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Auf diesem Kartoffelfeld hat die Kraut- und Knollenfäule gewütet. Quelle: Werner Raupert, Land & Forst.
25.05.2010
Umwelt & Verbraucher

Die Kraut- und Knollenfäule – Kartoffelkrankheit Nr. 1

Die wirtschaftlich bedeutendste Pilzerkrankung dieser Hackfrucht

20 bis 30 Prozent der Kartoffelernte werden vernichtet, wenn der pilzliche Erreger der Kraut- und Knollenfäule nicht rechtzeitig und konsequent bekämpft wird. Das haben Untersuchungen des Lehrstuhls für Pflanzenkrankheiten der Technischen Hochschule München gezeigt. Bei empfindlichen Sorten – insbesondere bei sehr guten Speisekartoffeln – kann sogar die Hälfte der Erträge verloren gehen. Pflanzenschutzforschung, Züchtung, Beratung und Warndienst haben geholfen, dass der Pilz nicht mehr zu Katastrophen früherer Jahrhunderte führt. Auch die Grüne Gentechnik kann dazu beitragen.

Eine Schädlingskatastrophe aus der „guten alten Zeit“

Ohne jegliche Gegenwehr hatte der Pilz vor 160 Jahren zum Beispiel die Kartoffelernte von 3 Millionen irischen Kleinbauern binnen weniger Tage zunichte gemacht. Die Ernte verfaulte zu einem stinkenden Brei. In der Folge verhungerten 1 Million Menschen, 2 Millionen wanderten aus, vor allem nach Amerika. Noch vor rund 90 Jahren verursachte die Krankheit in Deutschland immense Schäden. 1910: 139 Mio. Mark*, 1911: 26 Mio. Mark und 1916: 1,5 Mrd. Mark. In diesem Jahr wurden über 33 Prozent der Ernte vernichtet.

* In jener Zeit betrug beispielsweise der Jahreshaushalt der damaligen Pfalz mit ihren rund 1 Million Bewohnern 3 Mio. Mark!

Ende Mai/Juni: Schnelle Ausbreitung bei feuchtwarmem Wetter

Der Pilz namens Phytophthora infestans ist auf Feuchtigkeit angewiesen und wächst bei gleichzeitig schwülwarmer Witterung am schnellsten. Je nach Witterungsverlauf beginnt die Infektionsgefahr mit der Blattbildung der Kartoffelpflanzen. Ist der Pilz erst einmal mit seinen Keimschläuchen in das Innere der Pflanzen eingedrungen, ist es eine Sache von 5 Minuten, bis er in alle Hohlräume und Zellen vorgestoßen ist. Auf dem Blatt bilden sich schokoladenbraune, eingedrückte Flecken. Unter dem Blatt erscheint als weißer Saum das Pilzgeflecht. Kommt es jetzt zu Niederschlägen bei entsprechend günstigen Temperaturen, breitet sich der Pilz mit seinen Sporen in Windeseile aus. Für eine Bekämpfung ist es dann schon zu spät. Erst wenn das Kraut abstirbt, geht auch der Pilz mit ihm zu Grunde. Vorher hat er mit ungezählten Sporen andere Kartoffelpflanzen infiziert. Deshalb muss der Landwirt vorbeugend den Pilz bekämpfen. Ob und wann das geschehen muss, hängt von der Prognose der Agrar-Meteorologen ab. Sie bewerten auf regionaler Ebene das Witterungsgeschehen und leiten daraus ab, ob eine Ausbreitung des Pilzes unausweichlich bevorsteht. Dann kann der Landwirt den Pilz rechtzeitig bekämpfen.

Wie gelangt der Pilz auf die Kartoffelfelder?

Sporen, die in den Boden gespült werden, infizieren dort die Kartoffeln. Wenn sie feucht gelagert werden, zersetzt der Pilz sie in kürzester Zeit zu einer fauligen, süßlich riechenden Masse. Das passierte früher häufig, als die Knollen noch in Erdmieten auf dem Feld oder in feuchten Kellern gelagert wurden. Heute wird das Pflanzgut möglichst trocken eingekellert. So zerstört der Phytophthora-Pilz das Pflanzgut zwar nicht, übersteht den Winter jedoch unbeschadet und gelangt im nächsten Frühjahr wieder auf’s Feld. Treibt die Kartoffel aus, wächst der Pilz in die Triebe, wo sich dann auf den Blättern seine Sporenlager entwickeln.

Ökologisch bewirtschaftete Flächen können problematisch sein

Bei aussortierten minderwertigen Knollen ist das Infektionsrisiko besonders hoch. Gerade diese Kartoffeln bleiben oft am Feldrand liegen oder werden achtlos auf dem Kompost entsorgt. Treiben sie im Frühjahr aus, werden sie zur gefährlichen Infektionsquelle für gesunde Pflanzen. Problematisch können auch ökologisch bewirtschaftete Flächen sein: Hat sich hier erst einmal der Pilz ausgebreitet, weil er nicht chemisch bekämpft wird, leiden benachbarte Kartoffeläcker unter dem Sporenflug.

Vorbeugender Pflanzenschutz muss sein

Der Phytophthora-Pilz lässt sich nicht ausmerzen. Im Gegenteil: Mit dem weltweiten Handel gelangen aggressive Pilzsporen aus aller Welt zu uns. Experten gehen davon aus, dass 1976 mit der Einfuhr südamerikanischer Kartoffeln ein neuer Typ der Krautfäule eingeschleppt wurde. Er ist besonders gut an unsere Klimaverhältnisse angepasst. Mit widerstandsfähigen Sorten und einer bedarfsgerechten Düngung wird dem Pilzbefall vorgebeugt. Ein Überangebot an Stickstoff im Boden würde die Pflanzen anfälliger gegenüber dem Pilz machen. Bei nassem Wetter im Spätsommer und in gefährdeten Regionen ist allerdings eine zusätzliche chemische Bekämpfung unerlässlich.

Abhilfe mit der Gentechnik?

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung haben ein Gen aus einem Bodenbakterium in die Kartoffelpflanze übertragen, das die Abwehr des Pilzes steuert. Die Kartoffelpflanze kann durch das neue Gen eigene Zellen absterben lassen, die vom Pilz befallen wurden. Dadurch stirbt auch der Pilz. Die Pflanze opfert gewissermaßen einzelne Zellen, um zu überleben. Eine Chance, die weiter verfolgt wird.