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Anne-Katrin Mahlein forscht für eine nachhaltigere und ressourcenschonendere Landwirtschaft. Foto: Volker Lanner/Uni Bonn
29.01.2014
Forschung & Technik

Sensoren erkennen Stress bei Pflanzen

Agrarwissenschaftlerin forscht für eine nachhaltige und ressourcenschonende Landwirtschaft

Wer kranke oder gestresste Pflanzen zielsicher behandeln will, muss die Schadbilder frühzeitig erkennen und die Ursachen bestimmen. Sensoren sollen dies schon in wenigen Jahren zuverlässig erledigen. Die junge Agrarwissenschaftlerin Anne-Katrin Mahlein hat zu diesem Thema an der Universität Bonn promoviert und nun alle Hände voll zu tun. Denn viele Unternehmen und Forschungseinrichtungen haben Interesse an der zukunftsträchtigen Technologie.

Frau Dr. Mahlein, wie funktioniert die Diagnose mit Hilfe von Sensoren?

Dafür beobachten wir Pflanzen mit verschiedenen Kameras. Eine Infrarotkamera erfasst zum Beispiel die abgegebene thermische Strahlung und eine Hyperspektralkamera zeichnet Wellenlängen auf, die vom menschlichen Auge nicht gesehen und unterschieden werden können. Kranke oder durch Wasser- und Nährstoffmangel gestresste Pflanzen unterscheiden sich von gesunden, vitalen Pflanzen.

Welchen Nutzen bringt das?

Das Verfahren beschreibt den Pflanzenzustand objektiv und erkennt Wachstumshemmnisse sehr frühzeitig. In der Praxis haben wir ja häufig das Problem, dass Krankheiten und Mangelzustände erst erkannt werden, wenn eindeutige Symptome auftreten. Ertragseinbußen sind dann bereits vorprogrammiert. Manche Krankheiten sind zudem selbst von Experten nur schwer zu unterscheiden. Große individuelle Unterschiede gibt es, wenn wir den Umfang der Schädigung beschreiben sollen. Hier spielen Sensoren ihre Stärken aus.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Pilzliche Blattkrankheiten an Zuckerrüben sind eine Herausforderung. Gerade die Cercospora-Blattfleckenkrankheit stellt Landwirte immer wieder vor Probleme. Manchmal erkennen sie die Schadbilder nicht rechtzeitig oder sie verwechseln sie mit bakteriellen Blattflecken. Die neue Technik kann dazu beitragen, die richtigen Pflanzenschutzmittel zum optimalen Zeitpunkt einzusetzen. Unser übergeordnetes Ziel ist es, die Landwirtschaft noch nachhaltiger und ressourcenschonender zu machen.

Gibt es weitere interessante Anwendungen?

Ja, unter anderem um positive Nebenwirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Kulturpflanzen zu erforschen wie zum Beispiel den Greening-Effekt. So schützt die Wirkstoffgruppe der Carboxamide oder Strobilurine Getreide vor Blattkrankheiten. Sie erhöht aber auch die Vitalität der Pflanzen, sodass sie später abreifen. Pflanzenzüchter können die Technik nutzen, um die Nachkommen aus Pflanzenkreuzungen nach gewünschten Merkmalen wie Krankheits- oder Stressresistenz sicher auszuwählen. Bislang war das menschliche Auge der begrenzende Faktor.

Werden Ihre Kameras im Pflanzenbau Karriere machen?

Ein ähnliches System wird bereits seit einigen Jahren auf Höfen eingesetzt, um den Stickstoffbedarf von Pflanzen zu ermitteln. Wir hoffen auf einen vergleichbaren Erfolg in der landwirtschaftlichen Praxis und für die Pflanzenzüchtung. Mit den ersten praxisreifen Anwendungen unserer Grundlagenforschung ist vielleicht in fünf Jahren zu rechnen. Bis dahin müssen wir noch viele offene Fragen klären. Seit Anfang 2014 leite ich eine Nachwuchsforschergruppe, die zusammen mit Technikern und Informatikern intensiv daran arbeitet. Wir sind Teil des Bonner Forschungsnetzwerkes CROP.SENSe.net, das mit anderen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen kooperiert. Das Interesse an der Sensortechnik ist sehr groß.

Wie sind Sie auf dieses zukunftsträchtige Thema gestoßen und wie hat es Ihren Werdegang beeinflusst?

Während des Studiums der Agrarwissenschaften und eines Praktikums habe ich mich bereits ausführlich mit Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz beschäftigt. An und mit den Sensoren forsche ich seit Beginn meiner Promotion zu Blattkrankheiten bei Zuckerrüben im Rahmen eines DFG-Graduiertenkollegs zum Einsatz von Informationstechnologien für den Pflanzenschutz. Seitdem bin ich als PostDoc am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz tätig und arbeite unter anderem an Blattkrankheiten der Gerste.

Ist Ihre Karriere typisch für Agrarwissenschaftler?

Weil unser Studium sehr vielseitig ist, gibt es nicht den typischen Agrarwissenschaftler. Nachdem zunächst Fächer wie Mathematik, Chemie, Physik, Biologie, Anatomie, Betriebs- oder Volkswirtschaft im Mittelpunkt stehen, spezialisieren sich die Studierenden später entweder in Richtung Pflanzenwissenschaften, Tierwissenschaften oder Ökonomie. Absolventen arbeiten in ganz unterschiedlichen Bereichen. Wissenschaft, Wirtschaft, praktische Landwirtschaft, Behörden, Verbände oder Agenturen bieten eine große Vielfalt an Arbeitsplätzen mit ebenso unterschiedlichen Anforderungsprofilen. Wer in die Forschung will, sollte sich durch einen Master-Abschluss qualifizieren und Interesse an innovativen und interdisziplinären Fragestellungen mitbringen.

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