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Beim Thema Pflanzenschutz spielen Emotionen eine große Rolle. Wissenschaftliche Fakten sprechen oft eine andere Sprache. Foto: istock
10.10.2019
Umwelt & Verbraucher

Pflanzenschutz: Fakten oder Emotionen?

Politisch motivierte Verbote verursachen unnötige Probleme

Schlagzeilen um Glyphosat, das Insektensterben oder Rückstände in Lebensmitteln verunsichern viele Verbraucher. Die verständliche Reaktion: Eine völlige Fehleinschätzung der Risiken. Nach dem Motto „Sicher ist sicher“ würden einige Kritiker Pflanzenschutzmittel am liebsten ganz verbieten. Dabei sprechen die Fakten eine andere Sprache. Wir haben ein paar Fragen zum Thema aus Verbrauchersicht zusammengetragen und aus wissenschaftlicher Sicht beantwortet.

Wie hoch ist das Risiko für Mensch und Umwelt durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln?

Zugelassene Pflanzenschutzmittel sind bei sachgemäßer Anwendung sicher für Mensch und Umwelt. Die Entwicklung eines neuen Produkts dauert rund 11 Jahre und kostet etwa 250 Millionen Euro. Davon wird ein Großteil in die Sicherheitsforschung investiert. Pflanzenschutzmittel zählen zu den besten untersuchten Substanzen. Am Ende der Entwicklung steht die Zulassung durch die Behörden.

Wer entscheidet über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln?

Hier ist zu unterscheiden: Zunächst muss der Wirkstoff in einem Pflanzenschutzmittel auf europäischer Ebene genehmigt werden. Das erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren, in dem die Mitgliedsstaaten, die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA und auch die Öffentlichkeit beteiligt werden. Am Ende steht die Prüfung durch einen europäischen Sachverständigenausschuss und schließlich die Genehmigung des Wirkstoffs, der dann auf eine sogenannte Positivliste gesetzt wird. Die fertigen Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff müssen anschließend in den einzelnen Mitgliedsländern zugelassen werden. In Deutschland entscheidet das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf Basis von Bewertungen des Umweltbundesamts (UBA), des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und des Julius Kühn-Instituts (JKI) über eine Zulassung, die insgesamt etwa drei bis vier Jahre dauert.

Wie gefährlich sind Pflanzenschutzmittel-Rückstände in Lebensmitteln?

In Deutschland und in der EU hergestellte Lebensmittel sind sicher. Das zeigen die vom BVL veröffentlichten Daten aus regelmäßigen Monitorings. Bei nur etwa 1 Prozent der Erzeugnisse wurden im Mittel der letzten Jahre Überschreitungen der gesetzlichen Rückstands-Höchstgehalte festgestellt. Da die Höchstgehalte aber mit sehr großen Sicherheitsspannen versehen sind, besteht auch bei gelegentlichen Überschreitungen keine Gefahr.

Geht es ohne Pflanzenschutzmittel?

Pflanzenschutzmittel sind wichtige Hilfsmittel in der Landwirtschaft, um sichere Lebensmittel zu produzieren, die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern, die jährlich um rund 80 Millionen Menschen wächst, und dabei Landressourcen zu schonen. Auch der ökologische Landbau kommt nicht ohne Pflanzenschutz aus. Würden wir in Deutschland völlig auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verzichten, würden die Erträge je nach Kultur zum Teil um die Hälfte sinken. Um unseren Bedarf dennoch zu decken, müssten in anderen Ländern Millionen Hektar zusätzliches Land unter den Pflug genommen oder die Erträge deutlich gesteigert werden.

Können Nützlinge und Biostimulanzien den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ersetzen?

Teilweise. Mit Nützlingen wird heute im Gewächshausanbau bereits ein Großteil der tierischen Schaderreger ausgeschaltet. Im Freilandanbau gibt es einige wenige wirkungsvolle Einsatzmöglichkeiten. Gegen Pilzkrankheiten helfen keine Nützlinge. Biostimulanzien sollen Pflanzen gegen Krankheiten und Pilzbefall stärken. Sie können Pflanzenschutzmittel nicht ersetzen, wohl aber ergänzen. Die Forschung in dem Bereich wird intensiviert.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Insektensterben und dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln?

Um diese Frage wissenschaftlich fundiert beantworten zu können, bedarf es weiterer Untersuchungen. Nach aktuellem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass die Insektenpopulationen vor allem durch den Verlust an geeigneten Lebensräumen leiden. Der tägliche Flächenverlust durch Versiegelung, der Trend zu Steingärten, der Verlust von nicht landwirtschaftlich bewirtschafteten Standorten sowie Lichtverschmutzung sind Beispiele dafür.

Was passiert, wenn Bienen mit Pflanzenschutzmitteln in Kontakt kommen?

Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist die Bienensicherheit ein wichtiges Kriterium. Pflanzenschutzmittel dürfen bei ordnungsgemäßer Anwendung Bienenvölker nicht schädigen. Deshalb sind einige Mittel nur mit Auflagen zugelassen. Sie dürfen beispielsweise nicht auf blühende Pflanzen gesprüht werden oder erst abends nach Beendigung des Bienenflugs angewendet werden. Experten sehen die größte Gefahr für die Bienengesundheit in der Varroa­-Milbe. Sie überträgt Viren und Krankheiten und führt zu Verlusten von jährlich vielen tausend Bienenvölkern.

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