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Für Landwirte, Händler und Mühlen wird der Schutz des eingelagerten Getreides schwieriger. Foto: Christian Mühlhausen / Landpixel
14.09.2017
Umwelt & Verbraucher

Hygienische und verlustfreie Getreidelagerung wird schwieriger

Zahl der zugelassenen Wirkstoffe gegen Vorratsschädlinge sinkt

Insekten, Pilze, Nagetiere oder Vögel haben im Getreidelager nichts zu suchen. Schließlich sollen aus dem Getreide Mehl und am Ende gesunde Lebensmittel werden. Neben vorbeugenden Maßnahmen konnten die Lagerbetreiber lange Zeit auf mehrere synthetische Mittel zur direkten Schaderregerbekämpfung zurückgreifen. In den letzten Jahren wird die Auswahl immer kleiner. Falls sich dieser Trend fortsetzt, ist mit gravierenden Folgen zu rechnen.

Ende März 2018 ist die Zeit des Nachernte-Insektizids Pirimiphosmethyl abgelaufen. Bis dahin dürfen noch Restmengen gegen Kornkäfer, Reiskäfer, Reismehlkäfer, Getreideplattkäfer, Leistenkopfplattkäfer, Kornmotte oder Getreidemotte eingesetzt werden. Das Mittel trug über viele Jahre dazu bei, die Qualität des eingelagerten Getreides zu sichern. Pirimiphosmethyl reiht sich damit ein in eine länger werdende Liste an Wirkstoffen, die nicht mehr zur Verfügung stehen. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl dieser Wirkstoffe von 22 auf heute nur noch neun mehr als halbiert (Quelle: Bundesverband der Agrargewerblichen Wirtschaft).

Hohes Resistenzrisiko

Falls Lagerräume nicht dicht sind und sie deswegen nicht mit Stickstoff oder Kohlendioxid begast werden können, verbleibt aktuell nur noch der Wirkstoff Deltamethrin, um Insekten zu bekämpfen. Dieser wird vor der Einlagerung des Getreides gegen eventuell im Lager verbliebene Insekten eingesetzt. Auch in der Ratten- und Mäusebekämpfung gibt es mit Zinkphosphid nur noch einen Wirkstoff. Die Gefahr für Resistenzen bei den Schaderregern steigt entsprechend an. Um das Risiko zu verringern, müssten mindestens drei verschiedene Wirkstoffgruppen zur Verfügung stehen. Das fordert jedenfalls der Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) unter Federführung des Julius Kühn-Instituts (JKI).

Bessere Vorbeugung plus neue Wirkstoffe

Einlagernde Landwirte, Handelsunternehmen und Mühlen stehen vor großen Herausforderungen. Betriebe, die Lebensmittel herstellen, verarbeiten oder in Verkehr bringen sind laut Lebensmittelhygiene-Verordnung verpflichtet, für sichere und unbedenkliche Partien ohne Insekten, Pilze oder Nagetiere Sorge zu tragen. Vorsorgemaßnahmen wie die Säuberung der Räume vor der Einlagerung, die gründliche Reinigung des Getreides vor der oft mehrmonatigen Lagerphase sowie geringe Kornfeuchten und Lagertemperaturen gewinnen weiter an Bedeutung. Gleichzeitig hält es der NAP für erforderlich, alternative Vorratsschutz-Strategien umzusetzen sowie neue Wirkstoffe zu entwickeln und zu genehmigen.

Endverbraucher haben ein Recht auf hygienisch einwandfreie Produkte. Die Vorstellung von Käfern und Ratten im Getreidelager ist aber nicht nur wenig appetitlich. Nagetiere können auch Krankheiten übertragen, die für uns lebensgefährlich sind. Die Erreger lösen Infektionen aus, wenn das Mehl ohne Backvorgang auf den Tisch kommt. Hitze setzt Bakterien und Viren zu. Unempfindlich gegenüber hohen Temperaturen sind jedoch die giftigen Stoffwechselprodukte von Pilzen. Wenn Getreide oder Mehl also erst einmal verpilzt sind, bleibt nur noch die Entsorgung.

Volkswirtschaftlicher Schaden

Neben den größer werdenden Qualitäts- und Hygienerisiken steigen auch die möglichen Lagerverluste durch Fraß beziehungsweise unbrauchbar gewordene Partien. Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO betragen die Nachernteverluste bei Getreide in Europa 4 Prozent. Die Welternährungsorganisation WHO macht dafür zu 80 Prozent Insekten und zu jeweils 10 Prozent Pilze beziehungsweise Nagetiere und Vögel verantwortlich. In Deutschland liegen die Verluste mit etwa 3,3 Prozent etwas niedriger. Bei einer durchschnittlichen Getreideernte in Deutschland von knapp 48 Millionen Tonnen ergibt dies einen Verlust von rund 1,6 Millionen Tonnen beziehungsweise etwa 277 Millionen Euro (bei 175 Euro pro Tonne). Je weniger Vorsorge- und Bekämpfungsmöglichkeiten die Lagerbetreiber zur Verfügung haben, desto stärker können die Verluste ansteigen. Deutschland und seine europäischen Nachbarn haben noch ein vergleichsweise hohes Vorratsschutzniveau. Weltweit beziffert Dr. Cornel Adler vom JKI jedoch die Verluste zwischen Ernte und Verarbeitung bei 5 bis 15 Prozent. Diese Größenordnungen haben ganz erhebliche Auswirkungen auf die globale Getreideversorgung.

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