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Gesundes Gemüse – gute Schwefelversorgung ist eine Voraussetzung. Foto: Pixelio
11.11.2010
Forschung & Technik

Schwefelmangel: gesunde Luft – krankes Gemüse?

Seit Kraftwerke kaum noch Schwefel ausstoßen, verarmen vielerorts die Böden

Rauchgasentschwefelung in Kraftwerken und schwefelfreie Treibstoffe – dies waren Meilensteine in der Umweltgesetzgebung gegen den sauren Regen. Schon seit einigen Jahren zeigen sich unerwartete Spätfolgen: Schwefel, ein wichtiger Baustein in der Pflanzenernährung, ist in vielen Böden zum Mangelnährstoff geworden. Besonders schwefelbedürftige Kulturpflanzen leiden darunter. Gemüsekulturen, wie die Kohlarten, Radies, Rettich und Rucola bilden weniger gesundheitsfördernde und geschmacksgebende Inhaltsstoffe und sind anfälliger gegenüber Pilzkrankheiten. Die erfreulich saubere Luft zwingt Gärtner und Landwirte heute häufiger zum Düngersack zu greifen.

Medaille mit zwei Seiten

Bis Ende der 80er Jahre mussten sich Gärtner und Landwirte um die Schwefelversorgung ihrer Kulturen keine Gedanken machen, denn Schornsteine und Auspuffrohre spuckten mehr Schwefel aus, als die Pflanzen benötigten. Schwefel ist in fossilen Brennstoffen wie Kohle oder Öl enthalten und wird bei der Verbrennung freigesetzt. Über die Luft gelangte der Schwefel in den Boden. Die Schwefeleinträge trugen damit zur Versauerung von Böden bei. Die versauerten Böden waren eine Ursache des Waldsterbens, einst ein großes Umweltthema, heute fast vergessen. Heute sind die Emissionen durch luftreinhaltende Maßnahmen um mehr als 80 Prozent zurückgegangen. Pro Hektar und Jahr bekommen die Böden im Mittel weniger als zehn Kilogramm Schwefel aus der Luft.

Schwefel macht gesund und lecker

Das ist gut für Luft und Wald, nicht aber für Gemüse. Experten der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW in der Schweiz fanden heraus, dass mittlerweile viele Gemüsekulturen an Schwefelmangel leiden. Mehrere Studien zeigen, dass die Pflanzen weniger schwefelhaltige Inhaltsstoffe bilden. Typische Mangelsymptome sind blassgrüne bis hellgelbe Blätter, bei denen im Extremfall auch die Blattadern vergilben. Schwefelmangel tritt bei den Gemüsearten aus den Familien der Kreuzblütler besonders häufig auf. Dazu zählen Kohlarten, Radies, Rettich und Rucola. Sie benötigen Schwefel zur Bildung von Glucosinolaten, auch Senfölglycoside genannt. Diese sekundären Pflanzenstoffe sind wichtig für die menschliche Ernährung, Auch Arten aus der Familie der Liliengewächse wie etwa Zwiebel, Knoblauch, Lauch, Schnittlauch und Spargel brauchen reichlich Schwefel. Ihr Geschmack beruht vor allem auf den enthaltenen Schwefelverbindungen.

Pflanzenstoffwechsel ist auf Schwefel angewiesen

Wissenschaftler haben festgestellt, dass Schwefelmangel Pilzerkrankungen bei Pflanzen begünstigt. Das betrifft besonders Kulturen mit einem hohen Bedarf wie zum Beispiel Raps. Auch der Pflanzenstoffwechsel leidet: Schwefel ist ein unverzichtbarer Bestandteil von Aminosäuren wie Methionin, Cystin, Cystein und für Enzyme, die wiederum für den Chlorophyllhaushalt, die Eiweiß- und Vitaminbildung sowie für die Bildung wachstumsfördernder Enzyme wichtig sind. Auch um Stickstoffdünger effizient ausnutzen zu können, brauchen Pflanzen Schwefel. Fehlt er entsteht ein regelrechter Nitratstau in der Pflanze, und der Ertrag sinkt. Beim Weizen wirkt sich die Mangelversorgung sogar bis ins Endprodukt aus: Die Backqualität leidet, die Teige werden zu zäh. Die Folge: minderwertige Backwaren.

Düngung beugt vor

Ergebnis des Lernprozesses: Wenn der Schwefel nicht (mehr) vom Himmel fällt, muss der Landwirt ihn zuführen, damit Ertrag und Qualität stimmen. Worauf ist zu achten? Wichtige Anzeiger sind der Humusgehalt, die Bodenart, die Bodenstruktur und die Witterung. Einerseits wird Schwefel fortwährend aus dem Humus freigesetzt, andererseits wird der Nährstoff insbesondere bei hohen Niederschlägen und durchlässigen Böden leicht ausgewaschen. In einem tiefgründigen Boden kann die Pflanze ein dichtes Wurzelnetz bilden, um den begehrten Nährstoff besser aufzunehmen. Die Nachlieferung aus dem Bodenvorrat reicht aber oft nicht aus. Dann hilft mineralischer Dünger in der richtigen Dosierung. Bei Gerste reichen meist bereits 15 Kilogramm pro Hektar aus, bei Raps sind es im Mittel 20 bis 40 Kilogramm und bei Gemüse 20 bis 50 Kilogramm.

Pflanzen nehmen Schwefel über die Wurzeln fast ausschließlich in gelöster Form als Sulfat (SO42-) auf. In den meisten Düngern liegt daher der Schwefel in Sulfatform vor. Sulfat wirkt schneller als elementarer oder organisch gebundener Schwefel, der zuerst durch Bakterien im Boden zu Sulfat umgewandelt werden muss. Diese Bakterien werden erst bei Bodentemperaturen über zehn Grad Celsius aktiv. Gülle, Stallmist, Klärschlamm und Kompost enthalten ebenfalls organisch gebundenen Schwefel. Der Gehalt liegt durchschnittlich bei etwa sieben bis zehn Prozent der Stickstoffmenge. Pflanzen können Schwefel auch über das Blatt aufnehmen. In der Landwirtschaft kann daher eine Blattdüngung mit schwefelhaltigen Blattdüngern die Versorgung der Pflanzen unterstützen.

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