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Der Klimawandel wirkt sich direkt auf Landwirtschaft und Gartenbau aus. Foto: Andreas Hermsdorf/pixelio
23.08.2012
Umwelt & Verbraucher

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Landwirtschaft aus?

Pflanzenschutz und Anbausysteme auf dem Prüfstand

Das Wetter in Mitteleuropa ist unberechenbar. Doch bei allen Ausschlägen nach oben oder unten zeichnete sich in den letzten Jahrzehnten ein Trend zur Erwärmung ab. So lag die Jahresdurchschnittstemperatur auch 2011 nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) über dem langjährigen Mittel. 2011 um 1,4 Grad Celsius. Wenn der Trend anhält, hat das Folgen für Landwirtschaft und Gartenbau: Neue Schaderreger wandern zu, Insekten bringen mehr Generationen pro Jahr hervor als bisher, auch die Wirksamkeit von Pflanzenschutzmitteln könnte sich verändern. Höhere Durchschnittstemperaturen bieten auch neue Chancen.

Gutes Wetter, schlechtes Wetter

Der diesjährige Sommer hat in vielen Regionen Deutschlands wie ein typischer Herbst begonnen. Doch der langfristige Trend weist laut DWD nach oben. Nicht nur das Jahr 2011 ragt über das langjährige Mittel hinaus. Von den letzten 30 Jahren fielen 24 „zu warm“ aus. Nach den Erkenntnissen der Meteorologen verlagerten sich die Hauptwindsysteme seit Mitte des 20. Jahrhunderts bereits um 180 Kilometer in Richtung der Pole. Die bei uns vorherrschende Westwindzone wandert also nach Norden. Dadurch gibt es im Winterhalbjahr häufig mildere, regenreichere Wetterlagen. Im Sommer wird das Wetter tendenziell trockener. Es wird erwartet, dass das Risiko für Starkniederschläge steigt. Die Prognosen des Intergovernmental Panel of Climate Change (ICCP) sagen bis 2050 einen Temperaturanstieg im Winterhalbjahr um 0,9 bis 2,3 und für den Sommer sogar um 0,9 bis 2,8 Grad Celsius voraus.    

Mehr Schädlinge, wenn sich der Trend fortsetzt

Der bisher beobachtete Temperaturanstieg geht einher mit Phasen höherer Lebensaktivität tierischer Schaderreger. Viele Arten von beißenden und saugenden Schädlingen werden die längeren Vegetationsperioden dazu nutzen, sich rascher zu vermehren – zum Schaden der Kulturpflanzen. Beispiele aus der Insektenwelt sind Fritfliege (Oscinella frit), Apfelwickler (Cydia pomonella) und Obstbaumspinnmilbe (Panonychus ulmi). Blattläuse entwickeln bei zwei Grad höheren Durchschnittstemperaturen bis zu fünf Generationen mehr pro Jahr. Ähnliches zeigt sich bei Bodenorganismen. Nematoden wie das Rübenälchen (Rübenzystennematode, Heterodera schachtii) vermehren sich schneller und können die Ernten stärker als bisher gefährden. Das gilt auch für wärmeliebende Bakterien und Pilze.

Besonders Prognosen zu Pilzerkrankungen sind jedoch heikel, denn ihre Entwicklung hängt neben Temperaturen vielfach auch von Intensität und Menge der Niederschläge beziehungsweise der Blattnässedauer und der relativen Luftfeuchte ab, alles Faktoren, die nur kurzfristig vorherzusagen sind.Krankheiten, die feuchte Witterung bevorzugen, beispielsweise Septoria-Blattdürre beim Weizen (Septoria tritici), Rhynchosporium-Blattflecken (Rhynchosporium secalis) bei Gerste und Roggen oder Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel (Phytophthora infestans), könnten an Bedeutung verlieren. Wärmeliebende Erreger wie Getreideroste oder die Cercospora-Blattfleckenkrankheit (Cercospora beticola) dagegen könnten sich ausbreiten. Soweit häufig getroffene Allgemeinaussagen. In verschiedenen Regionen Deutschlands wurden in der Vergangenheit dazu aber teilweise ganz unterschiedliche Prognosen modelliert. Pauschale Aussagen sind eigentlich kaum möglich. Um eine hochaufgelöste regionale Betrachtung kommt man nicht herum. 

