Wenige, kleine Knollen sind die dürftige Ausbeute. Ohne Beregnung läuft bei den Profianbauern gar nichts. Die aber treibt die Kosten in die Höhe. Eine Beregnungsanlage verschlingt pro Tag rund zweihundert Euro alleine für den Strom. Der Rohstoff für Pommes Frites wird also teurer. Liebhaber der goldgelben Stäbchen müssen sich auf steigende Preise einstellen. Kaum Probleme macht in diesem Jahr die bedeutendste Kartoffelkrankheit, die Kraut- und Knollenfäule. Ihr käme feuchtes Wetter entgegen. Dafür warnen Experten vor Alternaria. Der Schwächeparasit befällt gestresste Kartoffelpflanzen. Die Bekämpfung mit Fungiziden verspricht Erfolg. Die hochsommerlichen Temperaturen fördern noch ein weiteres Übel: Massenvermehrungen von Insekten. Die Wärme ermöglicht besonders kurze Entwicklungszyklen. Die Kartoffelpflanzen sollten deshalb ständig kontrolliert werden. Wenn mehr als 500 Läuse je 100 Fiederblätter zu finden sind, ist die wirtschaftliche Schadschwelle erreicht und die Bekämpfung angebracht. Zuckerrüben sind bereits vielfach von Gammaeulen befallen. Die Raupen dieser Eulenfalter fressen Löcher in die Blätter und lassen im Extremfall nur noch das Blattgerippe übrig.

Gute Ernte bei Sommerobst

Äpfel, Birnen und Pflaumen gedeihen bislang problemlos. Die Bäume durchwurzeln den Boden sehr tief und können deswegen auch einige Wochen Trockenheit gut überstehen. Ebenso ist es bei Reben. Mit ihren tief reichenden Wurzeln sind sie weniger anfällig als zum Beispiel Erdbeeren. Sonnenbrand ist auch für Pflanzen gefährlich: Weintrauben können sich bei starker Sonneneinstrahlung – besonders dort, wo zuvor stark entlaubt wurde – innerlich zu sehr aufheizen. Dann bildet sich Schorf auf der Haut, die Beeren trocknen ein und fallen ab. Sonnengestresste Reben sind auch besonders pilzanfällig. Wenn die Hitze die für unsere Weinregionen typische lange Reifezeit der Trauben am Stock deutlich verkürzt, ist das von Vorteil: Bleiben die Trauben gesund, profitieren Winzer und Weinfreunde von guten Qualitäten.

Die Hitze zeigt, dass Landwirtschaft auch heute noch ein „Geschäft unter freiem Himmel“ ist. Nichts ist planbar: weder die Erntemengen, noch die Qualitäten und erst recht nicht die Erzeuger- und Verbraucherpreise.