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Reblausblattgalle im Längsschnitt mit Altlaus und Eigelege. Quelle: DLR Rheinpfalz, Abteilung Phytomedizin
27.09.2007
Forschung & Technik

Renaissance eines Weinschädlings: Die Reblaus meldet sich zurück

Wurzelechte Rebstöcke und verwilderte Weingärten sind die Brutstätten eines gefährlichen Schädlings

Der Schädling erlebt gerade eine Renaissance: Brachliegende Weinberge und wilder Rebenaufwuchs, warme Temperaturen und Zierreben im Hausgarten tragen zur Verbreitung bei. Die Reblaus Daktulosphaira vitifoliae wurde aus Amerika eingeschleppt und zerstörte im 19. Jahrhundert in Europa riesige Weinbaugebiete. Erst nachdem man ihrem Entwicklungskreislauf auf die Spur kam, konnte sie erfolgreich bekämpft werden.

Klimawandel fördert Ausbreitung

„Der Befall mit Rebläusen nimmt bereits seit Jahren zu“ warnt Dr. Joachim Eder vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum DLR Rheinpfalz in Neustadt an der Weinstraße, zuständiger Experte für die Bekämpfung der Reblaus in Rheinland-Pfalz. „Mittlerweile gibt es bei uns keine Gemarkung mehr, die frei von Rebläusen ist.“ Auch in anderen, großen deutschen Weinbaugebieten ist ein vermehrter Befall festzustellen. Ein wichtiger Grund für die Ausbreitung ist nach Ansicht des Experten die Klimaerwärmung, die den Schädlingen ideale Vermehrungsbedingungen bereitet.

Aus Nordamerika eingeschleppt

Die Reblaus gelangte aus Amerika nach Europa und zwar schon lange bevor es den intensiven Waren- und Personenverkehr über Luft- und Wasserwege gab. Ironie des Schicksals: Sie wurde mit wilden, mehltauresistenten Reben eingeschleppt, von deren Einkreuzung man sich gesündere Pflanzen versprach. Diese Wildreben tolerieren auch den Befall mit Rebläusen, sind also trotz Schädlingsbefall äußerlich gesund, wachsen und gedeihen. Die europäischen Sorten vertragen dagegen den Befall an den Wurzeln nicht. 1863 wurden Rebläuse zum ersten Mal in Europa festgestellt. In den darauf folgenden 25 Jahren zerstörten sie mehr als 500 000 Hektar Reben, vor allem in Frankreich.

Das Übel an der Rebstockwurzel

Die Saugtätigkeit der Läuse führt dazu, dass sich die Wurzelenden verkrümmen und anschwellen. Auf den älteren Wurzeln bilden sich Knoten und Wucherungen. Das verminderte Wurzelwachstum ermöglicht, dass bodenbürtige Fäulniserreger eindringen. Wurzelechte Reben beginnen zu kümmern und sterben schließlich ab. Die Wurzeln der widerstandsfähigen amerikanischen Rebsorten dagegen verkorken lediglich an den Einstichstellen. Das restliche Wurzelgewebe bleibt intakt.

Von der Wurzel zum Blatt – und zurück

Die Reblaus ist ein Verwandlungskünstler und tritt an der Wurzel und an den Blättern von Weinpflanzen in ganz unterschiedlichen Lebensformen in Erscheinung, nämlich als Wurzelläuse, Reblausfliegen, Rebläuse und Maigallenläuse. Besonders gefährlich sind die Wurzelläuse Radicicolae, das sind ausschließlich weibliche Tiere. Sie werden bis zu 1,35 Millimeter groß und sind gelb oder bräunlich-grün gefärbt. Im Hochsommer verlassen einige dieser Wurzelläuse den Boden und entwickeln sich zu geflügelten Rebläusen, den Reblausfliegen. Diese legen ihre Eier an der Rinde des Rebstocks ab. Aus diesen schlüpfen männliche und weibliche Geschlechtstiere. Die Geschlechtstiere paaren sich. Anschließend legen die weiblichen Läuse je ein befruchtetes Winterei in Ritzen der Rinde. Aus diesem Winterei schlüpft im Frühling die so genannte Maigallenlaus Fundatrix. Ihren Namen verdankt sie den Gallen, die sie an den Unterseiten der Weinblätter ablegt. Die Gallen enthalten jeweils bis zu 1 200 Eier. Nach acht bis zehn Tagen schlüpfen aus diesen Eiern zwei verschiedene Larventypen: Die einen bilden erneut Blattgallen, die anderen wandern zum Boden und entwickeln sich dort zu Wurzelläusen.

Schutz mit Pfropfmethode

Erst mit der Pfropfmethode konnten die europäischen Winzer der Reblaus Einhalt gebieten: Sie setzten veredelte europäische Reben auf widerstandsfähige, amerikanische Wurzelstöcke auf. Heute dürfen Neuanpflanzungen nur noch mit solchen Pfropfreben vorgenommen werden. Das heißt, dass das Gros der Reben durch widerstandfähige Wurzelstöcke gegen Wurzelrebläuse geschützt ist. Vorsicht ist trotzdem am Platz: Aufgrund der höheren Durchschnittstemperaturen spielt die Vermehrung der Blatt-Rebläuse bei uns eine immer größere Rolle, und damit steigt der Befallsdruck. Bei starkem Befall wird auch das Wurzelwachstum der widerstandsfähigen Unterlagsreben beeinträchtigt. Sind die Reben zusätzlich durch Nährstoff- oder Wassermangel geschwächt, sinkt ihre Wuchskraft, und die Stöcke gehen ein.

Gefahr aus dem Baumarkt

Immer häufiger werden wurzelechte Reben für den Garten preisgünstig in Baumärkten angeboten. Sie sind für Rebläuse ein gefundenes Fressen und eine ausgezeichnete Basis für deren Ausbreitung auf Reben in der Umgebung.

Was tun bei Rebläusen im Garten?

„Hobbygärtner wissen meistens nicht, dass der Gesetzgeber zum Schutz vor diesem Schädling sogar eine Verordnung erlassen hat“ erklärt Dr. Eder. Danach ist Reblausbefall meldepflichtig. Für richtig gefährlich hält der Experte einen Befall an Zierreben zwar nur dann, wenn sich die Gärten in der Nähe von Weinbergen befinden. Dennoch empfiehlt er, vorzubeugen:
Möglichst keine wurzelechten, sondern nur auf widerstandsfähige Unterlagen gepfropfte Reben kaufen!
Zeigen sich die Gallen an den Unterseiten des Weinlaubs, sollten die Blätter umgehend abgepflückt und vernichtet werden.
Blätter mit Gallen dürfen auf keinen Fall in die Biotonne! Zum Vernichten kann man sie entweder in den Restmüll geben oder in einer fest verschlossenen Plastiktüte mehrere Stunden in die Sonne legen.