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Der Kojotentabak (Nicotiana attenuata) wurde von einigen Indianerstämmen als Rauchtabak verwendet und aus diesem Grund an Siedlungsstätten kultiviert. Historisch überliefert ist aber auch die Anwendung als Pflanzenmedizin. Foto:© Dcrjsr / wikipedia
09.02.2016
Forschung & Technik

Wie Raupen Pflanzengifte abbauen

Neue Methoden in der Schädlingsbekämpfung möglich

Wenn es ums Überleben geht, ist der Natur jedes Mittel recht. Forscher des Max-Planck-Instituts in Jena entdeckten vor kurzem einen neuen Entgiftungsmechanismus, mit denen sich Tabakschwärmerraupen vor dem Gift des Kojotentabaks, dem Lyciumosid IV (Lyc 4), schützen. Diese Entdeckung könnte die Schädlingsbekämpfung revolutionieren.

Gegen seinen großen Fressfeind, die Raupe des Tabakschwärmers (Manduca sexta). Um den Transport der Abwehrstoffe in andere Pflanzenteile zu ermöglichen und sich gleichzeitig vor ihnen zu schützen, heften viele Pflanzen ihren Giftstoffen Zuckermoleküle an (Glykosylierung). Die Schädlinge nehmen die in dieser glykosylierten Form ungefährlichen Pflanzengifte auf. Im Verdauungstrakt spalten Enzyme, in diesem Fall Glycosidasen, die Glykosidbindungen auf, wodurch das Gift wirksam wird. Das ist normalerweise tödlich für die Fressfeinde, nicht jedoch für die Raupen des Tabakschwärmers. Bei ihnen scheint das Wirkprinzip außer Kraft gesetzt zu sein.

Mit reverser Genetik Entgiftungsmechanismus entdeckt

Die Jenaer Forscher untersuchten Proben aus dem Verdauungsapparat von Tabakschwärmerraupen, die an Kojotentabakblättern geknabbert hatten. Statt des deglykosylierten und somit giftigen Lyciumosid IV fanden sie ein bisher unbekanntes Abbauprodukt des Pflanzengifts vor: RGHGL, eine Variante, der nicht alle Zuckerteile fehlten, sondern nur ein einziges. Das Lyciumosid IV wird somit nicht vollständig deglykosyliert. Glycosidasen im Raupendarm spalten lediglich eine Zuckergruppe von der Lyciumosid IV-Verbindung ab und wandeln sie so in eine neue Verbindung um. Diese neue Substanz hat jedoch, anders als Lyciumosid IV, keine gesundheitsschädigende Wirkung auf die Raupen, was nahelegt, dass es sich um eine entgiftete Form von Lyciumosid IV handeln muss. Entdeckt wurde dieser Entgiftungsmechanismus mit dem Forschungsansatz der „reversen Genetik“. Bei diesem Ansatz wird die Bedeutung von Merkmalen für ein Lebewesen erforscht, indem man die Gene, welche die Merkmale kodieren, einfach ausschaltet und anschließend die Wirkung untersucht.

Um das zugrunde liegende Gen (BG1) in der Raupen-DNA stillzulegen, welches die nötigen Informationen für die Glycosidasen kodiert, bedienten sich die Forscher einer noch recht jungen Methode: der pflanzenvermittelten RNA-Interferenz (RNAi). Sie schleusten dazu spezielle RNA-Bausteine in die Kojotentabakpflanzen ein, die die Glycosidasenproduktion in den Raupen auf genetischer Ebene unterbinden sollten. Anschließend ließen sie die hungrigen Raupen auf die Pflanzen los. Fraßen diese nun die Blätter, nahmen sie neben dem Pflanzengift auch besagte RNA-Bausteine auf, woraufhin den Raupen nach kurzer Zeit die Glycosidasen ausgingen. Schlagartig zeigte das Gift auch bei den bis dahin resistenten Raupen eine Wirkung: Es begann mit ersten Problemen beim Häuten. Die Raupen hatten Schwierigkeiten, sich aus der Hülle zu befreien, was binnen von 48 Stunden zum Tode führte.

Neue Strategien in der Schädlingsbekämpfung

Zukünftig könnte den Tabakschwärmerraupen aber die bisher effektive Entgiftungsmaßnahme zum Verhängnis werden: Es wäre zum Beispiel möglich, die Glycosidasen gezielt als Angriffspunkte zu nutzen, um die Raupen anfällig gegenüber dem pflanzlichen Gift zu machen. Bei der Entwicklung neuer Schädlingsbekämpfungs-Strategien könnte das Verfahren der pflanzenvermittelten RNA-Interferenz in Zukunft zur Insektenbekämpfung genutzt werden.

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