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Die Goldulme, die nur auf frischen bis feuchten, nährstoffreichen, tiefgründigen Böden zufriedenstellend gedeiht. Quelle: Prof. Dr. Hartmut Balder
12.12.2006
Umwelt & Verbraucher

Die Ulme – Opfer von Pilzen und Käfern

Pflanzenschutzprobleme an Bäumen werden im Allgemeinen weniger beachtet als bei Nahrungspflanzen. Das Ulmensterben lässt aber aufhorchen.

Ein Welkepilz hat es geschafft, unsere heimischen Ulmen weitgehend auszurotten. Und das erstmals Anfang des vorigen Jahrhunderts. Bei seiner Verbreitung kann der Pilz vor allem auf die Schützenhilfe der Großen und Kleinen Ulmensplintkäfer bauen. Offenbar lockt er die Käfer verstärkt an, indem er die Bäume zwingt, bestimmte Lockstoffe zu produzieren. Die Käfer können die Pilzsporen in einem Umkreis von 10 Kilometern auf den Ulmen ablegen. Befallene Bäume sterben in der Regel vollständig ab. Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung scheitern an der schwierigen Applikationstechnik. Die Resistenzzüchtung ist langwierig und eher noch von Hoffnungen geprägt. So bleibt nur das Roden der Bäume. Das Ulmensterben ist nur ein Beispiel für weltweite Seuchenzüge mit gravierenden ökologischen und ökonomischen Folgen, so Prof. Hartmut Balder, TFH Berlin, und weist auf die Notwendigkeit einer kontinuierlichen gehölzpathologischen Forschung hin.

Das Holz der Ulme, auch als Rüster bekannt, ist seit mehreren Jahrhunderten in der Möbelindustrie sehr begehrt. Es ist ein schweres, sehr festes Holz, u. a. für Furniere und Parkettböden. Das Splintholz ist gelbweiß, das Kernholz hell- bis dunkelbraun. Vor allem aber ist die Ulme mit ihren „schiefen“, d. h. unsymmetrischen, scharf gesägten Blättern als Bestandteil von Windschutzstreifen in der Landwirtschaft wertvoll. Eine gute Figur macht der Baum sowohl in Gärten und Parkanlagen als auch als Straßenbaum.

Ein Welkepilz zieht um die Welt

Unter den pflanzenschädlichen Pilzen zählen die Welkepilze zu den übelsten. Sie dringen in die Gefäßbahnen der Pflanzen ein und verstopfen sie. Das Wasser kann nicht mehr fließen. Es kommt ganz plötzlich zu Welkeerscheinungen mit Blattfall. So sterben bei den Ulmen zunächst einzelne Zweige, Teile der Krone und in der Folge ganze Bäume ab.

Der Erreger dieses Ulmensterbens heißt Ophiostoma ulmi. Er wurde wahrscheinlich 1910 mit Verpackungsmaterialien von chinesischen Arbeitern nach Holland eingeschleppt. Man spricht deshalb auch von der Holländischen Ulmenkrankheit. Sie breitete sich weiter in Nordwesteuropa aus, erreichte einige Jahre später England und 1930 Nordamerika. Die dort heimischen Weiß- und Felsenulmen wurden lokal vollständig ausgerottet.

Ursprünglich war der Kurfürstendamm eine Ulmenallee

In Europa klang die Epidemie zwar nach dem 2. Weltkrieg ab, aber Ende der 60er Jahre kehrte eine neue aggressive Rasse des Pilzes aus den USA nach Westeuropa zurück. Innerhalb weniger Monate starben viele der Ulmen, die bis dahin überlebt hatten. Insbesondere im Stadtgrün wurde die Ulme als Park- und Straßenbaum nahezu vollständig verdrängt. So gingen die Ulmen der Erstbepflanzung (1886) des Kurfürstendamms in Berlin durch Bismarck komplett ein. An ihre Stelle traten in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts Platanen, wie heutzutage sehr häufig. Aber auch sie werden bedroht, z. B. durch den international verbreiteten Platanenkrebs. Um auf die Krankheit der Ulme aufmerksam zu machen, wurde sie in Deutschland zum Baum des Jahres 1992 gewählt.

Käfer – die fliegenden Helfer

Der Welkepilz kann sich von befallenen Bäumen unterirdisch auf andere verbreiten. Über ihre Wurzelverwachsungen gelangt er in die Wasserleitungsbahnen. Hauptsächlich sind es jedoch die Großen und Kleinen Ulmensplintkäfer Scolytus spec., die den Pilz übertragen. Als Rindenbrüter verschafft sich der Käfer Eingang in die Rinde, vornehmlich von Ulmen und legt in einem „Muttergang“ seine Eier ab. Die schlüpfenden Larven legen Fraßgänge an. Aus der Verpuppung befreit sich der Jungkäfer und nagt dann sein Ausflugsloch in die Rinde. An seinem Körper nimmt er die Pilzsporen aus den Gängen mit: bis zu 300 000 je Käfer. Er lässt sich in den Zweigachseln gesunder Ulmen für seinen Reifungsfraß nieder und ebnet damit den Sporen den Weg in das Splintholz. Dort keimen sie in den Wasserleitungsgefäßen. Hefeartige Sprosszellen werden schnell in die obere Baumkrone transportiert. Gleichzeitig bildet der Pilz Pathotoxine, die sich schädlich auf ihren pflanzlichen Wirt auswirken. Das Welken nimmt seinen Lauf. Schneidet man die Zweige oder Äste längs oder quer auf, erkennt man Verbräunungen im Bereich der Gefäße.

Der Parasit manipuliert Pflanze

Man weiß es seit langem: Die Ulme sendet Lockstoffe aus - ständig mehr bei zunehmenden Verletzungen - von denen die Käfer angelockt werden. Neu ist, dass offenbar Pilze die Ulme zwingen, solche Duftstoffe zu produzieren. Das haben jedenfalls Wissenschaftler* bei der amerikanischen Ulme entdeckt und nachgewiesen, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.3.2006. Sie isolierten aus dem Holz abgestorbener Ulmen ein breites Spektrum von Duftstoffen. Nur einer von ihnen mit Lockwirkung, der mitunter auch von gesunden Ulmen verbreitet wird. Drei weitere Stoffe (Sesquiterpene) kommen nur an kranken Ulmen vor. Da diese Stoffe nicht von den Pilzfäden stammen, ist für die Wissenschaftler klar: Der Parasit selbst zwingt die Bäume, die Stoffe zu produzieren, um noch mehr Ulmensplintkäfer mit Sporen anzulocken.

*Wissenschaftler um Geoff McLeod von der Simon Fraser University in Burnaby (British Columbia) und Stephan von Reuß von der Uni Hamburg