Anmerkungen des Industrieverbandes Agrar e. V. (IVA) zum foodwatch-Report* „Klimaretter Bio?“

(* August 2008)

Die Landwirtschaft soll durch konkrete Zielvorgaben zur Reduktion ihrer klimaschädlichen Treibhausgase verpflichtet werden. Das fordert foodwatch anlässlich einer Studie des Institutes für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW, 2008) zu den Klimawirkungen der Landwirtschaft in Deutschland. Die Kampagnen-Organisation setzt dabei auf Umweltabgaben und Emissionssteuern zur Verteuerung der als besonders klimaschädlich angesehenen Produkte Fleisch und Milch, auf Verbraucherinformation und einen Stopp des Anbaus von Pflanzen für die Biotreibstoffproduktion. Die wirksamste Maßnahme zur Reduzierung des Treibhausgasausstoßes sei jedoch die Produktionsaufgabe auf den etwa 1,4 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzten Moorböden. Laut foodwatch würden diese knapp 30 % aller Emissionen aus der Landwirtschaft in Deutschland ausmachen.

Bezüglich der Produktionsintensität weist foodwatch darauf hin, dass der Ökolandbau kein Klimaretter sei. Die Umstellung auf Ökolandbau stelle zwar eine wirksame Maßnahme zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen in Deutschland dar, erfordere aber bei gleicher Produktionsmenge 60 % mehr Fläche als bei konventioneller Wirtschaftsweise. Auch innerhalb der konventionellen Landwirtschaft bestünden Reduktionspotentiale. Aber auch hier, so räumt foodwatch ein, würde ein zusätzlicher Flächenbedarf entstehen. Die Flächen sind de facto in Deutschland nicht vorhanden.

Im Folgenden werden zentrale Defizite an dem foodwatch-Report vom August 2008 aufgezeigt und erörtert:

foodwatch: Für die Landwirtschaft sollten im Rahmen der Klimapolitik konkrete Reduktionsziele bezüglich der Treibhausgasemissionen formuliert werden.

Kritikpunkte:

  • Reduktionsziele, die nur durch Produktionseinschränkungen erreichbar sind, fördern die Verlagerung der Produktion und führen so zu höheren Treibhausgasemissionen in anderen Ländern
  • Zusätzlicher Flächenbedarf verstärkt den Druck auf natürliche und naturnahe Ökosysteme weltweit; dadurch steigen die globalen Treibhausgasemissionen



Aus dem foodwatch-Report geht hervor, dass ambitionierte Reduktionsziele für Deutschland/Europa nur durch Verminderung der Produktionsintensität (Umstellung auf ökologischen Landbau, verminderter Mineraldüngereinsatz) oder Nutzungsaufgabe (z. B. Moore) erreichbar sind. Dies bedeutet einen Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion. Demgegenüber steht eine rasante Zunahme der globalen Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten. Die FAO erwartet, dass der Lebensmittelbedarf bis 2030 um 60 % steigen wird. Europa und Deutschland sind für die landwirtschaftliche Produktion aufgrund der guten Böden, der guten Wasserversorgung, dem hohen Ausbildungsstand der Landwirte und der guten technischen Ausstattung prädestiniert. Ein Produktionsverzicht auf solchen Gunststandorten erfordert zusätzliche Produktion in anderen Regionen der Erde. Insgesamt dürfte mit Produktionsverlagerung sogar ein Anstieg der globalen Treibhausgasemissionen verbunden sein, da in vielen Teilen der Welt ungünstigere Standortbedingungen vorliegen, ineffiziente Produktionsverfahren zur Anwendung kommen und natürliche und naturnahe Ökosysteme (Wälder, natürliches Grasland, Moore etc.) in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt werden. Solche Landnutzungsänderungen zur Gewinnung landwirtschaftlicher Nutzflächen bedingen heute etwa 12 % der globalen Emissionen von Klimagasen. Sie tragen damit in ähnlichem Maße zum Klimawandel bei wie die landwirtschaftliche Produktion selbst. Deren Beitrag liegt weltweit bei etwa 14%.

foodwatch: Durch die Verteuerung von Fleisch und Milch könnten Treibhausgasemissionen effektiv reduziert werden. Deshalb solle das EU-Subventionssystem durch ein System von Umweltabgaben und Emissionssteuern ersetzt werden.

Kritikpunkte:

  • Einseitige Belastungen der europäischen Landwirtschaft
  • Höhere Importe wirken dem beabsichtigten Preisanstieg entgegen



Umweltabgaben und Emissionssteuern induzieren Wettbewerbsnachteile für die europäische Landwirtschaft. Die Importe aus dem außereuropäischen Ausland würden sich erhöhen und der beabsichtigte Preisanstieg dadurch abgemildert. Es ist zu bezweifeln, dass in den außereuropäischen Erzeugungsländern klimaschonender gewirtschaftet wird als in Europa und Deutschland. Flankierende handelspolitische Maßnahmen zur Verteuerung von Lebensmittelimporten dürften kaum durchsetzbar sein.

foodwatch: Ökologische Landwirtschaft emittiere insgesamt in der Landwirtschaft wegen der deutlichen Vorteile im Pflanzenbau 15 bis 20 Prozent weniger Treibhausgase. Der Klimavorteil des ökologischen Systems basiere vor allem auf der „sparsameren und nicht auf Mineraldüngern basierenden Düngung“.

