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Züchtung ist immer noch intensive Handarbeit, die viel Zeit und Geduld erfordert. Foto: Erika Maul, JKI
22.09.2015
Umwelt & Verbraucher

Überraschung – die Abstammung der Rebsorten kommt auf den Prüfstand

Der genetische Fingerabdruck sorgt für klare Verhältnisse

Seit jeher bemüht sich die Kreuzungszüchtung um eine breitere Palette der Rebsorten und speziell um pilz- und reblausresistente Zuchterfolge. „Das vordringlichste Ziel der Rebenzüchter war zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Sorten mit besserer Anpassung an klimatisch weniger begünstigte Standorte zu schaffen“, betont Dr. Erika Maul vom JKI-Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof, Wissenschaftlerin im pfälzischen Siebeldingen. Angesichts der Klimaerwärmung habe sich dieser Anspruch relativiert, doch an die Weine werden anhaltend hohe Qualitätsansprüche gestellt. Finesse sollen sie haben, Eleganz, Frucht und Harmonie zwischen Bukettstoffen und Körper. Weniger klar sind die Verwandtschaftsverhältnisse. Wer wurde bei Neuzüchtungen mit wem verbandelt? Von welchen Rebsorten können die Eltern in klarer Linie bestimmt werden, und wo verliert sich die Identifizierung bislang im Dunkel der Geschichte?

Der genetische Fingerabdruck     

Bei diesem Werkzeug zur Identifikation von Rebsorten kommen sogenannte Mikrosatellitenmarker zum Einsatz. Sie erstellen von jeder Rebsorte ein unverwechselbares DNA-Profil, das sich für die Sortenunterscheidung eignet. „Um die Abstammung sichern zu können“, erklärt Erika Maul, „werden mindestens 25 Mikrosatellitenmarker benötigt“. So kamen bislang als sicher angenommene Herkünfte ins Wanken, andere frühere Zuordnungen bestätigten sich aber.

Dass Riesling und Elbling antiken Ursprungs sind und dass Kreuzritter die Sorte Syrah nach Frankreich brachten, wurde inzwischen widerlegt. Dagegen verweisen Blattmerkmale des Welteroberers Chardonnay auf die Zugehörigkeit zur großen Burgunder-Familie. Bei deutschen Rebenneuzüchtungen ist mancher Zuchtbucheintrag zu korrigieren. Müller-Thurgau entpuppte sich als Kreuzung von Riesling und Königlicher Magdalenentraube, Morio-Muskat ist aus einer Liaison von Grünem Silvaner und Gelbem Muskateller hervorgegangen, Ehrenfelser entstand als Kind von Weißem Riesling und Knipperlé.

Bestätigung und Zweifel bei der Elternschaft

Diese Entdeckungen ließen aufhorchen und gaben den Anstoß, die Kreuzungseltern von 67 deutschen Neuzüchtungen näher zu untersuchen, von denen 42 in die mit offiziellen Weihen ausgestattete Nationale Sortenliste eingetragen sind. Zu 60 Prozent entsprechen die Abstammungen den Zuchtbucheintragungen. Bei anderen liegen Verwechslungen der Kreuzungseltern oder Verpflanzungen im Züchtungsquartier vor. Eine bewusste Fehlinformation schließt Erika Maul aus. Nicht alle Abstammungen konnten im Geilweilerhof zweifelsfrei aufgeklärt werden. Dafür gibt die Wissenschaftlerin zwei Gründe an: Zum einen ist der zweite Elternteil in der Sammlung des Instituts für Rebenzüchtung Geilweilerhof nicht vorhanden oder selbst ein Zuchtstamm, also eine Kombination von zwei oder mehr Rebsorten.

Auffächerung des Weinsortiments oder Sortenwirrwarr?

„Eines ist sicher“, streicht Erika Maul heraus: „Die neuen Kreuzungen bereichern die deutsche Rebenlandschaft mit einer ganzen Reihe besser angepasster Sorten“. Praxistauglich sind etwa „zwei Handvoll“, die aus unserem Sortiment nicht mehr wegzudenken sind. Zu nennen sind Dornfelder, Kerner, Bacchus und Scheurebe. Ähnlich wird es zugegangen sein, spekuliert die Wissenschaftlerin, als vor etwa 2000 Jahren der Spätburgunder und in den vergangenen Jahrhunderten Weißer Riesling, Cabernet Sauvignon und Chardonnay ausgelesen wurden. Sie waren standortangepasst und übertrafen bei maßvollen Erträgen die Weinqualität ihrer Vorgänger.

Eine Bereicherung der deutschen Weinbaugebiete

Was in Anbau, Ertrag und Güte reüssierte und den Geschmack der Weinliebhaber traf, setzte sich nach und nach durch. In Zeiten der Klimaerwärmung haben sich die Züchtungsziele gewandelt. Frühreife und hohe Zuckereinlagerung stehen nicht mehr im Vordergrund. Stattdessen ist ein hohes Säurepotenzial gesucht. „Und glücklicherweise“, freut sich Erika Maul, „steht heute die Pilzfestigkeit der Rebsorten im Zentrum der Bemühungen.“ Angezüchtete Schädlingsresistenz und überhaupt Robustheit sind damit die ganz großen Themen.    

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