Neue Insekten, wie der Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera) sind aus dem Süden eingewandert. Der exotische Bananentriebbohrer (Opogona sacchari) ernährt sich hierzulande gern auch von Auberginen, Paprika und Zierpflanzen, und dem Baumwollkapselwurm (Helicoverpa armigera), schmecken zum Beispiel auch deutsche Mais- und Tomatenpflanzen. Bei höheren Temperaturen fühlen sich bei uns auch die Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris), die Gelbbindige Furchenbiene (Halictus scabiosae) oder Neophyten wie die allergieauslösende Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) sowie die Lindenblätttrige Schönmalve (Abutilon theophrasti) zunehmend wohl.   

Die meisten Unkräuter in Europa stammen aus dem mediterranen oder südostasiatischen Raum. Wärmeliebende und schnell wachsende Arten wie Gänsefuß, Melden, Wolfsmilchgewächse, Schwarzer Nachtschatten oder Franzosenkraut würden durch wärmere Temperaturen gefördert.

Pflanzenschutz anpassen

Landwirte und Gärtner müssen wachsam sein und je nach Situation ihre Pflanzenschutzmaßnahmen an veränderte Bedingungen anpassen. Auch die Wirksamkeit der Mittel kann sich mit dem Temperaturniveau verändern. Unkrautbekämpfungsmittel, die über den Boden von den Pflanzen aufgenommen werden, brauchen genügend Bodenfeuchte, um optimal zu wirken. Werden sie durch aktivere Bodenorganismen schneller abgebaut, verkürzt sich ihre Wirkungsdauer. Wenn sich pilzliche Erreger infolge höherer Durchschnittstemperaturen schneller entwickeln, könnte die Wirkdauer systemischer Fungizide zu kurz ausfallen. Bei Insektiziden hängt die Wirkdauer auch von Temperatur und Licht ab. Wärme verkürzt sie. Entwickeln Schaderreger noch dazu in kürzerer Zeit mehr Generationen, kann deren Bekämpfung schwieriger werden. Die Wirksamkeit von Mitteln, die über den direkten Kontakt mit dem Pilz wirken (Kontaktfungizide) könnte sich dagegen verbessern, wenn das Laub trocken ist und die Witterung ebenfalls trocken bleibt.

Neue Chancen

Der Klimawandel bietet auch Chancen. Die höheren Temperaturen beschleunigen natürlich nicht nur die Entwicklung der Schadorganismen, sondern auch die der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturen. Je nach Vorkultur kann eine zweite oder im Gartenbau sogar eine dritte Folgekultur in einem Anbaujahr auf ein und derselben Fläche ausgesät werden. In der Landwirtschaft wäre das beispielsweise nach einer früh geernteten Wintergerste eine Erbsen- oder Rettichkultur. Zusätzlich erweitert sich das Anbauspektrum. Mais wächst auch in bislang zu kühlen Mittelgebirgslagen und die ebenfalls aus den Subtropen stammende Sojabohne wird immer häufiger als Eiweißlieferant für die Tierernährung ausgesät. Reben zählen zu den klimasensibelsten Kulturen. Einige Rebsorten aus dem Mittelmeerraum, etwa Chardonnay, gedeihen schon bei uns. Es könnten weitere hinzukommen. Höhere Verdunstungsraten und weniger Niederschläge im Sommer sowie mehrere Kulturen pro Jahr machen aber auch bodenwasserschonende Bewirtschaftungsverfahren und Beregnungsmöglichkeiten erforderlich, um das Potenzial der Pflanzen auszuschöpfen. Die Produktionssysteme anzupassen wäre eine der globalen Herausforderungen im Zuge des Klimawandels.

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