Kritikpunkte:

  • Treibhausgasemissionen durch zusätzlichen Flächenbedarf des ökologischen Landbaus bleiben unberücksichtigt
  • Die in der Studie durchgeführten Berechnungen zur Klimabilanz im Ackerbau sind unvollständig, u. a. weil sie die symbiontische Stickstofffixierung im Ökolandbau ausklammern
  • Klimavorteil des Ökolandbaus ist in der wissenschaftlichen Literatur umstritten



foodwatch legt dar, dass durch vollständige Umstellung auf ökologische Landwirtschaft die Emissionen um 15–20% gesenkt werden können; der Flächenbedarf würde jedoch in Deutschland um 60% (= 10 Millionen Hektar) steigen. Wie bereits erwähnt, werden die Treibhausgasminderungen hierzulande durch die induzierte Produktionsverlagerung in andere Regionen der Erde kompensiert bzw. möglicherweise sogar überkompensiert.

Treibhausgasemissionen nach DüngungsintensitätDer ökologische Pflanzenbau verursacht laut foodwatch deutlich geringere Treibhausgasemissionen als der konventionelle Anbau. Die in der IÖW-Studie berechneten Emissionen bei der Weizenproduktion sind bezogen auf den Weizenertrag im Ökolandbau 60 % geringer als bei konventioneller Wirtschaftsweise. Hauptursache sind die höheren Lachgasemissionen im konventionellen Weizenanbau infolge der deutlich höheren Stickstoffzufuhr. Die zugrunde liegende Kalkulation ist allerdings unvollständig: Durch eingeschränkte Betrachtung nur eines Fruchtfolgegliedes - dem Weizen - bleibt die wichtigste Stickstoffquelle im ökologischen Landbau, nämlich der Leguminosenanbau innerhalb der Fruchtfolge, unberücksichtigt. Lachgasemissionen infolge der symbiontischen Stickstoffzufuhr werden folglich der ökologischen Weizenproduktion nicht angerechnet. Dies wird an dem unausgewogenen Verhältnis „N Zufuhr : N-Abfuhr“ im betrachteten ökologischen System deutlich. Die in der Bilanzierung dem Boden zugeführte Stickstoffmenge (ausschließlich Stallmist) deckt weniger als 50 % der N-Abfuhr in Korn und Stroh.

Ebenfalls kritisch an der Berechnungsgrundlage ist die Verwendung nicht aktueller Emissionsdaten/-faktoren: So wird zur Berechnung der N2O-Emissionen aus dem Boden der ältere IPCC-Faktor von 1.25 % der ausgebrachten N-Menge angewendet. Der aktuelle, überarbeitete IPCC-Faktor liegt bei 1 %. Auch hinsichtlich der Emissionen bei der Produktion von Mineraldüngern greift die IÖW-Studie auf veraltete Daten aus den 90er Jahren zurück, die nicht den heutigen Stand der Technik in Westeuropa widerspiegeln und zu erhöhten Emissionswerten führen.

Laut foodwatch weist der ökologische Pflanzenbau in der Regel deutlich geringere Treibhausgasemissionen auf als der konventionelle Anbau. Im Gegensatz dazu kommen verschiedene Autoren, wie z. B. Kelm & Taube (2004)* oder Küstermann & Hülsbergen (2007)** zu Vorteilen des konventionellen Anbaus bzw. zu ähnlich hohen Treibhausgasemissionen pro Produkteinheit bei beiden Wirtschaftsweisen.

*Kelm M. & Taube F. (2004) in: Landesregierung Schleswig-Holstein (2004): Agenda 21- und Klima-schutzbericht Schleswig-Holstein 2004. Drucksache 15/3551.

**Küstermann B. & Hülsbergen K.-J. (2007): Was mindert die Emissionen? DLG-Mitteilungen 9/2007, 26-27.

Optimierte Düngung nach guter fachlicher Praxis schont das Klima

Modellrechnungen zur Weizenproduktion zeigen, dass durch die notwendige Flächenausdehnung bei Extensivierung und reduzierter Düngung höhere Treibhausgasemissionen entstehen.

(Anmerkung: Bei dem extensiven System handelt es sich nicht um ökologische Wirtschaftsweise)

Fazit

Die im foodwatch-Report vom August 2008 geforderte Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der deutschen Landwirtschaft bedingt eine Einschränkung der Produktionsmenge. Durch eine gleichzeitige staatlich verordnete Verteuerung von Fleisch und Milchprodukten soll die Nachfrage reduziert und einem zusätzlichen Flächenbedarf entgegen gewirkt werden. Diese Annahmen lassen außer acht:

  • dass der globale Bedarf nach Nahrungsmitteln und anderen landwirtschaftlichen Produkten rasant ansteigt und Produktionseinschränkungen kompensiert werden müssen
  • dass Agrargüter und Lebensmittel international gehandelt werden und die erforderlichen flankierenden Handelbeschränkungen, z. B. Zölle auf Fleischimporte, kaum durchsetzbar sein dürften
  • dass Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen durch Produktionsverzicht in Europa gegenläufige Effekte in anderen Ländern induzieren und die globalen Treibhausgasemissionen dadurch sogar ansteigen können.

Klimapolitische Maßnahmen in der Landwirtschaft sollten deshalb darauf ausgerichtet sein, Produktionsverfahren zu fördern, die möglichst effizient sind und geringe Treibhausgasemissionen pro Erzeugungseinheit aufweisen. Nur so kann der steigende globale Nahrungsmittelbedarf mit möglichst geringen Treibhausgasemissionen produziert werden. Diesem Anspruch wird gerade die moderne Landwirtschaft nach guter fachlicher Praxis und optimalem Einsatz von Dünger gerecht.

 

Frankfurt am Main, im Oktober 2008

 

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