Mit dem Schlickgras kommt das Mutterkorn den Weiden näher – Brotgetreide ist nicht gefährdet
Umso erstaunter waren Mitarbeiter der Leibniz Universität Hannover, als sie an der Nordseeküste – eigentlich rein zufällig – in den Rispen des dort wachsenden Schlickgrases violett-schwarz schillernde sporenartige Gebilde fanden, die stark an Mutterkorn erinnerten. Die Diagnose bestätigte sich bei genauerer Untersuchung im Labor.
Dass Mutterkorn Schlickgras befällt, war für die Botaniker neu. Um das ganze Ausmaß der Mutterkornbesiedlung zu erfassen, untersuchte man nun die gesamte Wattenmeerküste von den Niederlanden bis nach Dänemark und wurde fündig. Überall in den Rispen fanden sich die Überwinterungsorgane des Pilzes, sogenannte Sklerotien, und zwar deutlich mehr, als sonst auf Roggen zu finden sind. Weitere Untersuchungen zeigten, dass das Schlickgras-Mutterkorn sogar noch weitaus giftiger ist als das im Roggen.
Nach Aussage von Professor Jutta Papenbrock, Institut für Botanik an der Leibniz Universität Hannover, besteht jedoch keinerlei Gefahr, dass das Mutterkorn auf landwirtschaftliche Bestände übergreifen kann. Es handelt sich um eine Unterart des Mutterkorn-Pilzes, die nur auf dieser Pflanzenart wächst. Auf Roggen und anderem Getreide kommt eine andere Unterart vor. Sorgen macht den Wissenschaftlern vielmehr, dass das Schlickgras inzwischen fast überall im Küstenbereich bis hoch an die Deiche, also auch in der Nähe beweideter Wiesen, wächst. Schafe, aber auch Kinder oder Hunde könnten gefährdet sein.
Ab Herbst aufpassen
Da sich die Sklerotien erst im Herbst entwickeln, sind die Sommermonate relativ gefahrenfrei. „Allerdings haben wir festgestellt, dass das Gift kaum abgebaut wird“, berichtet Jutta Papenbrock. Auch habe man herausgefunden, dass abgefallene Sklerotien mit ähnlicher Giftigkeit später im Spülsaum der Gewässer an vielen Stellen wieder angeschwemmt würden.
Bisherige Bemühungen, Schlickgras durch Mähen oder Verbrennen einzudämmen, sind weitgehend erfolglos geblieben. Die Wissenschaftler wollen sich des Problems weiter annehmen und hoffen nun auf fachliche und finanzielle Unterstützung. Um die Ausbreitung des giftigen Pilzes zu stoppen, müsse man mit Experten aus allen betroffenen Ländern zusammenarbeiten, meinte dazu die Professorin.
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