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Die Forsythien blühen, sobald es warm wird. Auch wenn danach noch Schnee fällt. Quelle: Katrin Reinhardt
27.03.2008
Schule & Wissen

Die innere Uhr der Pflanzen …

… hat die Phänologie im Blick. Droht eine Kalamität oder nicht? Die „Lehre von den Erscheinungen“ deckt die Zusammenhänge auf.

Frühlingsgefühle halten sich nicht an den Kalender, das gilt auch für Pflanzen. Wann sie austreiben, blühen, reifen und welken wird von der Witterung mitbestimmt. Die Lehre der Erscheinungen, Phänologie genannt, beschreibt diese Vorgänge. Phänologische Ereignisse spielen eine wichtige Rolle für die Erforschung von Klimatrends. Sie sind auch für die Landwirtschaft, für Pollenallergiker und für die Insektenwelt (und nicht zuletzt für den Pflanzenschutz) bedeutsam.

Auswirkungen der Pflanzenentwicklung auf die Insektenwelt

Für Insekten, egal ob Nützling oder Schadinsekt, ist von allergrößter Bedeutung, dass ihre eigene Entwicklung und die ihrer Wirtspflanzen zeitlich zusammentreffen. So ist die Larve des Eichenwicklers beim Schlupf auf das zarte Grün der aufschwellenden Eichenknospen angewiesen. Sind die Knospen noch verschlossen, müssen die Larven verhungern. Treffen Larvenschlupf und das Anschwellen der Knospen aufeinander, können sich die Larven optimal entwickeln. Das war zum Beispiel 2005 der Fall: Damals wurden viele Laubwälder vom Eichenwickler und vom Frostspanner völlig kahl gefressen. Für die Imker hat der Deutsche Wetterdienst anhand der phänologischen Daten eine Bienen-Uhr konstruiert. Sie zeigt, wann in den verschiedenen Gebieten die Blütezeit der wichtigsten Trachten zu erwarten ist. Anhand der Bienenuhr und aktueller Wetterdaten kann der Imker entscheiden, welche Arbeiten er am Bienenvolk durchführt.

Phänologie – vom Kleiderwechsel der Natur

Die Phänologie, die Lehre von den Erscheinungen, beschreibt die Veränderungen an Wild- und Kulturpflanzen im Wechsel der Jahreszeiten. Je nach Saison zeigt sich die Natur in einem für sie typischen Kleid: Wenn die Haselnuss blüht, beginnt der Frühling. Die Verfärbung des Laubs ist ein untrügliches Zeichen des Herbstes. Phänologische Daten gelten seit jeher als wichtige Informationen für Wirtschaft und Landwirtschaft. Den Landwirt unterstützen sie zum Beispiel bei wichtigen Entscheidungen: wann soll die Wiese gemäht, wann gesät oder geerntet werden? Phänologische Ereignisse sind auch für den Polleninformationsdienst der Medizin-Meteorologie unverzichtbar. Neben dem Deutschen Wetterdienst erheben heute verschiedene Forschungseinrichtungen phänologische Daten. In über 500 Naturräumen* erfassen Beobachter nach genauen Vorgaben die Entwicklung von wild wachsenden Pflanzen, landwirtschaftlichen Kulturpflanzen, Obst und Weinreben. Beim Apfelbaum werden zum Beispiel das Datum des Austriebs, der Beginn der Blüte, die Vollblüte, der Beginn der Pflückreife und der Blattfall gemeldet. Es hat sich gezeigt, dass solche Daten verstärkt für Trendanalysen zur Klimadiagnostik genutzt werden.

Pflanzen reagieren auf höhere Temperaturen

„Die Erwärmung der Atmosphäre ist bereits deutlich an der längeren Vegetationszeit erkennbar“, berichtet Ekko Bruns, Experte für Phänologie beim Deutschen Wetterdienst, „Heute beginnt der phänologische Frühling rund drei Wochen früher als im Beobachtungszeitraum von 1961 bis 1990“. Der Haselstrauch blüht in manchen Regionen bereits im Januar; früher war Mitte Februar die Regel. Zum früheren Vegetationsbeginn gesellt sich ein etwas längerer Herbst, weiß Ekko Bruns: „Das Laub verfärbt sich heute um einige Tage später als im früheren langjährigen Mittel. Insgesamt hat sich die Vegetationsperiode je nach Region um zwei bis vier Wochen verlängert.“ Die Temperaturen sind allerdings nicht der einzige Grund, weshalb Pflanzen sprießen, blühen oder vergilben. Auch Licht, Kältereize, Samenruhe und Nährstoffversorgung spielen für die damit verbundenen komplexen Stoffwechselvorgänge eine Rolle.

Chancen und Risiken durch längeres Wachstum

Die längere Vegetationsperiode bringt insbesondere für den Weinbau Vorteile: Er hat mittlerweile Gebiete erobert, die früher den Trauben nicht genug Zeit zum Reifen ließen. Auch der Ackerbau könnte profitieren: Unter optimalen Bedingungen wird es möglich, auf einem Acker zwei Getreideernten in einem Jahr einzufahren. Wird das Wintergetreide früh geerntet, bleibt noch Zeit für die Saat einer Sommersorte. Die längeren Wachstumsphasen bergen allerdings auch Risiken. „Je früher sich ein Getreidebestand entwickelt, desto früher kann er auch von pilzlichen Krankheiten befallen werden“ bestätigt Dr. Anton Dissemond, stellvertretender Leiter des Pflanzenschutzamtes in Bonn-Roleber. „Bislang hat sich die Verfrühung im Rheinland aber nicht negativ auf die Gesundheit der Getreidebestände ausgewirkt.“

Nur langjährige Beobachtungen zählen

Ereignisse einzelner Jahre, etwa die frühe Apfelblüte im April 2007, spielen im phänologischen Kalender des Deutschen Wetterdienstes eine untergeordnete Rolle. Die tatsächlichen Verhältnisse eines Gebietes oder Ortes werden am besten durch die Mittelwerte aus langjährigen Beobachtungen beschrieben. Als Vergleichsperiode für die Entwicklung der letzten Jahre zieht der Deutsche Wetterdienst deshalb den Zeitraum von 1961 bis 1990 heran. Für Trendanalysen ist eine Fülle langjähriger Beobachtungen ausschlaggebend.