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Gerste ist weltweit die viertwichtigste, in Deutschland nach Weizen die zweitwichtigste Getreideart. Foto: Rainer Sturm/pixelio
10.11.2015
Forschung & Technik

Genetischer und geografischer Ursprung der Gerste aufgeklärt

Kulturgerste wurde zweimal unabhängig voneinander gezüchtet

Wer die Urform der Gerste ernten will, der muss viel Geduld aufbringen. Sobald die Körner erntereif sind, fallen sie von der Ähre ab und verteilen sich auf dem Boden. Für die Verbreitung der Pflanze ist das optimal. Für unsere Vorfahren war es jedoch sehr mühselig, die Gerstenkörner vom Boden zusammenzulesen, um aus den energiereichen Samen Fladen zu backen. Bei unserer heutigen Gerste fallen die Körner nicht mehr aus. Diesen Fortschritt in der Züchtung nennt man Spindelfestigkeit.

Schon seit dem frühen 20. Jahrhundert sind Wissenschaftler dem genetischen und geografischen Ursprung der kultivierten Gerste (Hordeum vulgare ssp. vulgare) auf der Spur. 2011 wurde der Grundstein dafür gelegt, das Gersten- und Weizengenom vollständig zu sequenzieren – eine große Herausforderung, denn beide Genome sind deutlich größer als das des Menschen. Nachdem ein Jahr später die genetischen Unterschiede von Winter- und Sommergerste geklärt wurden, legten Wissenschaftler kürzlich einen weiteren Meilenstein: Sie identifizierten den genetischen Ursprung des wichtigsten Domestikationsmerkmals der Gerste, ihrer Spindelfestigkeit, und beschrieben erstmals die konkrete Funktion der beteiligten komplementären Gene. Außerdem konnten sie zeigen, dass die ersten Züchtungen einer spindelfesten Gerste unabhängig voneinander stattgefunden haben, dass also unsere heutigen Gerstensorten aus zwei Ursprungslinien hervorgingen.

Kulturpflanze aus dem fruchtbaren Halbmond

Die Gerste stammt aus dem sogenannten fruchtbaren Halbmond, der sich von Israel über Syrien und die Südosttürkei bis in den Nordirak und dem nördlichen Teil des Iran erstreckt. Die sesshaft werdenden Bauern säten vor etwa 12 000 Jahren an unterschiedlichen Orten bevorzugt die Samen der Pflanzen aus, deren Ähren die Samen bis zur Reife festhielten, also spindelfest waren. Damit selektierten sie unbewusst zwei Mutationen in den komplementären Genen btr1 und btr2 auf dem Chromosom H3, die bereits damals etwa 40 000 Jahre alt waren. Die Körner waren einfacher zu ernten und die mutierten Pflanzen dadurch ertragreicher. Kürzlich identifizierte ein internationales Forscherteam in der Arbeitsgruppe von Dr. Jochen Kumlehn am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben die Mutation. Die Forscher zeigten auf, warum die Furche in der Kulturgerste, die für die lose Spindel verantwortlich ist, nicht ausgebildet wird. Außerdem konnten die Forscher zwei Ursprünge der Gersten“züchtung“ lokalisieren, zum einen die südöstliche Mittelmeerküste (heutiges Israel, Libanon, Syrien) und Zentralasien, und zum anderen ein weiter nördlich liegendes Ursprungsgebiet.

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