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Die Kartoffel zählt mit einem pro Kopf-Verbrauch von 55,1 Kilogramm nach wie vor zu unseren Grundnahrungsmitteln. Foto: Rainer Sturm
01.10.2015
Schule & Wissen

Kartoffel: Karriere mit Höhen und Tiefen

Nach holprigem Start und rasantem Aufstieg stehen jetzt Convenience-Produkte im Mittelpunkt

Pommes frites, Kartoffelchips, Röstis, Reibekuchen, Püree oder Gnocchis – die Veredlungsprodukte aus Kartoffeln sind mittlerweile beliebter als Frischkartoffeln. Die Knollen sind nach wie vor ein Grundnahrungsmittel. Dabei hatten die ursprünglich aus den Anden stammenden Pflanzen einen schweren Start in Deutschland. Für Ernährungsbewusste ist die Kartoffel interessant, weil sie 80 Prozent Wasser enthält. Für Landwirte und Handel ist das jedoch eine Herausforderung, wenn sie nach monatelanger Lagerung noch Top-Qualitäten anbieten wollen.

Wissenswert

Am Kartoffelmarkt gibt es zwei große Trends. Einerseits sinkt der Gesamtabsatz in den letzen Jahrzehnten kontinuierlich, andererseits erhöht sich der Anteil von Veredlungsprodukten im Verhältnis zu Frischkartoffeln. Die Kartoffel zählt mit einem pro Kopf-Verbrauch von 55,1 Kilogramm im Jahr 2012/13 nach wie vor zu unseren Grundnahrungsmitteln. 1950 hatte sie mit 202 Kilogramm (Quelle Destatis) fast eine Monopolstellung. Dabei hatte die Kultur in Deutschland zunächst Probleme Fuß zu fassen. Fast schon legendär sind Maßnahmen Friedrichs des Großen, um die Kartoffel populär zu machen. Er ließ 1756 Kartoffelfelder von Soldaten bewachen, was die Neugier der Untertanen hervorrief. Zuvor war die von den Spaniern aus den Anden nach Europa eingeführte Kultur hauptsächlich als Zierpflanze in Botanischen Gärten zu finden gewesen. Als die Bauern den Wert der Kultur erkannt hatten, folgte eine steile Karriere bis hin zum Volksnahrungsmittel Nummer eins. Und das nicht nur in Deutschland. Diese einseitige Ausrichtung hatte auch negative Folgen: Aufgrund von Missernten starben zwischen 1845 und 1852 in Irland rund eine Million Menschen, weitere 1,5 Millionen Iren wanderten aus. Ursache war die Kraut- und Knollenfäule. Diese Pilzkrankheit, gegen die es damals noch keine wirkungsvollen Pflanzenschutzmittel gab, war auch im Winter 1916/17 für eine Hungersnot in Deutschland verantwortlich.

Für unsere Ernährung bietet die Kartoffel viele Vorzüge. In Zeiten knapper Versorgung war ihr Stärkegehalt besonders interessant. Der Körper kann sie nach dem Garen verdauen. Heute legen Ernährungswissenschaftler den Fokus eher auf das hochwertige Eiweiß sowie die Ballaststoffe, die sekundären Pflanzenstoffe und die Fettarmut. Kartoffeln enthalten unter anderem Vitamin B und C. Drei Knollen können bereits die Hälfte des täglichen Vitamin C-Bedarfs decken.

Die Pflanze zählt ebenso wie Tomate, Paprika oder Tabak zu den Nachtschattengewächsen. Typisch für diese Familie sind ihr Gehalt an Alkaloiden, so unter anderem Solanin. Das soll Bakterien und Insekten abwehren, ist in höheren Konzentrationen aber auch für Menschen schädlich. Grüne Kartoffelknollen sollten ebenso wie unreife Tomaten nicht verzehrt werden.

Aktuell sind über 200 Kartoffelsorten in Deutschland zugelassen. Für jede Verwertung gibt es Spezialsorten: fest- oder mehligkochende sowie frühe oder späte Speisekartoffeln, Kartoffeln für Pommes frites, Chips, Kroketten oder Püree, Stärkekartoffeln für Tiefkühlnahrungsmittel oder die Papierherstellung und Sorten für die Branntweinherstellung.

