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In artenreichen Lebensräumen werden Schädlinge nicht so schnell resistent gegen chemische Bekämpfung. Foto: Fotolia
08.09.2015
Forschung & Technik

Artenvielfalt erleichtert die Schädlingsbekämpfung

Grundlagenforschung zu Resistenzen

In der Natur findet ständig ein „Kampf ums Überleben statt“, das hat schon der Evolutionsforscher Charles Darwin im 19. Jahrhundert herausgefunden. Und wer bekämpft wird, der wehrt sich dagegen. Im Falle von Schädlingen, die mit Insektiziden behandelt werden, nennt man das Resistenzbildung. Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig haben nun herausgefunden, dass Schädlinge in artenreichen Lebensräumen nicht so schnell gegen chemische Bekämpfungsmittel resistent werden. Doch warum ist das so?

Schädlinge sind anpassungsfähige Überlebenskünstler: Sie können sehr schnell neue Lebensräume besiedeln, und sie vermehren sich rasant. Wenn der Mensch auf eine solche Massenvermehrung mit dem Ausbringen von Schädlingsbekämpfungsmitteln reagiert, passen sich die Schädlinge mit der Zeit an und werden resistent gegen die Bekämpfung.

Mikro-Evolutions-Versuche mit Culex-Mücken

Um das Zusammenspiel zwischen den Räubern und konkurrierenden Arten näher zu untersuchen, haben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig im Labor Versuche mit der Stechmücke Culex quinquefasciatus, die in den Tropen und Subtropen gefährliche Krankheiten wie das Westnil-Fieber überträgt, angestellt. Die Forscher setzten jeweils 400 Larven der Culex-Mücke in ein Becken. Drei Viertel der Larven waren resistent gegen das Insektizid Chlorpyrifos, ihr Erbgut enthielt das Resistenzgen „ace-IR“. Die einzelnen Gruppen unterschieden sich außerdem durch unterschiedliche Lebensbedingungen: Vier Populationen mussten ihr Becken mit Wasserflöhen teilen, die ihnen Konkurrenz machten. Bei vier weiteren Populationen fingen die Forscher zweimal pro Woche zehn bis zwanzig Prozent der Larven heraus, um den Einfluss von Fressfeinden zu simulieren. Die überlebenden Mücken in diesen Populationen lebten in einem Schlaraffenland, ohne sich mit anderen Organismen auseinandersetzen zu müssen. In den letzten vier Populationen durften sich die Insekten ungestört vermehren. Alle Becken wurden in regelmäßigen Abständen mit Chlorpyrifos behandelt, und die Forscher beobachteten über sechs Mückengenerationen, wie sich die Häufigkeit des Resistenzgens veränderte – ein Prozess, den Biologen als „Mikro-Evolution“ bezeichnen.

Rivalität unter Artgenossen beschleunigt die Mikro-Evolution

In den Populationen ohne feindliche Arten stieg der Anteil der Mücken mit dem Resistenzgen am schnellsten an und erhöhte sich im Laufe des Versuchs von 75 auf 95 Prozent. Da sich die Tiere nur gegen die Konkurrenz aus den eigenen Reihen durchsetzen mussten, brachte der kleine Unterschied im Erbgut den entscheidenden Vorteil. Wenn aber Konkurrenten anderer Arten wie die Wasserflöhe oder Fressfeinde wie die larvenfangenden Forscher ins Spiel kamen, breitete sich das Resistenzgen unter Insektizid-Einfluss deutlich langsamer in den Populationen aus. Wenn gar kein Insektizid eingesetzt wurde, ging das Resistenzgen bei den Populationen ohne feindliche Arten schnell wieder verloren. Da die Larven gar nicht mit dem für sie giftigen Präparat konfrontiert wurden, brachte ihnen diese Erbeigenschaft schließlich keinen Nutzen, sondern sogar Nachteile. Denn die Widerstandsfähigkeit hat ihren Preis: Resistente Tiere müssen Energie in zusätzliche Enzyme investieren, die das Pestizid abbauen können. Die dafür benötigte Energie fehlt dann für andere Aufgaben. Das führt zum Beispiel oft dazu, dass resistente Tiere schlechter wachsen. Bei starker Konkurrenz durch Artgenossen besaßen daher nach sechs Generationen statt ursprünglich 75 nur noch 40 Prozent der Mücken das Resistenzgen. Wasserflöhe oder Fressfeinde verzögerten dagegen auch diese Entwicklung. Solche zusätzlichen Herausforderungen scheinen also die Mikro-Evolution zu bremsen.

Erhöhung der Biodiversität verringert Resistenzbildung

Dass die Erhöhung der Biodiversität mit Konkurrenten und Räubern der Schadorganismen die Resistenzbildung verringert, könnte ein grundlegendes Prinzip darstellen und daher für weitere Lebensräume und Arten gelten. „Möglicherweise lassen sich daraus neue Ansätze für die Schädlingsbekämpfung ableiten“, sagt Matthias Liess, einer der Wissenschaftler des UFZ.

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