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Goldgelbe Vergilbung bei der Sorte Pinot Noir. Foto: Santiago Schaerer, Agroscope Changins-Wädenswil
24.10.2013
Umwelt & Verbraucher

Die Amerikanische Zikade überträgt die Goldgelbe Vergilbung von Rebe zu Rebe

Das unscheinbare Insekt gefährdet europäische Rebstöcke

Nach Untersuchungen der vergangenen Jahre breitet sich die wärmeliebende Amerikanische Rebzikade von Südeuropa nach Norden aus. Auch die Winzer hierzulande fürchten das winzige Tierchen. Scaphoideus titanus lebt ausschließlich auf Rebstöcken und saugt dort am Pflanzensaft. Sie ist bisher das einzige bekannte Insekt, das dabei die „Goldgelbe Vergilbungskrankheit“ (Flavescence dorée) von Rebe zu Rebe übertragen kann. Diese meldepflichtige Quarantänekrankheit kann ganze Weinstöcke in kurzer Zeit zum Absterben bringen. Die Erreger sind zellwandlose Bakterien, sogenannte Phytoplasmen. Pflanzenschutzmittel können zwar nicht die Erreger, aber die geflügelten Überträger wirksam reduzieren und die Verbreitung der Krankheit eindämmen.

Entwicklungszyklus: Mit dem Schädling durchs Jahr

Im Herbst legt das Zikadenweibchen zehn bis zwölf Eier unter die Rinde der Reben. Diese überwintern und sind frei von dem Erreger der Flavescence dorée. Die Larven schlüpfen Ende Mai bis Anfang Juni. Sie sitzen meist auf der Blattunterseite der Triebe und durchleben fünf Larvenstadien: Das erste ist weiß, während ältere Larven zuerst gelb und später braun gefärbt sind. Ab dem dritten Stadium können die Larven beim Saugen die krankheitserregenden Phytoplasmen aufnehmen. Diese vermehren sich im Darm und wandern nach etwa drei Wochen in die Speicheldrüse. Von da an kann die Zikade das Virus übertragen. Einmal infiziert bleibt sie zeitlebens Krankheitsüberträger. Ab Juli sind die Zikaden etwa sechs Millimeter lang und erwachsen. Die flugaktiven Insekten können große Entfernungen zurücklegen und so die Goldgelbe Vergilbung rasch verbreiten. Damit sie sich ausbreiten kann, müssen entweder infizierte Rebstöcke vorhanden sein oder infizierte Zikaden zufliegen. 

Diagnose: Gefährliche Vergilbung

Phytoplasmen lösen in den befallenen Weinreben starke Stoffwechselstörungen aus. Die Symptome sind denen der Schwarzholzkrankheit (Bois noir) ähnlich. Nahezu alle Pflanzenteile zeigen krankhafte Veränderungen: An den Blättern tritt im Sommer eine frühzeitige Herbstfärbung auf – bei Weißweinsorten sind die Blätter vergilbt, bei Rotweinsorten tiefdunkelrot. Außerdem sind sie spröde und brüchig, die Ränder rollen sich nach unten und zuletzt färben sie sich braun und fallen ab. Die Triebe verholzen schlecht und sind im Winter gummiartig und färben sich schwarz. Viele Beeren besitzen keine Kerne, werden graubraun, bleiben sauer und schmecken bitter. Häufig vertrocknen die Früchte und die Blütenstände und fallen ab. 

Bekämpfung: Reben vernichten und Überträger bekämpfen

Um die Ausbreitung der Goldgelben Vergilbung zu verhindern, müssen  Winzer die infizierten Reben samt Wurzeln rasch entfernen und vernichten. Zurückschneiden allein rettet die Pflanzen nicht. Auch die Waldrebe (Clematis vitalba) kann Wirtspflanze der Phytoplasmen sein. Daher ist es ratsam, diese nicht in der Nähe von Weingärten zu dulden, sondern sie mit wurzeltief wirkenden Herbiziden zu entfernen. Pflanzenschutzmittel gegen die Erreger gibt es nicht. Deshalb muss stattdessen der Überträger bekämpft werden: Da die Amerikanische Rebzikade an Wein gebunden ist und oberirdisch lebt, ist sie mit zugelassenen Insektiziden gut zu behandeln. In Frankreich und Italien sind mittlerweile pro Jahr zwei bis drei Anwendungen gegen Larven und adulte Zikaden vorgeschrieben. Außerdem bringen die Winzer Paraffinöl am Rebstock aus. Dieses Öl bildet mit Wasser eine Emulsion, die sich wie ein Film über die Eier legt und die schlüpfenden Schädlinge erstickt. 

Prävention: Deutsche Winzer haben die Zikaden im Blick

Gesundes Rebmaterial anzupflanzen, schützt am besten gegen die Vergilbungskrankheit. Weinreben dürfen in der Europäischen Union nur mit einem Pflanzenpass gehandelt werden. Reben aus einem befallenen Anbaugebiet dürfen nicht nach Deutschland importiert werden. Wer Jungreben einführt, muss Pflanzenhygiene groß schreiben. In den letzten Jahren durchsuchen auch deutsche Winzer ihre Weinstöcke immer wieder nach der Amerikanischen Rebzikade. Besonders im Herbst kontrollieren sie die Reben auf Vergilbungssymptome. Bisher konnten sie zum Glück weder die Krankheit noch den Überträger finden. 

Verbreitung: Goldgelbe Vergilbungskrankheit auf Europareise

Die Amerikanische Rebzikade kommt ursprünglich aus Nordamerika, von wo sie in den Fünfziger-Jahren des vergangenen Jahrhunderts nach Frankreich gelangte. Seitdem tritt dort auch die Flavescence dorée auf. Sie ist heute in vielen französischen Weinbauregionen verbreitet. In Italien ist die Krankheit in den meisten nördlichen Regionen anzutreffen. In Spanien trat sie erstmals 1996 auf, gilt jedoch inzwischen als eingedämmt. In Serbien breitet sie sich seit 2002 aus. In der Schweiz tritt die Vergilbung seit 2004 und in Österreich seit 2009 auf. Die Amerikanische Zikade – ohne den Erreger im Gepäck – ist zudem in Nordspanien und Nordportugal, Kroatien, Serbien, Slowenien und Ungarn unterwegs.

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