Herkunft und Ansprüche

Die Kartoffel (Solanum tuberosum) stammt aus den südamerikanischen Anden und kam im 16. Jahrhundert zunächst auf die Kanarischen Inseln und von dort über Spanien und Italien in die übrigen europäischen Länder. Nachdem die Pflanze im 18. Jahrhundert immer beliebter wurde, verbreiteten europäische Auswanderer und Handelstreibende sie nahezu weltweit. Die heimischen Sorten wachsen besonders gut auf Standorten ohne Staunässe mit regelmäßigen Niederschlägen. Frühkartoffeln benötigen ein mildes Klima.

Anbau

Sobald die Bodentemperaturen dauerhaft über acht Grad Celsius liegen, können die Pflanzkartoffeln in den Boden. Eine Folienauflage schiebt den Zeitpunkt nach vorne. Aus den Mutterknollen entwickeln sich je nach Witterung rund zehn bis 15 Tochterknollen. Ist es im Frühjahr sehr trocken, sind es deutlich weniger, die bei wüchsigem Wetter im Sommer aber sehr groß werden können. Die Anbauer häufeln die Kartoffelreihen kurz nach dem sich die ersten Blätter zeigen zu kegelförmigen Dämmen an. Dadurch erwärmt sich der lockere Boden um die Knollen schneller und die Ernte wird erleichtert. Ein weiterer Effekt: Das frisch aufgelaufene Unkraut wird verschüttet.  

Pflanzenschutz und Düngung

Kartoffeln müssen im Verlauf des Wachstums mehrfach mit Fungiziden gegen Pilzkrankheiten wie Kraut- und Knollenfäule (Phytophtora infestans) und Dürrfleckenkrankheit (Alternaria solani) behandelt werden. Wichtig sind auch Maßnahmen zur Unkrautregulierung. Die Anbauer schützen Pflanzkartoffeln mit Beizen unter anderem vor der Wurzeltöterkrankheit (Rhizoctonia solani), Silberschorf und Blattläusen. Auf der gleichen Fläche sollten Kartoffeln nur alle vier Jahre wachsen, damit Schädlinge wie Nematoden nicht zum Problem werden. Landwirte und Gärtner müssen auf eine reichliche Kaliumversorgung ihrer Böden achten. Die Stickstoffdüngung sollten sie sehr genau bemessen, weil andernfalls die Qualität der Erzeugnisse leidet.  

Ernte und Lagerung

Die Ernte erstreckt sich je nach Region, Sorte und Verwertungsrichtung von Mai bis Oktober. Landwirte setzen dafür Roder ein, die die Knollen sehr schonend und möglichst verletzungsfrei aus dem Boden holen. Wichtig sind deshalb auch steinfreie Böden. Kartoffeln mit intakter Schale lassen sich einfacher lagern, weil Krankheiten und Fäulniserreger nicht so leicht eindringen können. Denn bei fast 80 Prozent Wassergehalt haben diese leichtes Spiel. Dunkel, kühl, trocken und frostfrei – so sollten die Bedingungen sein, um die Kartoffeln über mehrere Monate lagern zu können. Bei Temperaturen unter vier Grad Celsius wandelt sich ein Teil der Stärke um und die Knollen werden unangenehm süß. Liegt hingegen die Lagertemperatur über acht Grad Celsius, verlieren die Knollen viel Wasser und werden runzelig. Außerdem steigt die Keimneigung.

Zahlen

In Deutschland wuchsen 2015 auf 234 100 Hektar (ha) Kartoffeln, der durchschnittliche Ertrag betrug 2014 rund 47 Tonnen pro ha (Quelle: Destatis). Zum Vergleich: 1903 erreichte die Anbaufläche mit 3,3 Millionen ha den größten Umfang (Quelle Unika). Die wichtigsten Erzeugerländer 2015 waren Niedersachsen (105 000 ha), Bayern (40 300 ha) und Nordrhein-Westfalen (26 300 ha; Quelle Destatis). Weltweit sind China, Indien, Russland, USA und die Ukraine die größten Kartoffelproduzenten.

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