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Niederstammanlage Quelle: Herbert Knuppen, Redaktion Obstbau.
26.04.2005
Umwelt & Verbraucher

Apfelanbau heute: heckenartige Fruchtwände

Die Antwort auf den Preisdruck durch Importe: Mechanisierte Boden- und Baumpflege in modernen Niederstammanlagen

Rund 40 kg Äpfel lassen wir uns jährlich im Schnitt schmecken. Allerdings wächst nur die Hälfte aller Äpfel in Deutschland heran. Wer sich gegen internationale Anbieter behaupten möchte, muss deshalb hohe Qualität zu günstigen Preisen anbieten. Aus diesem Grund gibt es im Erwerbsanbau praktisch nur noch Niederstammkulturen, in denen viele Pflegearbeiten maschinell erfolgen können.

Auch der Pflanzenschutz ist in den maximal 2,5 Meter hohen Apfelanlagen einfacher geworden: Spritzmittel können dort, wo sie letztlich unentbehrlich sind, sehr gezielt eingesetzt werden.

Vom Hochstamm zum Niederstamm

Der Obstbau gelangte bereits mit den Römern nach Süddeutschland. Erst in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat er sich grundlegend gewandelt. Bis zu dieser Zeit wurden ausschließlich stark wüchsige Apfelbäume gepflanzt. Unter den ausladenden, oft 20 m hohen Kronen, fand Ackerbau und Viehhaltung statt. In den 50er Jahren erwiesen sich diese Hochstammanlagen als immer unwirtschaftlicher. Inzwischen haben die meisten Kern- und Steinobstplantagen ihr Gesicht verändert: Niederstämme werden in schmalen, heckenartigen Fruchtwänden gezogen. Kleine rundkronige Bäume stehen so dicht in der Reihe, dass sie nach wenigen Jahren eine lockere Wand bilden (Superspindel, Schlanke Spindel). Das Baumgerüst besteht nur noch aus dem Stamm. Alle Seitenachsen sind Fruchtriebe oder Fruchtäste. Typisch für die modernen Dichtpflanzungen ist nicht allein die größere Zahl von Bäumen je Hektar. Wesentlicher ist, dass damit eine höhere Intensitätsstufe der Obstproduktion erreicht wird. Schon nach kurzer Standzeit werden hohe und regelmäßige Erträge in bester Fruchtqualität erzeugt, die Arbeitsproduktivität steigt und die Kosten je Dezitonne Obst sinken.

Viele Streuobstwiesen mussten weichen

Die Erlöse aus den Streuobstwiesen reichen für ihren Erhalt nicht aus, auch weil die Erträge zu stark schwanken. So wurden 1999 beispielsweise in Baden-Württemberg 600 000 Tonnen Streu- und Gartenobst geerntet, im darauf folgenden Jahr 1,3 Mio. Tonnen, aber 2001 nur 450 000 Tonnen. So wurden mit staatlicher Unterstützung allein in Baden-Württemberg, der wichtigsten Region für den Apfelanbau, 15 700 Hektar Streuobstwiesen gerodet. Inzwischen werden Streuobstwiesen staatlich gefördert, da sie das Landschaftsbild bereichern und einer großen Zahl von Tieren und Pflanzen Lebensraum bieten.

Niederstämme wachsen langsam und tragen schnell

Die modernen Niederstammanlagen gehen auf Gordon McLean aus Kingston, England, zurück. Er entwickelte das Pillar-Dichtpflanzungssystem, bei dem die Fruchtäste ohne Seitenastbildung direkt am etwa 2 Meter hohen Stamm ansetzen. In den heutigen Anlagen werden im Vergleich zu früher 10- bis 20-mal so viele Bäume je Hektar gepflanzt. Dadurch entstehen zunächst zwar hohe Kosten von über 30 000 Euro je Hektar. Aber sie werden in Kauf genommen, um später alle Maßnahmen der Rationalisierung ausschöpfen zu können. Zum Beispiel das Pflücken der Äpfel vom Boden aus, ohne Leiter.

Die Veredlung der Apfelniederstämme

erfolgt in der Regel durch Okulation einer schwach wüchsigen Unterlage – hauptsächlich M9 - mit der gewünschten Ertragssorte in Höhe des Wurzelhalses. Das bedeutet, der Stamm wird von der Edelsorte gebildet. Je nach Pflanzmaterial, Standort, Sorte und Unterlage bringt der Baum schon nach 2 bis 4 Jahren reichliche Erträge. Am selben Baum werden die kräftigen einjährigen Triebe als zukünftige Fruchtäste, neben tragenden zwei- bis dreijährigen Fruchtästen belassen. Alle anderen älteren, nicht dem Gerüstaufbau dienenden Äste, werden entfernt. Die Wurzeln der Bäume entwickeln sich bei dem frühen Fruchtansatz langsam, so dass die Bäume weiterhin klein bleiben.

Pflanzenschutz nur dort, wo er nötig ist

Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist in Niederstammkulturen gezielter möglich. Durch die geringere Baumhöhe und die wenig ausladenden Kronen können die Schaderreger genau dort, wo sie vorkommen, wirksam bekämpft werden. Die gut besonnten, kleinen Kronen trocknen zudem nach Niederschlägen schneller ab und sind damit besser gegen pilzliche Erkrankungen gefeit. So breitet sich zum Beispiel der Schorf kurz nach der Blüte auf den Blättern aus. Erkennbar an einem graubraunen pulvrigen Belag. Später befällt er die Früchte und bietet Schimmelpilzen Einlass. Moniliafäule beendet das Zerstörungswerk.

Grünes Licht für Vögel

Nützlinge spielen im Integrierten Pflanzenschutz eine wichtige Rolle. Eine Untersuchung der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft bewies, dass sich Singvögel auch in intensiv bewirtschafteten Obstanlagen wohl fühlen: Bereits im zweiten Jahr waren 60 Prozent aller Nistkästen, die in Niederstammanlagen mit verschiedenen Apfelsorten in etwa 2 Meter Höhe aufgehängt worden waren, von Meisen und Feldsperlingen bewohnt. Sie verspeisten große Raupenmengen in der direkten Umgebung ihrer Kästen.