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Farmer im indischen Bundesstaat Maharashtra, der gentechnisch veränderte Baumwolle angebaut Foto: Matin Qaim
24.01.2013
Schule & Wissen

Mehr Erträge – mehr Einkommen – mehr Wohlstand für Baumwollbauern in Indien

Das belegt eine Langzeitstudie zu gentechnisch veränderter Baumwolle in Indien

Gentechnisch veränderte Baumwolle bringt den Kleinbauern in Indien höhere Erträge und mehr Gewinn. Die Folge: Wohlstand ist in vielen bäuerlichen Haushalten kein Fremdwort mehr. Dieses Ergebnis einer Langzeitstudie, die Agrarwissenschaftler der Universität Göttingen im Juli 2012 veröffentlicht haben, widerlegt gängige Vorurteile zum Baumwollanbau in Indien. Anders als frühere Studien zum Thema, die fast alle nur auf Daten aus einem oder zwei Jahren beruhten, liegen der neuen Studie Daten über einen Zeitraum von sieben Jahren zu Grunde.

Gentechnisch veränderte Baumwolle, sogenannte Bt-Baumwolle, wird in Indien seit einem guten Jahrzehnt angebaut – überwiegend von Kleinbauern auf Flächen von weniger als zwei Hektar. Bt-Baumwolle ist Baumwolle, in die Gene des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis eingesetzt wurden. Diese bewirken die Bildung von Proteinen, die im Darm bestimmter Schadinsekten zu Toxinen umgebaut werden. Da die Schädlinge das für sie giftige Protein direkt mit ihrer Nahrung –  der Baumwollpflanze – aufnehmen, sind die Pflanzen in Kombination mit chemischen Pflanzenschutzmitteln zielgenau geschützt. Die Zahl der in Indien zugelassenen Bt-Baumwollsorten ist im Zeitraum 2002 bis 2011 von drei auf rund 880 Sorten gestiegen, die auf jeweils unterschiedliche Standortbedingungen zugeschnitten sind. 

Studie widerlegt Befürchtungen von Kritikern

Kritiker gentechnisch veränderter Baumwolle befürchten vor allem eine Ausbeutung und Verarmung von Kleinbauern und bringen die Selbstmorde indischer Bauern, die seit Jahrzehnten zu beklagen sind, mit dem Anbau von Bt-Baumwolle in Verbindung. In einer Langzeitstudie haben nun der Göttinger Agrarökonom Professor Dr. Matin Qaim und sein Mitarbeiter Jonas Kathage untersucht, welche wirtschaftlichen und sozialen Effekte der Anbau gentechnisch veränderter Baumwolle in Indien auf die lokale ländliche Bevölkerung hat. Ihr Fazit: Die Technologie wirkt sich positiv auf Erträge und Einkommen der kleinbäuerlichen Betriebe aus – ein erheblicher Nutzen. Konkret bedeutet dies, dass die Bauern weniger Insektizide einsetzen müssen. Im Vergleich zu konventionell angebauter Baumwolle sind die Erträge um durchschnittlich 24 Prozent und die Gewinne der Baumwollbauern sogar um 50 Prozent höher – trotz des teureren Saatgutes. Und Resistenzen von Schädlingen gegen diese Baumwolle sind während der Langzeitstudie nicht in nennenswertem Umfang aufgetreten. 

Höherer Lebensstandard dank grüner Gentechnik

Diese Vorteile sind im Lauf der Zeit sogar tendenziell weiter angestiegen. Wer die gentechnisch veränderten Pflanzen anbaute, verlor weniger Ernte an Schädlinge und konnte so im Mittel 126 Kilo mehr Baumwolle pro Acre (entspricht 0,4 Hektar) ernten. Da die Bt-Landwirte weniger Insektizide einsetzen mussten, steigerte sich ihr jährlicher Gewinn um bis zu 213 Dollar. Hinzu kommt, dass die zunehmende Konkurrenz unter den Saatgut-Herstellern zu sinkenden Preisen führte. 2009 boten 35 Saatguthersteller in Indien über 600 Bt-Sorten an. Auch der Lebensstandard der untersuchten Familien stieg. Die Ausgaben des jeweiligen Haushalts stiegen in den letzten beiden Studienjahren mit jedem Acre Bt-Baumwolle um 57 Dollar pro Jahr. Die Konsumausgaben der Haushalte, ein wichtiger Wohlstandsindikator, sind bei Bt-Baumwollbauern um 18 Prozent höher. Diese Effekte, so die Autoren der Studie, seien stabil und hätten im Lauf der Zeit sogar leicht zugenommen. Man müsse aber weiterhin ein wachsames Auge auf eventuelle Resistenzbildungen oder Sekundärschädlinge haben. Beides sei bislang nicht aufgetreten. Der oft gehörte Vorwurf von Kritikern, die Gentechnik hätte eine zunehmende Ausbeutung der Bauern durch Großkonzerne zur Folge, lassen sich mit diesen langjährigen und umfangreichen Daten widerlegen.  

Repräsentative Studie in Zentral- und Südindien

Zwischen 2002 und 2009 befragten die Agrarwissenschaftler 533 Kleinbauern in Zentral- und Südindien insgesamt viermal. Die vier indischen Bundesstaaten Maharashtra, Karnataka, Andhra Pradesh und Tamil Nadu umfassen ein breites Spektrum unterschiedlicher Anbaubedingungen, etwa bei Klima und Böden. Bei der Auswahl der Betriebe haben die Wissenschaftler darauf geachtet, dass keine Verzerrungen entstehen, etwa wenn Betriebe untersucht werden, die ohnehin schon erfolgreicher sind als andere. Besonders fortschrittliche Betriebe übernehmen eine neue Technologie meist früher und in größerem Umfang. 

Gentechnik fördert nachhaltige ländliche Entwicklung

In den ersten beiden Jahren hatten knapp 40 Prozent der Befragten auf Bt-Baumwolle umgestellt, in den letzten beiden Jahren 87 Prozent. Insgesamt wurden Bt-Sorten 2011 auf rund 90 Prozent der gesamten indischen Baumwollfläche angebaut. Inzwischen sind über sieben Millionen Kleinbauern in Indien auf die neue Technologie umgestiegen. „Diese Ergebnisse sind nicht ohne weiteres auf andere gentechnisch veränderte Pflanzen und Länder übertragbar“, räumt Professor Matin Qaim, Studienleiter und Professor für Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung der Universität Göttingen ein. „Trotzdem unterstreichen sie die großen Potenziale der Gentechnik für nachhaltige ländliche Entwicklung. Die meisten Vorurteile gegen die Gentechnik in der Landwirtschaft haben sich bisher nicht bestätigt.

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