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GFLV-infizierter Rebstock im Freiland. Foto: RLP Agro Science GmbH
17.03.2011
Forschung & Technik

Impfschutz für Weinreben

Gegen die Reisigkrankheit bei Weinreben ist bislang kein Kraut gewachsen. Wissenschaftler suchen nach Verteidigungsstrategien für die Reben.

Die Reisigkrankheit zählt weltweit zu den wichtigsten Viruskrankheiten der Weinreben.Ausgelöst wird sie von so genannten Nepoviren, die mechanisch durch Pfropfung oder von Nematoden (Xiphinema), winzigen Fadenwürmern im Boden, auf die Rebstöcke übertragen werden. Gegen die Reisigkrankheit ist der Pflanzenschutz machtlos: Nur die Rebe selbst kann sich gegen die Viren zur Wehr setzen. Aus diesem Grund erforschen Wissenschaftler der RLP AgroScience GmbH in Neustadt an der Weinstraße, wie die Widerstandskraft von Weinreben gestärkt werden kann.

Neue Ansätze in der Pflanzenforschung

„Uns interessiert, mit welchen Methoden wir das Immunsystem von Weinreben am besten stärken können“, erklärt Dr. Goetz Reustle. Er leitet das Forschungsprojekt, das sich mit der „Impfung“ von Weinreben gegen das GFLV-Virus befasst. Dazu ziehen die Wissenschaftler in Gewächshäusern rund 80 Reblinien an, die in ihrem Erbgut ein Teil der Virus-RNA tragen. Erst zwei bis drei Jahre nach dem Pflanzen können die Wissenschaftler die Widerstandskraft der „geimpften“ Reben verlässlich beurteilen. Mit ersten Ergebnissen rechnet Reustle im Oktober dieses Jahres. 

Vergilbtes Weinlaub, Trauben mit wenigen Beeren und verdorrte Triebe

sind die typischen Symptome der Reisigkrankheit. Die Folge: Die erkrankten Rebstöcke lagern weniger Zucker in die Trauben ein. Ertrag und Qualität des Leseguts gehen zurück. Auslöser der Krankheit sind verschiedene Nepoviren, von denen das so genannte GFLV-Virus (Grapevine Fanleave Virus) die größte Bedeutung hat. Die Viren gelangen über die Mundstachel von Nematoden in die Wurzelzellen, von deren Saft sich die Nematoden ernähren. In der Wurzelzelle angelangt, wird das Viruserbgut (Virus-RNA) freigesetzt und veranlasst die Wurzelzelle, Virusprotein zu bilden. Die Viren vermehren sich und verbreiten sich von Zelle zu Zelle sowie über das Gefäßsystem in der gesamten Rebe. Je stärker sich die Viren vermehren, desto schwächer wird die Rebe, und die Erträge sinken von Jahr zu Jahr. Erleiden die Reben zusätzlichen Stress, wie zum Beispiel Wassermangel in einem besonders trockenen Jahr, wirkt sich der Virusbefall noch stärker aus. „Konkrete Zahlen über Schäden und Kosten liegen uns nicht vor“, sagt Dr. Michael Maixner vom Julius Kühn-Institut, Pflanzenschutzexperte für Weinbaufragen in Bernkastel-Kues, „in der Literatur werden jedoch Ertragseinbußen bis 50 Prozent genannt.“ 

Die Infektion ist nicht aufzuhalten

Die Viren breiten sich ungehindert aus: Die Nematoden übertragen sie von den befallenen Reben auf deren Nachbarpflanzen. In der Regel sind schon nach wenigen Jahren alle Rebstöcke eines Weinbergs befallen. Dadurch kann die Bewirtschaftung schon nach zehn Jahren unrentabel werden, während gesunde Anlagen im Schnitt mindestens 20 Jahre wirtschaftlich sind. Werden befallene Weinberge gerodet, überleben die Viren jahrelang. Fachleute gehen davon aus, dass erst eine Brachezeit von mehr als fünf Jahren zu einer Entseuchung des Bodens führt. Werden vorher neue Reben gepflanzt, ist eine Infektion vorprogrammiert. 

Nur die eigene Widerstandskraft schützt

Pflanzen müssen sich – wie auch Mensch und Tier – gegen Viren selbst zur Wehr setzen. Heute weiß man, dass Pflanzenzellen fremde oder falsche genetische Informationen erkennen und unschädlich machen können. Nur wenn dieser natürliche Schutzmechanismus nicht stark genug ist, oder das Virus es schafft, die pflanzeneigenen Abwehrstrategien zu blockieren, setzt sich das Virus in der Pflanzenzelle durch. Wissenschaftler arbeiten deshalb an verschiedenen Methoden, die die Widerstandskraft bei Weinreben gegen das GFLV-Virus stärken können. 

„Impfung“ stärkt auch Pflanzen gegen Viren

Bei Tabakpflanzen haben die Forscher der RLP AgroScience GmbH in Neustadt an der Weinstraße eine Schutzmethode gegen das GFLV-Virus gefunden, die dem Prinzip der Impfung* ähnelt. Ein Stück Viruserbgut (RNA) wird mit Hilfe eines Bodenbakteriums (Agrobacterium tumefaciens) in das Erbgut der Tabakzelle eingebaut. Dies ist für die Zelle unschädlich, aktiviert aber deren natürliche Widerstandskraft: Die Zelle beginnt, ein Stück Virus-RNA zu bilden, erkennt es als fremd und baut es wieder ab. Dringt das GFLV-Virus in die „geimpfte“ Zelle ein, ist der Abwehrmechanismus der Zelle gegen das Viruserbgut bereits aktiv und baut die Virus-RNA ab, bevor sie der Zelle schaden kann. Tabakpflanzen, die aus derartig geimpften Zellen gezüchtet wurden, sind tatsächlich gegen das GFLV-Virus resistent. Infektionsversuche belegen das: Sie entwickeln sich prächtig, während ungeimpfte Pflanzen durch das Virus zugrunde gehen.

*Mit dem „Prinzip der Impfung“ ist die gezielte Aktivierung eigener Abwehrkräfte gemeint, wie sie z.B. auch bei der Grippeimpfung erfolgt. Der Vorgang der Impfung (intravenös beim Menschen und auf zellulärer Ebene bei der Pflanze) und die Abwehrmechanismen bei Mensch und Pflanze sind dagegen völlig unterschiedlich.

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