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Für Braugerste gelten hohe Qualitätsanforderungen. Foto: Bayerischer Brauerbund
14.03.2013
Schule & Wissen

Braugerste: Die Seele des Bieres

Braugerstenanbau erfordert viel Fingerspitzengefühl – Braugerste unterliegt großen Ertrags- und Qualitätsschwankungen je nach Witterung

Deutschland ist weltweit für sein gutes Bier bekannt. Rund 5 000 verschiedene Sorten werden hierzulande gebraut. Wichtigster Rohstoff dafür ist Braugerste. Die Bierbrauer stellen hohe Anforderungen an das Getreide. Hat es doch maßgeblichen Einfluss auf die Bierqualität. Unberechenbares Wetter verursacht oft starke Ertrags- und Qualitätsschwankungen. Nur wenige Landwirte wagen deshalb den Anbau.

Messlatte liegt hoch

Obwohl die EU den Begriff „Bier“ etwas weiter fasst, halten die deutschen Brauer am deutschen Reinheitsgebot aus dem Jahr 1516 fest. Demnach darf Bier nur aus Hopfen, Getreidemalz, Wasser und Hefe gebraut werden. Das lässt wenig Spielraum für Kreativität beim Rohstoff. Als Malz wird das angekeimte Getreide bezeichnet, in Deutschland überwiegend Gerste, mit weitem Abstand dahinter folgt Weizen. Das wichtigste Qualitätskriterium der Braugerste ist ein niedriger Eiweißanteil von 9,5 bis 11,5 Prozent im Korn. Dazu sollten die Körner, um nur einiger Anforderungen zu nennen, eine hohe Keimfähigkeit und eine Mindestgröße („Vollgerstenanteil“) aufweisen. Die strengen Vorgaben führen dazu, dass in manchen Jahren große Teile der Ernte nicht als Braugerste anerkannt werden. 2011 beispielsweise fielen 48 Prozent durch das Raster. Die abgelehnten Partien endeten überwiegend als Futter im Schweinetrog. Für den Landwirt bedeutet das eine finanzielle Einbuße. 

Anbau mit Fingerspitzengefühl

Um die strengen Vorgaben erfüllen zu können, benötigen die Landwirte viel Wissen und ein wenig Glück mit dem Wetter. Das beginnt schon mit der Auswahl der Fläche. Der Boden sollte eine gute biologische Aktivität und Gare aufweisen. Hohe Humusgehalte und wiederholte Düngung mit Stallmist oder Gülle sind hingegen ungünstig, weil sie abhängig von der Witterung zu unkontrollierten Stickstofffreisetzungen im Boden führen. Wenn die Pflanzen zu viel Stickstoff aufnehmen, steigt der Eiweißgehalt in den Körnern möglicherweise über die festgelegten Maximalwerte. Deshalb wird Braugerste bevorzugt mit mineralischen Düngern ernährt, denn diese sind exakter dosierbar. Die Stickstoffgaben müssen deutlich geringer sein als bei Futtergerste, auch wenn die Anbauer damit auf einen Teil des Ertrags verzichten. 

„Wie die Saat, so die Ernte“ – diese Weisheit trifft natürlich auch auf Braugerste zu. Die Landwirte bauen spezielle Sorten an, die auf die Anforderungen der Brauereien zugeschnitten sind. Gesät wird möglichst früh ab März, sobald der Boden abgetrocknet ist. So bleibt den Pflanzen Zeit für Entwicklung und rechtzeitige Abreife. Sie danken es mit hohen Erträgen und guten Qualitäten. Voraussetzung dafür ist bedarfsgerechter Pflanzenschutz. Rynchosporium-Blattflecken und Netzflecken sind die gefährlichsten pilzlichen Schaderreger. Sie müssen rechtzeitig bekämpft werden, bevor sie die Blätter und damit die Assimiliationsfläche, schädigen. Sterben die Blätter zu früh ab, wird die Pflanze in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. Sie bildet sogenannte Schmachtkörner, die wesentlich kleiner sind und einen geringeren Stärkegehalt aufweisen. Diese sind nicht mehr zu vermarkten. 

Das Wetter ist oft das Zünglein an der Waage

„Alles richtig gemacht und dennoch keine Braugerstenqualität“ – das ist die Bilanz vieler Landwirte, wenn das Wetter nicht mitspielt. So mobilisiert beispielsweise andauerndes warmes und feuchtes Wetter viel Stickstoff im Boden. Das kann die Eiweißgehalte in den Körnern über den Grenzwert steigen lassen. Sehr trockene Witterung in der Abreifephase hat kleine Körner zur Folge. Ständige Regenfälle während der Reife verzögern die Ernte. Das ist sehr ungünstig, denn dadurch lässt die Keimfähigkeit der Körner nach. 

Ernte und Lagerung

Braugerste muss zur Ernte „wie ein rohes Ei“ behandelt werden, um das Keimen der Körner zu sichern. Denn hier bilden sich Enzyme, die für den weiteren Brauprozess wichtig sind. Braugerste muss so zeitig und so trocken wie möglich geerntet werden. Ab 14 Prozent Feuchte ist das Getreide dauerhaft lagerfähig. Gegebenenfalls muss das Erntegut vorsichtig getrocknet werden. Auch behutsames Kühlen kann notwendig sein, damit es sich nicht erwärmt und dadurch an Keimfähigkeit einbüßt. Zur Braugerstenernte sollte der Landwirt seinen Mähdrescher richtig einstellen. Um Verletzungen der Körner zu vermeiden, müssen unter anderem der Dreschkorbabstand, die Dreschtrommeldrehzahl oder der Entgranner sehr sorgfältig justiert werden. Die Erträge schwankten in den letzten 15 Jahren um die fünf Tonnen pro Hektar(Quelle Statistisches Bundesamt). 

Winter- und Sommergerste: Einordnung und Bedeutung

Braugerste ist keine spezielle Gerstenart oder -sorte, sondern bezeichnet zum Bierbrauen geeignete Gerste. Das kann Wintergerste sein, die ab Mitte September ausgesät und im folgenden Sommer geerntet wird. Überwiegend handelt es sich aber um Sommergerste, die ab März innerhalb von nur drei bis vier Monaten auf den Feldern wächst und abreift.

Zahlen und Fakten

Insgesamt wurden in Deutschland im Jahr 2012 1,7 Millionen Hektar Gerste (Statistisches Bundesamt) angebaut. Nach Weizen mit 3,1 Millionen Hektar ist Gerste damit die zweitwichtigste Getreideart. Der Anteil der Braugerste schwankt von Jahr zu Jahr stark und betrug 2011 laut Deutschem Brauerbund rund 300 000 Hektar. Die größten Anbauflächen liegen in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Sachsen. Die deutschen Brauereien benötigten 2012 rund 1,7 Millionen Tonnen Gerste. Deutsche Anbauer lieferten hingegen nur knapp eine Million Tonnen, so der Landvolk Pressedienst. Der Bierkonsum in Deutschland lag 2011 bei 107 Litern pro Einwohner. Einen größeren Durst nach dem Gerstensaft verspürten nur die Österreicher mit 108 Litern und die Tschechen mit 154 Liter (Statista GmbH).



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